2024-06-04T08:56:08.599Z

Interview
1976 wurde Edi Kirschner (Mitte) u.a. von Trainer Dettmar Cramer (rechts) als Neuzugang beim FC Bayern München vorgestellt.
1976 wurde Edi Kirschner (Mitte) u.a. von Trainer Dettmar Cramer (rechts) als Neuzugang beim FC Bayern München vorgestellt. – Foto: Imago Images

Eduard Kirschner - der stürmende Libero aus dem Rottal

Niederbayerische Exportschlager: Eduard "Edi" Kirschner - Teil 1 +++ Geboren in Tettenweis legte der 67-Jährige eine eindrucksvolle Spieler- und Trainerkarriere hin

Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Gerd Müller - die Namen der legendären Bayern-Mannschaft der frühen Siebziger-Jahre sind wohl jedem bekannt. Zum erfolgreichen Münchener Team gehörte in seiner Endphase auch ein gewisser Eduard Kirschner. Und schon sind wir beim nächsten Niederbayerischen Exportschlager. Der heute 67-Jährige aus Tettenweis machte sich aber nicht nur als Spieler beim FCB, bei der SpVgg Fürth, in den USA bzw. Kanada, beim FCA und in Köln einen Namen, sondern auch als Trainer - allen voran beim 1. FC Passau, seinem Herzensverein.

Hier geht's direkt zum zweiten Teil des Interviews (einfach klicken)

Edi, wer ist denn nun der große Verlieren beim Alaba-Poker? Der FC Bayern, der wohl einen wichtigen Spieler verlieren wird - oder der Spieler, der sich verzockt zu haben scheint?

In erster Linie der Spieler. Natürlich ist auch irgendwie der FC Bayern ein Verlierer, immerhin verlieren sie einen guten Spieler. Es gibt also eigentlich keinen Gewinner. Wobei: Durch den Rückzug des Angebotes hat der FCB sein Gesicht bewahrt. Und eins ist auch klar: Alaba ist leichter zu ersetzen als Neuer oder Lewandowski, sogar als Kimmich oder Goretzka.

Was stört Dich an dieser Geschichte mehr? Die gigantische, fast nicht mehr greifbare Gehaltssumme, die im Raum steht oder die Tatsache, dass diese eigentlichen Internas in der Öffentlichkeit breit getreten werden?
Beides stört mich. Vertragsverhandlungen müssen intern geklärt werden - und nicht in den Medien. Fest steht auch: Egal, ob es 17, 20 oder 25 Millionen Euro jährlich sind - das ist ein Alaba als Abwehrspieler nicht wert.

Das liebe Geld spielt eine immer größere Rolle, wenn der Ball rollt. Bei den Profis ohnehin, und bei den Amateuren auch immer mehr.
Dieser Meinung bin ich nicht. Das Geld ist nur bei den Vertragsverhandlungen Thema, danach nicht mehr. Vordergründig will jeder Profi spielen und gute Leistungen bringen. Ein Spieler will am Montag in der Zeitung eine gute Note haben. Ein Beispiel hierfür?

Gerne.
Mario Gomez ist mal eine Zeit lang auf der Bank gewesen bei den Bayern. Ich bin mir sicher, er hätte umsonst gespielt, wenn er aufgestellt worden wäre. Stammspieler zu sein ist für Profis das Größte.

» Es war ein Genuss, mit Weltmeistern trainieren zu dürfen «


Wie heute gehörte auch zu Deiner Zeit der FC Bayern München zur absoluten europäischen Spitzenklasse, verbunden mit einem großen öffentlichen Interesse. Waren auch damals bereits derartige Nebenkriegsschauplätze vorhanden?
Die Summen war damals noch weit entfernt von den heutigen Beträgen, wobei mich auch die heutigen Zahlen nicht weiter stören. So hat sich das Geschäft einfach entwickelt. Auch ich habe, das muss man schon sagen, für damalige Verhältnisse nach meinem Wechsel zu den Bayern sehr gut verdient. Klar hat es auch bei uns Nebengeräusche gegeben. Diese wurden aber noch nicht so nach außen getragen wie jetzt.

... weil die Medienwelt damals noch eine andere war.
So ist es. Vieles wird heute ausgeschlachtet - und dramatischer dargestellt, als es wirklich ist.

Wie würden die Gazetten wohl heute über Deine Karriere titeln?
Puh, schwierige Frage. Aus dem Stegreif fällt mir da nichts ein.

Wir hätten einen Vorschlag.
Gerne.

"Für den FCB hat's nicht gereicht, aber ansonsten wäre mehr drin gewesen" - was hältst Du von unserer Schlagzeile?
Ja, das stimmt wohl so. Wobei ich das Ganze dann doch etwas ausführlicher erklären möchte.



Nur zu.
Mein Pech war es, dass ich von den Bayern als Mittelstürmer verpflichtet worden bin. An einem Gerd Müller, dem besten Torjäger aller Zeiten, gab es schlicht und einfach kein vorbeikommen. In sehr vielen Trainingseinheiten habe ich nach dem Weggang von Franz Beckenbauer auf der Libero-Position gespielt. Viele aus der Mannschaft haben mir diese Position auch in der Bundesliga zugetraut. Ich hätte es auch verdient gehabt, zu spielen - und vielleicht wäre dann vieles anders gekommen. Doch der Trainer war anderer Meinung. Aber das ist alles reine Spekulation. Insgesamt bin ich so zufrieden, wie es gekommen ist.

Es gibt also deswegen keine schlaflosen Nächte.
(lacht) Nein, nein. Überhaupt nicht. Die Zeit in München war sehr, sehr schön. Es war ein Genuss, jeden Tag mit Welt- und Europameistern trainieren zu dürfen. Später habe ich davon sehr profitiert.

Zum Beispiel bei der SpVgg Fürth, dem Vorhänger des heutigen Kleeblatts. 1978/79 warst Du sogar Torschützenkönig der 2. Liga - im gerade zur damaligen Zeit sehr jungen Fußballer-Alter von 24 Jahren. Eine Rückkehr in die Eliteliga wäre nur logisch gewesen. Du hast Dich aber für die seinerzeit als "Operettenliga" bezeichnete North American Soccer League entschieden. Warum?
Natürlich hatte ich auch Angebote aus der Bundesliga. Ich hatte aber im Hinterkopf, dass ich es bei den Bayern nicht geschafft habe. Und finanziell war die USA-Geschichte natürlich sehr lukrativ. Hinzu kam, dass mich ein fremdes Land, eine fremde Kultur, ein anderer Kontinent gereizt hat.

Böse Zungen könnten behaupten, Du hast durch diesen Wechsel Deine Karriere verschenkt.
Jein.

Edi Kirschner (rechts) gehörte als stellvertretender Chef eine Zeit lang auch der Vorstandschaft des 1. FC Passau an.
Edi Kirschner (rechts) gehörte als stellvertretender Chef eine Zeit lang auch der Vorstandschaft des 1. FC Passau an. – Foto: Robert Geisler


Dir war die persönliche Entwicklung wichtiger als die sportliche?
Richtig. Und so ehrlich bin ich: Auch das Finanzielle war ausschlaggebend. Ich habe dort verdient, was ich in Deutschland als Spitzen- und Nationalspieler nicht bekommen hätte.

War es im Rückblick ein Fehler, nach Übersee zu wechseln?
Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich habe dort eine schöne Zeit erlebt. Unter anderem wurde meine Tochter in Kanada geboren. Sie hat die kanadische Staatsbürgerschaft. Die Jahre in Amerika kann mir keiner nehmen, das sind unvergessliche Erinnerungen. Noch heute habe ich viele Freunde drüben.

Das fußballerische Comeback auf deutschem Boden führte Dich zum FC Augsburg, mit dem Du gleich wieder aus der 2. Liga abstiegen bist. Später noch zu Fortuna Köln.
Hannes Baldauf, der schon in Fürth mein Trainer war, hatte mich darum gebeten, ihm in Augsburg zu helfen, was ich gerne gemacht habe. In den USA war ich Libero, nun wieder Mittelstürmer. Und ich habe gleich wieder acht Mal getroffen in 21 Spielen.

Dass Du weist, wo das Tor steht, wurde also nicht vergessen.
Nein (schmunzelt). Das ging aber weiter munter hin und her. In Köln, wo übrigens meine zweite Tochter geboren wurde, war ich plötzlich wieder Libero. In dieser Zeit habe ich auch mal mit Basel verhandelt. Ich wollte aber nicht mehr ins Ausland. Ich wollte mich eher in Richtung Heimat orientieren. Für mich war immer klar, dass ich nach Tettenweis zurück will - obwohl ich beispielsweise in Fürth ein lukratives Jobangebot bei Quelle erhalten habe. Es war immer klar, dass ich mal unser Geschäft daheim übernehmen werde. Es war eher eine Frage des Müssens, nicht des Wollens. Wir haben ein Schuhgeschäft samt Gerberei betrieben.

Als was siehst Du Dich denn - Stürmer oder Libero?
Beides (lacht herzlich). Das eine schließt ja das andere nicht aus. Ich war als Libero sehr offensiv und habe auch auf dieser Position meine Tore geschossen.

Warum Kirschner erst mit 21 Jahren von Tettenweis nach Passau wechseln durfte und auch dann noch der Haussegen schief hing, erklärt der 67-Jährige im zweiten Teil des Interviews. Genauso blickt er verstärkt auf "seinen" 1. FC Passau, den er schon bald wieder in der Bayernliga sieht.

Aufrufe: 017.11.2020, 14:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor