2024-05-23T12:47:39.813Z

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Einmal im Rampenlicht

Die 11. Liga: Der kleine FC Radewig feiert 2015 sein 40-jähriges Bestehen

Erinnerungen ans Jahr 2000: Präsident Karl Bubrowski durfte als FCR-Spieler mal im großen Ludwig-Jahn-Stadion (hinten die Haupttribüne) den Rasen betreten. Das Spiel ging 0:17 verloren – und zählt trotzdem zu Bubrowskis schönsten Erlebnissen.

Kreis Herford. Knapp 15 Jahre ist es her, da hatte Karl Bubrowski sein größtes Erlebnis als aktiver Fußballer: Der heutige Präsident und Vorsitzende des FC Radewig, sonst meistens auf kleinen Ascheplätzen unterwegs, durfte im großen Ludwig-Jahn-Stadion ran – erste Runde im Kreispokal, gegen den Oberligisten SC Herford. Keine 100 Zuschauer verloren sich damals im weiten Rund, das Spiel ging mit 0:17 in die Buchse, Bubrowski sah von seinem Gegenspieler Raphael Negri meistens nur die Hacken – und doch schwärmt der 50-Jährige noch heute davon.

„Die Einnahmen durften wir damals komplett behalten“, erzählt er. „Und zwei Kisten Bier bekamen wir vom SC auch noch geschenkt.“ Und warum dies? „Die wollten nicht auf unserem Ascheplatz spielen – da haben wir uns bereit erklärt, ins Stadion umzuziehen. Außerdem waren die SC-Stürmer nach dem Spiel froh, dass wir sie nicht zusammengetreten hatten – davor haben technisch starke Spieler wohl am meisten Angst, wenn’s gegen einen C-Ligisten geht.“ Die Kreisliga C – eine Spielklasse mit etwas anderen Geschichten. Und der FC Radewig ist noch mal eine etwas andere Nummer.
Eine Jugendabteilung hat es nie gegeben. „Keine Chance bei all den anderen Vereinen in Herford“, sagt Bubrowski lakonisch. Damenfußball? Fehlanzeige. Irgendeine andere Sportart vielleicht? Auch nicht. Ein Archiv, eine Chronik oder eine Sportwerbewoche? Bubrowski schüttelt mit dem Kopf. Der 1975 gegründete Klub hat nicht mal ein Vereinsheim oder eine eigene Spielstätte. „Ich muss mich vor jeder Saison neu erkundigen, wo wir denn diesmal trainieren und spielen dürfen – wir bekommen immer das, was die anderen Vereine gerade nicht brauchen“, sagt Bubrowskis Sohn Daniel, der die 1. Mannschaft seit drei Jahren trainiert – zusammen mit Mustafa Temin. In dieser Saison pendelt der Klub zwischen dem alten Ascheplatz Dennewitz und zwei Kunstrasenflächen mit den klangvollen Namen „KRB“ und „KRT“ im Dunstkreis des Stadions hin und her.


Hauch von Pep: Wenn Mustafa Temin direkt nach Feierabend zum Training fährt, steht er schon mal im Anzug an der Linie.


Die beiden Bubrowskis und Temin sind weit davon entfernt, sich über derlei Unbilden zu beklagen. Bubrowski senior hat in seinen 15 Vereinsjahren weitaus Schlimmeres erlebt: „Der FC Radewig, das waren in manchen Jahren acht Mann und ein Kasten Bier. Oft bekamen wir keine elf Spieler zusammen und mussten in Unterzahl ran.“ Niederlagen im zweistelligen Bereich seien keine Seltenheit gewesen.
Diese Zeiten, sagt der VfL-Bochum-Fan mit Wurzeln im „Pott“, seien gottlob passé. Der kleine Verein werde von der Konkurrenz mittlerweile durchaus ernst genommen. „In den vergangenen Jahren haben wir oft zwei Herrenmannschaften gehabt – in diesem Jahr auch.“ Die 2. Mannschaft – Bubrowski ist ihr Trainer und streift manchmal auch noch selbst das Trikot über – belegt einen Platz im Mittelfeld. Die „Erste“ mischt in der Parallelgruppe ganz vorne mit. Und mit vier gestellten Schiedsrichtern – bei ganzen 32 Vereinsmitgliedern eine erstaunlich hohe Zahl – habe der Verein in dieser Saison seine Pflicht sogar übererfüllt. Andere Klubs seien an derlei Verbandsauflagen schon gescheitert.
2012 sah es für einen Moment noch mal ganz finster aus: Fast die komplette Mannschaft sei seinerzeit zum VfL Herford gewechselt, erzählt Temin. Über die Gründe möchte Bubrowski nicht mehr viele Worte verlieren. Jedenfalls stand er von heute auf morgen ohne Team da – und der Verein kurz vor dem Aus. In dieser schwierigen Phase sprang Sohn Daniel in die Bresche. Bubrowski junior brachte nicht nur Landesliga-Erfahrung, sondern auch Mustafa Temin und ein paar weitere Freunde mit. „Erst sah es so aus, als müssten wir uns abmelden – und dann sind wir mit dieser Mannschaft sogar noch Fünfter geworden“, erzählt der Vater.


Ball hochhalten: Spielertrainer Daniel Bubrowski rutscht die Pille auch bei ekeligem Nieselregen nicht so schnell vom Schlappen.
In diesem Jahr könnte es unter Umständen für noch mehr reichen: Hinter der Zweitvertretung aus Oetinghausen liegt der FC mit einem Punkt Abstand an zweiter Stelle. Den direkten Vergleich hat die Mannschaft im Dezember mit 1:0 für sich entscheiden können. „Da haben wir unseren vereinseigenen Zuschauerrekord gebrochen“, sagt Temin. „So um die 250 Leute werden es wohl gewesen sein.“
„Wenn’s nicht klappt mit dem Aufstieg, ist das nicht schlimm“, sagt Karl Bubrowski. „Lieber nicht den Mund so voll nehmen – Oetinghausen hat die besseren Karten.“ Ganz unpassend käme so etwas in diesem Jahr allerdings nicht. Immerhin feiert der Verein im Sommer sein 40-jähriges Bestehen und plant aus diesem Anlass ein größeres Fest. Gegen eine gleichzeitige Aufstiegsfeier hätte wohl niemand beim FC etwas einzuwenden.
Letztere könnte theoretisch in der „Martinsklause“ steigen. In der Fußballkneipe im Zentrum Herfords steht mit Gunther Jessel ein Mann hinterm Tresen, den alle nur „Schraube“ nennen. Der Wirt war vor gut 30 Jahren mal Stürmer und später Vorsitzender beim FC Radewig. Sein Spitzname habe mit einer Vergangenheit als sprunggewaltiges Kopfballungeheuer nur sehr bedingt zu tun – auch wenn das gerne kolportiert werde. „Schraube haben sie mich genannt, weil ich bei Krummacker in der Eisenwaren-Handlung gearbeitet habe“, räumt der 58-Jährige lachend mit einer Legende auf.
Eine andere Geschichte hingegen stimmt: Der FC Radewig spielte damals für kurze Zeit in der Kreisliga B. Vielleicht klappt das ja noch mal. Dann stünde der FC endlich mal im Rampenlicht – und Karl Bubrowski könnte von einem weiteren großen Erlebnis seiner Fußballvita erzählen.

Aufrufe: 017.2.2015, 16:45 Uhr
Meiko HaselhorstAutor