2024-04-29T14:34:45.518Z

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Joshua Iten hat seine Karriere als professioneller Fußballer abgehakt, doch der Profitraum schlummert nach wie vor in ihm - wenn auch etwas anders, als er das vermutlich zunächst glaubte.
Joshua Iten hat seine Karriere als professioneller Fußballer abgehakt, doch der Profitraum schlummert nach wie vor in ihm - wenn auch etwas anders, als er das vermutlich zunächst glaubte. – Foto: FuPa/Juliane Fuchs

Der Profitraum lebt weiter

Serie - Teil 5: Joshua Iten über seine Zeit im NLZ der SGE und dem SVWW, warum der verpasste Schritt zum Profikicker ein Glücksfall war und seine Pläne als Trainer

Mainz/Hüffelsheim. Wenn Joshua Iten auf seine bisherige Fußball-Karriere zurückblickt, bereut er nichts – keinen einzigen Schritt. Das scheint auf den ersten Blick verwunderlich, denn in seiner Jugendzeit zockte der 26-Jährige für die Nachwuchsmannschaften von Eintracht Frankfurt und dem SV Wehen Wiesbaden (SVWW). Schaffte es beim letztgenannten Club sogar in den Profikader der Herren, kam dann aber nicht mehr zum Zuge. Heute ist der physische Defensivspezialist Leistungsträger beim Landesligisten SG Hüffelsheim. Der Fußball hat in Itens Leben allerdings an Priorität verloren. Wichtiger wurden die Dinge abseits des Feldes.

Ein Schweizer aus Südhessen

Joshuas Wurzeln liegen in der Schweiz. Beide Eltern stammen von dort. Er selbst besitzt ebenfalls die Staatsbürgerschaft der Alpenrepublik. Und das obwohl er in Frankfurt am Main geboren ist und seine Kindheit in Idstein verbrachte. Sein fußballerisches Talent war schon in jungen Jahren unverkennbar, der Schritt in den Juniorenbereich der SG Eintracht Frankfurt daher wenig überraschend. Mit Teamkameraden wie den heutigen Profis David Kinsombi und Niklas Süle dominierte Itens Mannschaft national und international. „Wir waren brutal unterwegs damals“, erinnert sich Joshua zurück.

Mailänder Teams „vom Platz geschossen“

Auslandsturniere in den Niederlanden, Belgien oder auch Italien waren Höhepunkte aus seiner Zeit bei der SGE. Dort galten Mannschaften wie die zwei Mailänder Spitzenteams für die Frankfurter Truppe als Gradmesser. Ein Prüfstein den man mit Bravour meisterte. „Das war schon der Wahnsinn. Wir haben in Mailand ein Turnier gewonnen gegen AC und Inter. Die haben wir vom Platz geschossen“, berichtet Iten. Es ist eine Reminiszenz an seine Eintracht-Vergangenheit. Während sich Joshua rückbesinnt, spürt man, wie Begeisterung in seine Stimme einkehrt: „Diese internationalen Turniere sind die größten Erinnerungen“.

Über die Hessenauswahl in die Schweizer Natio

Lange kickte Joshua zeitgleich in der Hessenauswahl. Sich, wie seine Kollegen, für die Nationalauswahl der Deutschen zu empfehlen, gelang ihm allerdings nicht. Den Grund dafür kennen wir bereits. Es fehlte schlicht und ergreifend der Pass und somit die Berechtigung für Deutschland auflaufen zu können - nicht die Qualität.

Bei einer Sichtung aller Auslands-Schweizer wusste Iten allerdings zu überzeugen - als Einziger: "Ich konnte mich gegen circa 20 andere Jungs durchsetzen", berichtet er. Die Folge daraus? Joshua durfte ein Jahr lang unter Pierluigi Tami für die U17 der Schweizer auflaufen.

Der familiäre Background ist entscheidend

Nach drei Jahren bei der Eintracht aus Frankfurt erfolgte der Wechsel in die Jugendabteilung von Wehen Wiesbaden. Ein logischer Schritt, denn ein Internatsleben kam für den Jungen aus Idstein nicht in Frage. Familiärer Zusammenhalt und die Sozialisation durch den engen Kreis der Verwandtschaft waren für Joshua von großer Bedeutung. Es war eine Entscheidung die für einen Jugendlichen bereits sehr reflektiert anmutet. Auch für die Unterstützung der Eltern zeigt sich Iten sehr dankbar – zu Hause konnte er während seiner Kindheit den nötigen Abstand zum Fußball gewinnen.

Viele Gegenbeispiele aus seiner Zeit im NLZ zeigten ihm, dass hauseigener Druck eine vorzeitige Abkehr vom beliebten Sport hätte bedeuten können: „Viele Jungs bei denen man dachte, die packen es, sind am Druck von außen zerbrochen. Da haben die Eltern die Jungs außerhalb der Trainingszeiten in den Wald zu Laufeinheiten geschickt. Die haben den Spaß am Fußball verloren“.

Erfolg und Misserfolg liegen nahe beieinander

Es war also auch seinem engeren Umfeld zu verdanken, dass der talentierte Junge den Sprung in die erste Mannschaft des SVWW schaffte. Das deutete sich bereits in der U19 an, wo Joshua regelmäßig Einsatzzeit in der zweiten Mannschaft unter Thomas Brendel erhielt. Im Jahr darauf wurde er sogar zum Kapitän der Reserve erklärt – zur Erinnerung: Iten kam zu dieser Zeit gerade aus der A-Jugend. Demnach war es nicht verwunderlich, dass er parallel bei der ersten Mannschaft mittrainierte und sogar bei einem Drittligaspiel im Kader stand.

Alles schien also nach Plan zu laufen. Die Sommervorbereitung im Jahr 2014 lief für Iten gut, er war in die Profimannschaft integriert und der damalige Trainer Marc Kienle setzte auf die Jugend. Doch nach einem guten Saisonstart „kam der Einbruch. Und wie das in den letzten Jahren häufig bei Wehen Wiesbaden war, wurde der Trainer vor die Tür gesetzt“, meint Joshua. Der neue Trainer Sven Demandt heuerte an und der „Kontakt zur ersten Mannschaft endete abrupt vorm Winter“, resümiert er weiter. Dass Joshua zukünftig keine Berücksichtigung mehr bei den Profis finden würde, wurde ihm nie mitgeteilt. Der Traum vom professionellen Fußball stand am Abgrund – Erfolg und Misserfolg lagen so nah beieinander. „Es hat alles gut ausgesehen und gut gepasst. Dass es nicht geklappt hat, war ein richtiger Schlag in den Nacken“, erinnert sich Iten zurück.

Pech im Spiel, Glück in der Liebe

Für Joshua kam nur noch ein Wechsel in Frage, doch er war nicht mehr bereit, für den Fußball alles auf eine Karte zu setzen. Er stand bei Vereinen wie Eintracht Trier oder den Sportfreunden Siegen auf dem Zettel, die Aussichten auf eine professionelle Karriere waren aber zu gering. Er wechselte zum Stadtrivalen SV Wiesbaden, die zwar Aufstiegsambitionen für die Regionalliga hegten, allerdings Hessenliga spielten. Iten begann zeitgleich sein Studium für Gymnasiallehramt an der Universität Mainz – Fachrichtungen: katholische Religion und Sport. Es war „keine einfache, aber eine bewusste Entscheidung“, berichtet er. Im Nachhinein kann man sagen, dass es in seinem Falle der richtige Entschluss war. „Ich bereue nichts! Das Studium hat mir viele Möglichkeiten eröffnet, die ansonsten nicht zustande gekommen wären“. Das Kennenlernen seiner Freundin und ein gemeinsames Auslandssemester in Oslo sind die glücklichen Ergebnisse seiner reifen Entscheidung, nach seiner Zeit beim SVWW einen anderen Weg einzuschlagen. Joshua möchte davon nichts missen.

Dubiose Machenschaften, Urgesteine und ein endgültiger Entschluss

Der Aufstieg mit dem SV Wiesbaden zerschlug sich, als sich in der Winterpause 15/16 der Sponsor aus juristischen Gründen zurückzog. „Es wurde komisch, muss ich ganz ehrlich sagen“, entsinnt sich Joshua. Ein Einbruch folgte – trotz einer qualitativ hochwertigen Mannschaft mit ehemaligen SVWW-Urgesteinen wie Marko Kopilas oder Sascha Amstätter. Ein Team das eigentlich zu gut für die Hessenliga war. Erst im Jahr darauf schaffte Iten den Sprung in die Regionalliga, als ihm mit seinem neuen Verein TSV Schott Mainz ein Überraschungsaufstieg gelang. Obwohl Iten eigentlich schon mit Profifußball abgeschlossen hatte, loderten in dieser Phase ein letztes Mal Hoffnungen auf: „Ich dachte mir: Ich nehme mit, was kommt. Ich gebe mein Bestes in der Regionalliga. Vielleicht kann es nochmal eine Bühne sein. Aber gleichzeitig wusste ich auch, dass ich das Studium nicht runterfahre“. Für Joshua war es eine kräftezehrende Saison. Ein Studium und den höherklassigen Fußball unter einen Hut zu bringen war schwer. Der direkte Wiederabstieg mit Schott und der darauffolgende Wechsel zu Hassia Bingen im Jahr 2018 bedeuteten für Iten einen Wendepunkt. Für ihn stand endgültig fest: „Ich will weniger Aufwand betreiben. Zwar immer noch auf dem höchstmöglichen Niveau. Aber weniger Aufwand.“

Mangelnde Wertschätzung

Bis zum Sommer 2021 kickte Iten für Hassia Bingen. Er war Stammspieler, Leistungsträger, Kapitän. Doch nach drei Jahren verließ er den Klub vom Hessenhaus. Nur weshalb? „Das hatte keine sportlichen, sondern mehrere zwischenmenschliche Gründe“, konstatiert Joshua. Er vermisste die Wertschätzung seitens des Trainerteams, es gab Unstimmigkeiten im Verein und als er als Captain des Teams auf interne Probleme – wie mangelnde Identifikation mit dem Verein – aufmerksam machte, wurde ihm keine Beachtung geschenkt. Iten verließ den Rheinclub in Richtung des Landesligisten SG Hüffelsheim. Der gute Kontakt und die Verbindung zur Hassia seien nach wie vor vorhanden, doch es habe ihm in der aktuellen Konstellation keinen Spaß mehr gemacht – und das stehe im Vordergrund. Freude am Spiel hat er nun in einer jungen, vielversprechenden Hüffelsheimer Truppe wiedergefunden. Der Erfolg seines derzeitigen Teams und der gleichzeitige Misserfolg seines Ex-Vereins untermauern die Voraussicht Itens.

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Der Profitraum lebt weiter

Sein Studium hat Joshua mittlerweile erfolgreich abgeschlossen. Das Referendariat absolviert er in Wörrstadt. Parallel hospitiert Iten an der Elly-Heuss-Schule in Wiesbaden – einer Eliteschule des Fußballs. Für ihn sei es ein Traum an solch einer Institution irgendwann unterrichten zu dürfen – Fußballlehrer zu sein. Dieser Wunsch könnte sich sogar im doppelten Sinne erfüllen, besitzt Iten doch bereits die B-Trainer-Lizenz und sammelte schon Erfahrungen im Coachen eines C- und A-Jugend-Teams. Der Trainerjob „lässt sich einfach super vereinbaren mit dem was ich im Beruf ausübe“, findet Joshua. Er kann sich durchaus vorstellen, später in ein NLZ zurückzukehren und als Trainer unmittelbar an der regionalen Talentförderung teilzuhaben. Und man kennt die Tuchels, Nagelsmanns oder Tedescos dieser Welt – von dort aus ist der Chef-Trainerposten der ersten Mannschaft manchmal nur ein Katzensprung entfernt. Ob für ihn ein solcher Job in Frage käme, lässt sich für Joshua leicht beantworten: „Klar, da bin ich komplett offen für!“. Der Traum des Profis schlummert also nach wie vor in ihm – wenn auch etwas anders, als vor zehn Jahren. Bis es so weit ist, ist Iten aber auch mehr als glücklich mit seiner Tätigkeit als ‚normaler‘ Lehrer.

Zur Serie: In dieser Reihe porträtieren wir ehemalige NLZ-Spieler, die den Sprung zum Profi nicht gepackt haben und nun bei Amateurteams aus der Region spielen. Sie erzählen uns, wie nah dran sie wirklich am großen Traum Profifußball waren und welche Ambitionen sie jetzt haben - sowohl auf als auch neben dem Platz.

Die bisher erschienenen Texte der Serie:

- Teil 1: Linus Wimmer (SV Alemannia Waldalgesheim)
- Teil 2: Lukas Fischer (TSG Bretzenheim)
- Teil 3: Lars Hermann (TSV Schott Mainz)
- Teil 4: Nik Rosenbaum (SV Alemannia Waldalgesheim)

Aufrufe: 09.1.2022, 06:00 Uhr
Benedikt PalmAutor