2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Logo: Mario Bröder hat Ideen für den MTV.	Foto: Dittrich
Logo: Mario Bröder hat Ideen für den MTV. Foto: Dittrich

Gegen den Trend mit Ideen in die Zukunft

VEREIN: +++ Mario Bröder, Geschäftsführer des MTV 1846 Gießen, im Gespräch +++

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giessen. Es ist heiß, blauer Himmel, sattes Rot der Tartanbahn, grüner Kunstrasen, weitläufig dehnt sich das Gelände des MTV 1846 Gießen, mit 2300 Mitgliedern größter Sportverein der Stadt, bis über den Rasenplatz hinaus. Auf dem Kunstrasen, wo sonst mächtig Betrieb herrscht, ist nur eine Kleingruppe mit Fußball beschäftigt. In den Sommerferien ist selbst das sonst rund um die Uhr ausgelastete Areal des Männerturnvereins im Urlaubsmodus. Gegen den Trend hat der Verein am Heegstrauchweg eine stabile, jetzt sogar leicht ansteigende Mitgliederzahl, wie vor einigen Wochen bei der Jahreshauptversammlung verkündet wurde. Das ist ungewöhnlich, hat seine (spezifischen) Gründe, stellt aber auch Anforderungen, die es in Zukunft zu bewältigen gibt für den Vorstand um den 1. Vorsitzenden Mehmet Tanriverdi und den hauptamtlichen Geschäftsführer Mario Bröder, der in unserem Interview skizziert, wie sich der MTV in einer Zeit geänderten Freizeitverhaltens positioniert, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.

Der MTV 1846 hat gegen den Trend als traditioneller Verein die Mitgliederzahlen stabilisiert und sogar leicht steigern können, wie kommt‘s?

Wir haben als großer Verein mit guter Infrastruktur den Vorteil, immer wieder angesprochen zu werden, wenn Leute neue Sportarten etablieren wollen. Das war zuletzt die Streetworkout-Gruppe, davor waren es Floorball und Frisbee. Jetzt haben wir die Anfrage bezüglich einer Cricket-Abteilung und eine weitere für eine Sportart namens Spikeball, genau erschließt sich mir diese Sportart aber auch noch nicht.

Der Mehrspartenverein wird also zu einem Vielmehr-Spartenverein, ist das der einzige Grund?

Nein, sehr gut angenommen werden vor allem im Eltern-Kind-Turnen und bei der Gymnastik, aber auch dem Streetworkout die Kursmitgliedschaften oder Zehnerkarten. Nicht jeder ist bereit, gleich in einen Verein einzutreten, aber über diese „Schnupper“-Mitgliedschaften generiert man auch immer wieder neue Leute und lockt Interessierte an. Zudem arbeiten wir im Gesamtverein mit „Actic Fitness“ in der Ringallee zusammen. Davon profitieren beide Seiten. Da gibt es für Vereinsmitglieder zum Beispiel Ermäßigungen, wenn sie dort aktiv werden wollen.

Wenn man das Gelände so sieht, ist die Infrastruktur top, aber irgendwann stößt man doch auch an Kapazitätsgrenzen, gerade bei den großen Mannschaftssportarten...

Ja, natürlich. Wir haben mit Football und Fußball zwei Sparten, die momentan weiter wachsen und sehr viele Mannschaften auf den Platz bringen. Dazu kommt Frisbee, die schon wie Teile der Fußballer an die Miller Hall ausweichen und es wäre trotzdem immer noch Bedarf, das zu entzerren. Im Sommer geht es noch, weil der Rasen ja auch zur Verfügung steht, aber im Winter wird‘s eng. Da sind wir absolut an der Grenze. Wenn ich anderen Vereinsvertretern die Auslastung unseres Kunstrasens erläutere, dann können die es kaum glauben.

Soll heißen ?

Wenn die Schulen von April bis Oktober bei uns ihren Unterricht absolvieren, dann haben wir von morgens bis 16 Uhr Dauerbetrieb und ab 16.30 Uhr bis 21.30 Uhr kommen dann die Fußballer und Footballer. Da ist rund um die Uhr die Anlage in Beschlag. Trotzdem können wir noch halbwegs vernünftige Trainingsbedingungen bieten, aber es muss schon mit viel Einsatz ordentlich koordiniert werden.

Der jahrzehntelange Mitkonkurrent in der Kernstadt, der VfB 1900, geht gerade den umgekehrten Weg, gibt es da einen Kontakt, um eventuell noch zusammenzuarbeiten?

Nein, da ist momentan kein Kontakt. Es gab bereits um 2000 herum den Gedanken, eine Fusion mal durchzusprechen, das wurde auch getan, kam aber beidseitig aus unterschiedlichen Gründen nicht zustande. Meines Wissens gibt es dort als aktive Sportler nur noch die Boxer, wenn die keinen Stammverein mehr haben, könnte man über eine Abteilung nachdenken, das ist aber aktuell kein Thema. Für Gespräche sind wir aber immer offen.

Im Waldstadion haben auch die Footballer des MTV, die Golden Dragons, gespielt. Mit der Neugründung des FC Gießen und der Gemengelage rund um das Stadion gab es einige Unstimmigkeiten. Gibt es in dieser Hinsicht was Neues?

Ich weiß derzeit auch nur, dass angedacht ist, die Footballer im Weststadion spielen zu lassen. Generell ist das ja ein gutes Stadion, aber sollten die Dragons noch in der 2. Liga spielen, müsste zumindest über eine überdachte Tribüne für 500, 600 Zuschauer nachgedacht werden. Mehr kann ich da aber nicht sagen.

Apropos überdacht: Die Jahn-Halle steht, so wird kolportiert, auch zur Disposition?

Das ist richtig, wird aber erst in mittlerer Zukunft ein Thema. Wenn man sich aber die Bausubstanz anschaut und weiß, dass die Halle fast 60 Jahre auf dem Buckel hat, ist klar, dass was passieren muss. Das ist auch ein Kostenfaktor. Zur Zeit muss man da mal ein Fenster neu machen, dort streichen oder was ausbessern. Das kostet immer wieder Geld. Da muss eine große Lösung her.

Die aber auch ordentlich Geld kostet.

Ja, deshalb ist das auch ein Langfristprojekt, wobei die grundsätzliche Frage ist, ob man das Gebäude umstrukturieren und umbauen kann, oder es ganz weichen muss. Wir haben die Idee, mit Studenten und Fachleuten von der THM einen Ideenwettbewerb zu initiieren, um zu sehen, was machbar ist. Das sind Überlegungen, die wir anstellen, freilich sprechen wir dabei über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren. Es ist auch klar, dass ein Gebäude nach 60 Jahren nicht mehr den heutigen Standards entspricht. Wenn man bedenkt, dass wir Reha-Angebote anbieten und zur Halle hin nicht barrierefrei sind, wird klar, was ich meine.

Dann gibt es noch die offensichtlichen Probleme mit den Parkplätzen...

Ja, die Parkerei ist wirklich ein Problem. Da passen 40 Autos drauf, wenn man klug parkt und dann wird es schon eng. Zudem gibt es einige Fremdparker, was auch schwer zu verhindern ist. Ein Schrankensystem ist teuer und auf dieser kleinen Fläche schwer umzusetzen. Parkscheinsysteme sind auch nicht einfach, weil das Restaurant auch Gäste hat und Parkkarten für Teams, die von auswärts anreisen, ebenfalls schwer umzusetzen sind. Im Grunde ist das schon 20 Jahre ein Thema, ohne dass ein Königsweg gefunden worden ist. Vielleicht lässt sich im Zuge des Ideenwettbewerbs das mit dem Hallenumbau integrieren. Von einer Tiefgarage wollen wir mal absehen, wenn ich an die letzten Hochwasser am Klingelbach denke. (lacht)

Also keine Lösung in Sicht?

Na ja, irgendwie geht es ja schon lange, wenn auch nicht immer gut. Es kommen viele mit dem Fahrrad und bei Großveranstaltungen am Wochenende kann man immerhin auf Parkplätze rundum verweisen. Wie zum Beispiel am Philosophikum, das ist alles nicht weit.

Letzte Frage zur Infrastruktur. Der Kunstrasen ist jetzt zehn Jahre alt und war wohl die beste Investition in die Zukunft, denn mit Rasen- und Kunstrasenplatz hat der MTV ein echtes Lockmittel direkt nebeneinander. Aber wie lange hält so ein Kunstrasen?

Ich muss sagen, dass ich sehr positiv überrascht bin. Trotz der enormen Belastung ist der Platz noch in Ordnung. Die ein oder andere fehlerhafte Stelle wurde geflickt, aber eine Komplettsanierung sehe ich in den nächsten zwei, drei Jahren nicht. Es ist einfach gut, dass wir mit Stephan Wieth einen hauptamtlichen Platzwart haben, der da ein Auge drauf hat, die kleinsten Fehler sieht und dann entsprechend eingreifen kann.

Abschließend noch eine Frage zu den Giessen 46ers. Immerhin ist der MTV der Stammverein, wie sind die Kontakte?

Es ist angedacht, dass unsere Herrenmannschaft mit der NBBL kooperiert, ansonsten gibt es keine Kontakte und Berührungspunkte. MTV und 46ers sind mehr denn je zwei paar Schuhe. Das ist eben so. Da sie aber auch die Tradition als einen Aspekt ihrer Strukturen anführen, was sich in „46er“ ausdrückt, kann es nicht verkehrt sein, sich ab und an zu besinnen, wo man herkommt. Die Tradition kommt vom Stammverein.



Aufrufe: 011.7.2018, 08:00 Uhr
Rüdiger Dittrich (Gießener Anzeiger)Autor