2024-04-30T13:48:59.170Z

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Damals und heute: 1985 lieferte sich Wilfried Hannes im Trikot von Mönchengladbach ein Duell mit dem damaligen Stuttgarter Jürgen Klinsmann. Jetzt beobachtet er (kleines Foto) die Duelle am Rand.
Damals und heute: 1985 lieferte sich Wilfried Hannes im Trikot von Mönchengladbach ein Duell mit dem damaligen Stuttgarter Jürgen Klinsmann. Jetzt beobachtet er (kleines Foto) die Duelle am Rand. – Foto: IMAGO/BAUMANN, IMAGO/REVIERFOTO
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Ein Abschied ohne Abschied nach 20 Jahren

Nach zwei Jahrzehnten verlässt Trainer Winnie Hannes Fußball-Mittelrheinligist Borussia Freialdenhoven auf eigenen Wunsch

Einen anderen Abschied hätte er sich schon gewünscht. „Aber in der Zeit, in der wir uns befinden, ist der Fußball eben nur eine schöne Nebensache“, rückt Wilfried Hannes die Dinge in die richtige Relation. Winnie, wie der 62-Jährige genannt wird, hat in seiner Fußball-Karriere viel erlebt, zu viel, um sich selbst zu wichtig zu nehmen. Trotzdem ist die derzeitige Situation auch für ihn nicht leicht. „Man kann sich ja mit niemandem treffen, sich nicht mal vom Team verabschieden – nichts. Zumal man auch noch nicht weiß, wie es mit der Saison weitergeht“, bedauert Hannes.

Bereits im Dezember hatte der Coach des Fußball-Mittelrheinligisten Borussia Freialdenhoven erklärt, dass er aus privaten Gründen sein Engagement zum Saisonende beenden wird – und das nach 20 Jahren in Diensten der Borussia. Wobei aktuell hinter Saisonende – regulär 30. Juni – ein Fragezeichen steht, da noch nicht entschieden ist, ob die Saison aufgrund der Coronavirus-Pandemie abgebrochen oder wie vom Fußball-Verband Mittelrhein (FVM) vorgeschlagen frühestens ab September fortgesetzt wird. Dann noch mit Coach Winnie Hannes? „Damit hat sich, glaube ich, noch keiner richtig beschäftigt, schließlich steht mit meinem bisherigen Co-Trainer Kevin Kruth mein Nachfolger fest. Keine Ahnung, wie das bei einem auslaufenden Vertrag und zugleich einer Fortsetzung der Saison ab September gehen soll“, so Hannes.

Ohnehin plädiert der erfahrene Trainer für einen Saisonabbruch. „Ich könnte mir vorstellen, die Saison zu annullieren, nur was würden dann – zu Recht – Clubs wie der FC Wegberg-Beeck und der 1. FC Düren sagen, die um den Aufstieg in die Regionalliga kämpfen? Ich möchte nicht in den Gremien sitzen, die das zu entscheiden haben. Es gibt keine 1a-Lösung.“ Für Hannes tun sich zudem andere Aspekte auf: „Wie soll es mit dem Fußball, mit den Vereinen auf Strecke weitergehen? Was gerade passiert, wird den Vereinen mindestens auch im kommenden Jahr noch weh tun.“ Darüber hinaus merkt er an: „Und wir dürfen nicht vergessen, dass die Gesundheit an erster Stelle steht, dass es gerade um Schicksale, um Existenzen geht, da ist der Fußball zweitrangig.“ Auch das Thema Geisterspiele sieht der Ex-Profi eher kritisch. „Ich habe die Partie Gladbach gegen Köln gesehen, fand ich nicht so toll. Auf der anderen Seite: Vielleicht bringen Geisterspiele den Menschen in diesen Corona-Zeiten aber ein Stück Lebensfreude zurück.“

Fußball – das ist sein Leben. Es ist nicht übertrieben, es so zu formulieren. „Jedes Kind zieht es in Richtung Fußballplatz, mich zu den Sportfreunden Düren, da ich im Dürener Grüngürtel zu Hause war“, blickt der 62-Jährige zurück. „Ab der C-Jugend ging es rapide hoch. Ab der B-Jugend habe ich bei der SG Düren 99, dem damals höchst spielenden Jugend-Club, zwei, drei tolle Jahre erlebt.“ Schon im zweiten A-Junioren-Jahr spielte Hannes mit den Senioren, stieg von der Landes- in die Verbandsliga auf. Über Spiele in der Mittelrheinauswahl war längst auch der DFB auf den Defensivakteur aufmerksam geworden, der ihn „fünf, sechs Wochen vor der Nachwuchs-EM in Österreich zu zwei Qualifikationsspielen einlud. Im ersten Spiel, das wir 3:0 gewonnen haben, habe ich zwei Treffer erzielt“, berichtet Hannes.

„Ich denke, wir werden uns noch mal wiedersehen.“

Wilfried Hannes zu seinen weiteren Plänen in Sachen Fußball

Nach seiner Rückkehr stand das Telefon zu Hause nicht mehr still. Der 1. FC Köln lud ihn zum Training ein. „Ein absolutes Highlight, ich durfte mit Spielern wie Wolfgang Overath und Heinz Flohe trainieren.“ Köln, Schalke 04 und Frankfurt waren an seiner Verpflichtung interessiert, doch dann stand eines Tages Karl-Heinz Drygalski in Düren vor der Tür. „Hennes Weisweiler hatte ihn mit einer Einladung zum Probetraining in Mönchengladbach vorbeigeschickt. Und die Borussia hatte da gerade den Uefa-Pokal gewonnen“, war Hannes sofort Feuer und Flamme.

Der Rest ist Geschichte: Zwischen 1975 und 1986 machte der Abwehrspieler 261 Spiele für die Borussia und traf 58 Mal, zwei Mal wurde er Deutscher Meister und 1979 Uefa-Pokalsieger. Nach zwei weiteren Jahren auf Schalke und je einem beim AC Bellizona und dem FC Aarau in der Schweiz beendete Hannes 1989 seine Laufbahn.

Die Karriere nach der Karriere schloss sich nahtlos an: 1990 übernahm der Dürener sein erstes Traineramt bei Viktoria Köln. „Ich habe gleich entschieden, Trainer zu werden, da ich das irgendwie spannend fand. In Gladbach hatte ich den besten Trainern über die Schulter geschaut, Weisweiler, Udo Lattek und Jupp Heynkes, das waren damals die Größten für mich“, sagt Hannes und schiebt lachend hinterher: „Die haben uns damals gezeigt, wie man mit Drecksäcken wie uns umgeht.“

Von Köln ging es nach Aachen zum damaligen Oberligisten Alemannia. Die Zeit von 1991 bis 1994 sieht Hannes heute selbstkritisch: „Ich war damals nicht reif genug für die Alemannia, habe das unterschätzt. Damals wie heute ist die Erwartungshaltung der Fans hoch, stand und steht in keinem Vergleich zur Liga bzw. der Bedeutung des Clubs.“ Die Oberliga war damals noch die höchste Amateurklasse unterhalb des bezahlten Fußballs. „Und wir sind nur zwei Mal knapp am Aufstieg gescheitert. Das war eine spannende Zeit, in der ich viel gelernt habe.“

„Ich war damals nicht reif genug für Alemannia Aachen, habe das unterschätzt.“

Wilfried Hannes zu seiner Zeit beim damaligen Oberligisten

Nach einem Jahr Fußballpause übernahm Hannes den damaligen Verbandsligisten Rhenania Würselen. „Das war die Knallerzeit schlechthin“, erinnert sich Hannes gerne an diese drei Jahre. Mit ihm stieg der Verbandsligist souverän in die Oberliga auf. „Und wir wären erneut aufgestiegen, wenn es den damaligen Steuerskandal um den Sponsor nicht gegeben hätte.“ Vor dem entscheidenden Spiel am Lindenplatz gegen Bayer Leverkusen II wurde die Kasse gepfändet. „Danach waren meine Spieler schon vor der Partie K.o.“

Erneut ein Jahr Pause – dann übernahm Hannes den Verbandsligisten Borussia Freialdenhoven. „Gleich im ersten Jahr sind wir überraschend aufgestiegen“, blickt der 62-Jährige zurück. „Da standen wir nun, ein kleines Dorf in der Oberliga. Unsere Jungs haben das damals gut gemacht. Wir sind nie abgestiegen, sondern haben zurückgezogen. Die Saison war aber ein Erlebnis.“ Zugleich war man sich in Freialdenhoven aber klar geworden, dass die Verbandsliga – heute Mittelrheinliga – für den Dorfclub die höchste Klasse sein kann. „Wir haben uns wieder mehr auf die Region besonnen, Spieler aus dem Umfeld geholt. Und denen von Beginn an gesagt, dass, egal wie die Saison läuft, ein Aufstieg kein Thema ist“, so Hannes.

Trotzdem lockte die Oberliga – auch den Trainer selbst: 2003 wechselte er zum GFC Düren. „Der GFC wollte damals aufsteigen, das war für mich als Dürener eine Herausforderung“, gibt Hannes ehrlich zu. „Ich habe das eine Jahr gemacht, das war aber nicht mein Verein, so wie ich das aus Freialdenhoven gewohnt war. Dort ist alles familiär und trotzdem sehr professionell, eben ein ,Fußballdorf mit Herz‘.“

Da ein Aufstieg nicht in Frage kam, verlegte sich Freialdenhoven darauf, die „finanziell besser gestellte“ Konkurrenz zu ärgern. „Das ist uns oft gelungen, wir waren Herbstmeister oder haben die Saison auf Platz zwei beendet. Nicht aufsteigen zu können, war für die Jungs schwer. Das erfordert viel Charakter, dann trotz allem sein Bestes zu geben. Natürlich sind viele Spieler aus diesem Grund nicht nach Freialdenhoven gewechselt. Aber die, die kamen, haben sich wohlgefühlt.“

Ob es sportlich für Hannes, der am Sonntag 63 Jahre alt wird, weitergeht, ist noch offen. „Es haben einige Clubs angerufen, als sie hörten, dass ich nach insgesamt 20 Jahren die Borussia aus privaten Gründen verlassen werde. Momentan ist alles vorstellbar: Vielleicht übernehme ich irgendwann einen anderen Club, dann muss ich aber für diesen eine Perspektive sehen. Vielleicht betätige ich mich auf einem anderen Aufgabenfeld. Oder ich beende meine Karriere ganz“, sagt Hannes – überlegt kurz, grinst und setzt hinzu: „Ich denke, wir werden uns noch mal wiedersehen.“



STATIONEN EINER FUSSBALLKARRIERE

Elf Jahre bei Borussia Mönchengladbach

Wilfried „Winnie“ Hannes, geboren am 17. Mai 1957 in Düren.

Stationen als Spieler: Jugendvereine Sportfreunde Düren und SG Düren 99. 1975 bis 1986 Borussia M‘gladbach (261 Spiele/58); 1986 bis 1988 FC Schalke 04 (48/4), 1988 AC Bellinzona/Schweiz (29/5), 1989 FC Aarau/Schweiz (13/1).

Nationalmannschaft: 1976 U 21 (1/0), 1979 bis 1980 Deutschland B (6/1), 1981 bis 1982 Deutschland (8/0). Hannes gehörte 1982 zum WM-Aufgebot in Spanien.

Trainerstationen: 1990 bis 1991 Viktoria Köln, 1991 bis 1994 Alemannia Aachen, 1995 bis 1998 Rhenania Würselen, 1999 bis 2003 Borussia Freialdenhoven, 2003 bis 2004 GFC Düren, 2004 bis 2020 Borussia Freialdenhoven.

Aufrufe: 012.5.2020, 09:00 Uhr
Helga Raue | AZ/ANAutor