2024-05-24T11:28:31.627Z

Interview
Jörg Dittwar ist Mitglied der einflussreichen Traditionsmannschaft des 1. FC Nürnberg und kann sich eine Aufgabe beim Club vorstellen.
Jörg Dittwar ist Mitglied der einflussreichen Traditionsmannschaft des 1. FC Nürnberg und kann sich eine Aufgabe beim Club vorstellen. – Foto: Dieter Rebel

FCN-Idol Dittwar, ein trauriger »Rele«-Vorfall und sein Wunsch-Trainer

Club-Legende Jörg Dittwar im großen Nach-Klassenerhalt-Interview mit Fupa-Reporter Dieter Rebel

Nach dem Relegations-Krimi und den damit in letzter Sekunde gesicherten Klassenerhalt kommt der 1. FC Nürnberg einfach nicht zur Ruhe. Fast schon stündlich gibt es neue Schlagzeilen rund um den Club. Es verwundert also nicht, dass sich Club-Idol Jörg Dittwar endlich wieder Ruhe wünscht am Valznerweiher, wie er im Gespräch mit FuPa-Reporter Dieter Rebel betont. Der 56-Jährige, der aktuell gemeinsam mit seinem Kollegen Herbert Harrer ein Schulprojekt für Menschen mit Handicap am Laufen hat, hat zudem detaillierte (Personal-)Pläne, wie der ehemalige Rekordmeister zu alter Stärke zurückfinden kann.

Jörg, ist der Schmerz über die aktuelle Lage beim Club so groß, dass Du in körperlich spürst?
Ich kann es einfach nicht glauben, was in der zweiten Halbzeit des Relegation-Rückspiels abgelaufen ist. Obwohl ich meinen Mitschauern immer Mut zugesprochen habe, habe ich eigentlich nicht mehr an den Klassenerhalt geglaubt. Als dann tatsächlich das Tor in der Nachspielzeit gefallen ist, puh, das ist mir schon nahe gegangen. Traurige Randnotiz: Ein Kumpel von mir, der in einem Fanclub engagiert war, ist zwei Stunden nach dem Spiel an einem Herzinfarkt gestorben.

Das ist hart - möge er in Frieden ruhen. Wie hast Du die letzten Wochen und Monate generell wahrgenommen?
Ich bin ja seit einiger Zeit beim Fanradio mit dabei - bereits seit Trainer Schwartz. Bereits unter seiner Ägide hat man nach und nach gemerkt, dass es in die falsche Richtung geht. Das letzte halbe Jahr war dann der Höhepunkt. Uns hat einfach Geschwindigkeit im Spiel gefehlt. Wenn ich einen Mittelstürmer wie Ishak habe, der seine Stärken im Strafraum hat, muss ich über die Flügel spielen und ihn versorgen. Der neue Trainer Canadi wollte von hinten rausspielen - mit dem Ergebnis, dass wir noch mehr lange Bälle geschlagen haben. An meinen Beispielen sieht man, dass einfach vieles nicht gepasst hat. Insgesamt sind die Trainerwechsel komplett verpufft. Die Spieler wehren sich zudem nicht mehr, sind zu passiv. Und das tut mir schon weh, genauso wie den anderen Ehemaligen. Egal, ob Martin Driller, Andi Wolf oder Michael Wiesinger...


»Wir brauchen Teamplayer, keine Alleinherrscher«

...Michael Wiesinger war auch immer bei Euren Analysen nach den Spielen dabei.
Genau. Deshalb wusste ich auch ungefähr, wer unter seiner Regie auf der Bank sitzen und welcher Spieler wo eingesetzt wird. Marek Mintal und er leisten insgesamt super Arbeit. Sie wissen, wie der Club tickt und vermitteln diese Werte an die Spieler. Die Ansprache von "Wiese" vor dem Spielen hat mich so angemacht, dass ich direkt Gänsehaut bekommen habe.

Die Frage, die derzeit rund um Nürnberg wohl alle beschäftigt: Wie geht es beim 1. FCN weiter?
Wir brauchen an den entscheidenden Stellen neues Personal - einen Sportvorstand, einen Trainer. Ob Marek Mintal letztgenannten Posten übernimmt - da muss man abwarten. Die Fans fordern ihn. Man kann sich aber auch seinen Namen, seinen Legendenstatus, schnell kaputt machen. In Nürnberg geht das schnell - das ist bekannt. Mein Favorit für den Trainerposten ist Timo Rost. Ein super Coach mit großem Fachwissen, aber auch den nötigen Emotionen - und dem Club-Gen. In Verbindung mit Marek Mintal wäre das eine geile Lösung. Und dann noch den Thomas Ziemer, den Martin Driller irgendwie miteinbauen. Super.

Was muss passieren, dass die Entwicklung wieder in die andere, richtige Richtung geht?
Nach vielen, vielen chaotischen Jahren ist Ruhe das absolut Wichtigste. Die Strukturen, die Führungsebene, die Mannschaft - das alles muss sich in Ruhe entwickeln können. Wir brauchen wieder Teamplayer und keine Alleinherrscher wie Michael Köllner zum Beispiel.

Ist die Entlassung von Vorstand Palikuca in diesem Zusammenhang die Initialzündung?
Der erste Schritt wurde gemacht, ja. Weitere sollten folgen. Im Aufsichtsrat wünsche ich mir mehr fußballerischen Sachverstand. Und dass Robert Palikuca noch bis 31. Juli bleibt, ist für mich unverständlich. Der neue Sportvorstand darf praktisch die Suppe auslöffeln, die er nun noch kocht. Ich hoffe, Robert Palikuca ist sich seiner Verantwortung bewusst.

Ist es nicht zu einfach, die Misere an einer Person festzumachen?
Es ist bereits über Jahre zu beobachten, dass entscheidende Personen entscheidende Fehler machen - nicht nur Robert Palikuca. Über Jahre hinweg war es so, dass wir Ehemaligen keinen Kontakt zu den Führungskräften hatte. Das hat die Fans gestört, die deshalb nun froh sind, frühere Idole wieder zu sehen. So es ist besser, wie ich finde. Nicht eine Person ist wichtig, sondern das ganze Drumherum.

Auch brauchen wir wieder Spieler, die das Club-Gen in sich haben. Warum soll nicht ein 18-Jähriger aus der Jugend spielen, der sich für den FCN zerreißt, aber ab und zu einen Fehler macht - auch scheinbare Top-Transfers sind nicht fehlerfrei. Wir brauchen wieder Identifikationsfiguren wie Galasek, Mintal oder Wiesinger.

Für Dittwar wäre Bayreuth-Trainer und Ex-Clubberer Timo Rost der ideale Mann auf der Trainerbank
Für Dittwar wäre Bayreuth-Trainer und Ex-Clubberer Timo Rost der ideale Mann auf der Trainerbank – Foto: Peter Mularczyk

Kann Nürnberg den Umschwung überhaupt aus eigener Kraft schaffen, oder ist ein Input von außen - evtl. durch einen Investor - unabdingbar?
Ein leidliches Thema. Viele fordern einen Investor - ich auch. Die Traditionsvereine müssen erkennen, dass man von der Tradition nicht leben kann. Die Suche nach einem Investoren ist aber sehr schwierig, da man einen Geldgeber braucht, der wirklich zum Verein steht. Es gibt genügend negative Beispiele - auch in Bayern.

Was hältst Du von Dieter Hecking als neuen starken Mann am Valznerweiher?
Ich durfte ihn kennenlernen und verfolge ihn seit Jahren - und ich muss sagen: Ein sehr seriöser Typ, der nicht ausflippt, sondern die Ruhe bewahrt - auch in schwierigen Situationen. Hecking hat Nürnberger Stallgeruch. Mancher nimmt ihm noch übel, dass er uns damals verlassen hat. Doch solche Wechsel gehören zum Geschäft. Insgesamt wäre Dieter Hecking eine gute Lösung.


Diesen Posten könnten sich Dittwar vorstellen

Thomas Ziemer hat kürzlich in einem FuPa-Interview verkündet, dass Ehemalige - und er hat da explizit Deinen Namen aufgezählt - bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Ist dem tatsächlich so?
Wichtig ist, dass man sich mal zusammensitzt und die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen herausarbeitet. Und dann schauen wir weiter. Insgesamt gilt: Jetzt oder nie. Wenn nicht jetzt Ehemalige Verantwortung übernehmen, dann nie mehr. Gerade jetzt braucht uns der Club (voller Energie und Tatendrang wirft Jörg Dittwar das Ditktiergerät von Dieter Rebel vom Tisch; Anm. d. Red).

Welche Posten kämen für Dich in Frage? Eher im administrativen Bereich oder an vorderster Front im sportlichen Bereich?
Wenn ich was mache, dann im Umkreis der Mannschaft oder im Scouting-Bereich. Ein Posten, den ich mir sehr gut vorstellen könnte, wäre, Jugendspieler an die Herren heranzuführen. Ich will mit Menschen zu tun haben, Werte weitergeben, ihnen deutlich machen, was der Club bedeutet.

Abschließend hast Du drei Wünsche frei. Und die wären?
1. Dass Ruhe einkehrt im Verein, 2. dass wir die richtigen Entscheidungen treffen und 3. dass wir ein wirkliches Team sind.

Danke für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft, Jörg.

Aufrufe: 015.7.2020, 14:25 Uhr
Dieter RebelAutor