2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Ein proppenvolles Dreiflüssestadtion - so kennt Edi Kirschner die Heimstätte des 1. FC Passau, sein Wohnzimmer.
Ein proppenvolles Dreiflüssestadtion - so kennt Edi Kirschner die Heimstätte des 1. FC Passau, sein Wohnzimmer. – Foto: Robert Geisler

»Überzeugt davon, dass Passau in die Bayernliga zurückkehren wird«

Zweiter Teil des Exportschlager-Interviews mit Edi Kirschner: Der ehemalige Spieler und Trainer spricht über seine Herzensvereine und erklärt, warum im Hause Kirschner der Haussegen schief hing

Eduard "Edi" Kirschner war ein guter Fußballspieler, ist wohl nach wie vor ein herausragender Trainer - und ein noch besserer Erzähler. Das wird im zweiten Teil des Exportschlager-Interviews mit dem 67-Jährigen deutlich. Der Tettenweiser spricht über seine Herzensvereine, allen voran den 1. FC Passau, über seine legendäre Doppelfunktion, über seine Anfänge beim SV Tettenweis und er erklärt, warum der Haussegen bei den Kirschners nach seinem ersten Wechsel in die Dreiflüssestadt schief hing.

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Nach Deiner Profikarriere ging es beim 1. FC Passau weiter - als Spielertrainer. Damals mischten die Dreiflüssestädter noch im Konzert der absoluten (Amateur-)Größen mit. War das Deine schönste Zeit als Fußballer?
Nein. Ganz ehrlich. Der Spieler schüttelt sich nach einer Niederlage ab, geht nach Hause und alles ist gut. Als Trainer stehst Du in der Verantwortung. Ich kann mich an viele schlaflose Nächte erinnern. Die schönste Zeit als Fußballer erlebte ich aber dennoch beim 1. FC Passau - allerdings vor meiner Profikarriere als junger Bursch. Ich hatte nur Fußball im Kopf und konnte das voll ausleben. Das war vielleicht prima.

Blick doch noch einmal auf das Herzschlagfinale um den Aufstieg in die Bayernliga 1989 zurück - es ging ausgerechnet gegen die SpVgg Fürth, Deinem Ex-Club. Nach diesem Spiel endete zudem Deine zweite Zeit in Passau.
Das alles war zu dieser Zeit fast nebensächlich. Drei Tage vor dem Spiel ist mein Vater gestorben. Die Partie war deshalb alles andere als einfach für mich - zumal ja der Ausgang dann auch noch sehr unerfreulich war. Dass ich als Spielertrainer aufhören werde, war aber schon vorher klar. Wenn du vier Jahre bei einem Verein bist, muss ein Wechsel her. Dann braucht’s an neuen Wind.

Sechs Jahre später bist Du zurückkehrt - "nur" als Trainer. Und warst Du legendären Bayernliga-Zeiten dabei. Warum hat Passau aus diesen Erfolgen nicht Kapital in Form von langjährigen, höherklassigem Fußball schlagen können?
Es war ja nie Geld da. Und auch die Vorstände haben dann oft gewechselt. Mit einem Jürgen Wösner, der ja leider viel zu früh verstorben ist, wäre der 1. FC Passau heute noch 4. Liga. Davon bin ich überzeugt. Der war ein Präsident, wie man ihn sich wünscht.

Das Problem mit zwei Weihnachtsfeiern



Wie wünscht man sich denn einen Präsidenten?
Er hatte einen Status in der Stadt. Er hatte die Finanzen im Griff. Er wusste, was er macht.

In der Folge ging es sogar bis in die Bezirksliga runter.
Ja, das ist traurig. Aber mei. Das ist der Lauf der Dinge. Ich bin überzeugt, dass Passau über kurz oder lang in die Bayernliga zurückkehren wird. Vielleicht klappt es sogar mit der Regionalliga. Zurzeit sind gute Leute da. Günther Himpsl ist ein hervorragender Trainer. Es geht aufwärts.

Nochmal zurück in die Vergangenheit: Unvergessen ist auch Deine Doppelfunktion - als Verantwortlicher vom 1. FCP und dem FC Münzkirchen. Eine verrückte Geschichte.
(lacht) Stimmt. Ich habe in Münzkirchen einen guten Freund, der damals Sektionsleiter beim FC war. Münzkirchen wollte nach einer halben Ewigkeit unbedingt wieder aufsteigen. Und ich sollte das als Trainer schaffen. Es war ein Bitten und Betteln. Und irgendwann habe ich für ein Jahr zugesagt - als Spielertrainer. Gleichzeitig war Passau Letzter. Und ich musste praktisch zusagen müssen, als ich gefragt worden bin, ob ich helfen kann.

Müssen?
Ja, müssen. Ich habe dem FC viel zu verdanken, war ihm deshalb was schuldig. Das war schon irre. Ich war dann sieben Mal pro Woche auf dem Fußballplatz. Montag, Dienstag - Training mit Passau. Mittwoch - Training mit Münzkirchen. Donnerstag - Passau. Freitag - Münzkirchen. Samstag dann Spiel mit Passau. Sonntag dann Spiel mit Münzkirchen, ich bin sogar noch selber aufgelaufen. Mit Münzkirchen sind wir aufgestiegen. Mit Passau haben wir noch einen guten Mittelfeldplatz erreicht. Probleme gab es nur wegen einer Weihnachtsfeier.



Erzähl.
Wie es der Zufall so wollte, fanden die Feiern beider Vereine am selben Tag statt. Ich musste mir also was überlegen. Letztlich war ich von 18 bis 22 Uhr in Passau, und dann bis 3 Uhr morgens in Münzkirchen. Meine Familie hat mich für verrückt erklärt. Später gab es diese Doppelbelastung übrigens noch einmal. Ich war Trainer in Passau, dann aber nur Spieler in Münzkirchen.

Themawechsel: Im Gegensatz zum FCP hat sich Lokalrivale Schalding-Heining in den vergangenen Jahren zum niederbayerischen Aushängeschild entwickelt. Hat der SVS dem großen Bruder endgültig den Rang abgelaufen?
Der SV Schalding-Heining leistet überragende Arbeit. Jedes Jahr glaubt man, es sei das Letzte in der Regionalliga - und jedes Jahr sichern sie souveräner den Klassenerhalt. Da muss man ein Lob aussprechen - auch als eingefleischter Passauer. Wie schon vorher angesprochen, ist es aber ein stetiges Auf und Ab. Regionalliga ist für den SVS, wie es die Verantwortlichen selbst immer wieder betonen, eher die Ausnahme als die Regel. Alles andere ist Zukunftsmusik.

Landshut, Straubing, Passau - zu Deiner Zeit war Niederbayern gespickt mit höherklassigen Amateurvereinen....
(Kirschner unterbricht die Frage) Vergesst mir bitte den SV Tettenweis nicht (lacht). Unter der Regie meines Vaters, der dort Vorstand, Trainer und Spieler war, war der SV Mitte der Sechziger Bezirksligist - mit Passau unter anderem. Schon als zehnjähriger trainierte ich mit der Bezirksligamannschaft regelmäßig mit.

Inzwischen ist der 67-Jährige passionierter Golfspieler.
Inzwischen ist der 67-Jährige passionierter Golfspieler. – Foto: Robert Geisler


Andere Zeiten.
Absolut. Ich habe fünf Mal die Woche trainiert und nebenbei noch in jeder freien Minute gebolzt. Obwohl schon mehrere Vereine interessiert waren damals, durfte ich nicht wechseln. Mein Vater fürchtete, dann würde niemand mehr in seinem Schuh-Geschäft einkaufen. Erst als ich 21 war, hatten sich die Zeiten etwas geändert - ich ging zum 1. FC Passau. Und auch da ist der Haussegen daheim noch ganz schön schief gehangen.

... so, jetzt die vorherige Frage zu Ende gestellt: Warum waren zu Deiner aktiven Zeit noch mehr niederbayerische Vereine Spielklassen-technisch weiter oben angesiedelt?
Weil die Jugendlichen nichts anderes hatten als den Fußball. Es wurde überall gespielt. Selbst, wenn du gejoggt bist, haben sie dich komisch angeschaut. Fußball, überall nur Fußball. Und in der Folge hatten die Fußballvereine Zulauf ohne Ende. Das ist heute nicht mehr so. Einerseits sind die schulischen Anforderungen größer geworden. Andererseits gibt es einfach zu viele Alternativen. Mit ein- bis zweimaligem Training in der Woche wirst du kein besonders guter Fußballer.

Ist der 1. FC Passau Dein Herzensverein, obwohl er ja nicht Dein Heimatverein ist?
Ja. Mit diesem Vereine habe ich das meiste erlebt.

Was bedeutet dann der SV Tettenweis für Dich?
Die spielen ja in der untersten Klasse. Die machen eine super Arbeit, haben viele Jugendspieler, aber haben sich eben dazu entschlossen, kein Geld einzusetzen. Auch gut.

Wie schon vorher kurz angeschnitten, ist es aus fußballerischer Sicht ruhig geworden um Dich. Oftmals bist Du auf dem Golfplatz anzutreffen. Ein bewusster Schritt? Oder wartest Du auf Angebote?
Ich warte auf gar nichts mehr. Es passt alles so, wie es ist. Nun ist eben Golfspielen mein Leben.

Edi, vielen Dank für das Interview - und alles Gute für die Zukunft.

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Aufrufe: 024.11.2020, 09:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor