2024-04-30T13:48:59.170Z

Interview
FuPa-Reporter Dieter Rebel traf sich mit Shqipran Skeraj zum Interview.
FuPa-Reporter Dieter Rebel traf sich mit Shqipran Skeraj zum Interview. – Foto: Dieter Rebel

Der Mensch hinter dem Ex-Profi und Bayernliga-Trainer

Ex-Profi Shqipran Skeraj, aktuell Trainer beim ATSV Erlangen, kann auf eine bewegte Vergangenheit zurück blicken +++ Der 35-Jährige im Interview mit FuPa-Reporter Dieter Rebel +++

Shqipran "Chipo" Skeraj ist zunächst einmal der ehemalige Profi, der frühere Regionalliga-Spieler des SC Eltersdorf, der aktuelle Trainer von Bayernligist Erlangen. Diesen Menschen aber auf seine sportliche Laufbahn zu reduzieren, würde den 35-Jährigen jedoch nicht mal im Ansatz gerecht werden. Denn der gebürtige Kosovare blickt auf eine bewegte, vom Jugoslawien-Krieg geprägte Kindheit zurück. Seine Vergangenheit ist nicht vergessen, aber verarbeitet - und führt u.a. dazu, dass der Wahl-Franke so ist, wie er ist. Reflektiert, ehrlich, glücklich, bodenständig...

Chipo, über Deine Social-Media-Kanäle verbreitest Du immer wieder Fotos aus Deiner Profivergangenheit, aus Deiner Zeit bei Koblenz und Fürth. Liegt das daran, dass Du einfach Stolz bist auf diese Phase - oder weil Du noch nicht so ganz abgeschlossen hast damit?
Ein bisschen von beidem. Ich kann durchaus Stolz sein auf meinen Werdegang, ohne arrogant klingen zu wollen. Aber mein Weg in den Profifußball war sehr steinig. Ich bin ja von meiner Heimat im Kosovo direkt hier nach Fürth gekommen und musste mich auch privat erst einmal zurecht finden. Alles in allem muss ich aber auch zugeben, dass ich noch mehr erreichen hätte können. Ich habe die schönen Seite des Profilebens gesehen, aber auch die schlechten. Und vielleicht wäre einiges anders gelaufen, hätte ich andere Entscheidungen gefällt.

Begonnen hat Deine Karriere in Deiner kosovarischen Heimat, beim FC Prishtina, von dem aus Du 2008 nach Franken gewechselt bist. Erzähl mal von damals: Warum hast Du Deine Heimat verlassen?
Da muss man etwas weiterholen. Um mir ein besseres Leben ermöglichen zu können, bin ich mit fünf Jahren zu meiner Oma nach Berlin gezogen. Meine Eltern sind vorerst noch im Kosovo geblieben und erst später nachgezogen. Bis ich 17 Jahre alt war, bin ich in Deutschland geblieben und habe in Berlin-Neukölln gewohnt und Fußball gespielt. Ich war praktisch Deutscher, konnte die Sprache perfekt, war voll integriert - wurde aber dennoch abgeschoben. Die schwierigste Phase meines Lebens.

Wie ging es weiter?
Nachdem der Krieg im Kosovo beendet war, wurden viele meiner Landsleute wieder zurückgeführt. Es hätte die Möglichkeit gegeben, mich irgendwie zu verstecken. Doch das wollten weder ich noch meine Eltern. Innerhalb von fünf Monaten musste ich also dann zurück in meine ursprüngliche Heimat. Ich wurde zwar dort geboren, aber Kosovo war für mich ein fremdes Land. Es war schon hart, als ich dort wieder war. Mein großer Anker damals war der Fußball. Beim FC Livia in der Nähe von Prizren habe ich Anschluss gefunden. Mein Ziel war es dennoch, wieder nach Deutschland zurückzukehren.


Irrungen und Wirrungen eines jungen Lebens



Durch den Fußball?
Das war zunächst gar nicht meine Intension. Klar, ich habe Fußball gespielt - und das nicht mal so schlecht. Für mich stand der Spaß am Spiel aber im Vordergrund. Und es lief immer besser. Mit 17 habe ich erste kosovarische Liga gespielt - unter sehr professionellen Bedingungen. Wir haben an sehr vielen Turnieren im Ausland teilgenommen. Der beste Verein des Landes, der FC Prishtina, wurde auf mich aufmerksam. Ich habe dort einen 4-Jahres-Vertrag unterschrieben und konnte damit meine Eltern finanziell unterstützen. Mein Verdienst waren 500 Euro - eine riesen Summe damals. Es ging wieder aufwärts.

Und wie bist Du dann ausgerechnet in Franken, bei Greuther Fürth, gelandet?
Wir haben mit Prishtina gegen den Schweizer Zweitligisten Schafhausen gespielt. Zunächst bin ich auf der Bank gesessen, was mich tierisch genervt hat. Es stand 0:1 als ich eingewechselt worden bin. Mit zwei Assists habe ich dazu beigetragen, dass wir das Spiel drehen konnten. Zufällig war bei dieser Partie ein Scout der Fürther vor Ort. Es folgte ein Probetraining und kurze Zeit später die endgültige Verpflichtung. Die Erlösung. Ich konnte zurück nach Deutschland - und das auch noch als Profi. Mehr ging nicht.

Es wirkt dennoch von außen so, als hättest Du Dein Glück erst gefunden, als Du in Erlangen gelandet bist. Erst als Spieler des SC Eltersdorf, dann als (Spieler-)Trainer des ATSV Erlangen. Ist das tatsächlich so?
Nach dem Abstieg mit Koblenz bin ich auf Vermittlung des ehemaligen kosovarischen Nationaltrainers Albert Bunjaku zu Djurgardens nach Schweden gewechselt. Besonders bitter: Diejenigen, mit denen ich den Vertrag ausgehandelt hatte, sind kurz Zeit später zurückgetreten und deren Nachfolger haben nicht unbedingt auf mich gesetzt. Umso glücklicher war ich dann, als ich nach Eltersdorf gewechselt bin und dort mit offenen Armen empfangen wurde. Erlangen war insgesamt ein Volltreffer für mich - nicht nur, weil ich hier meine Frau kennengelernt habe. Und auch meine ersten Trainererfahrungen habe ich bei den Quecken als deren B-Jugendtrainer sammeln können. Jugendleiter war damals übrigens Jörg Markert, dem ich später zum ATSV gefolgt bin.



Warum hast Du Deine aktive Spielerkarriere dann doch relativ jung beendet?
Das war kein bewusster Schritt. Zunächst war ich bei Erlangen Spieler, dann hat mich Jörg Markert zum Spielertrainer gemacht. Das war aber irgendwie nicht mein Ding. Insgesamt habe ich mich immer mehr zum Trainersein hingezogen gefühlt, weshalb ich mich dann komplett auf diese Aufgabe konzentriert habe.

Um wieder zu Deinen Social-Media-Aktivitäten zu kommen: Bilder und kleine Videos von Deiner Familie sind praktisch alltäglich. Wie wichtig ist Dir die Familie?
Familie ist für mich alles. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar. Und vor allem meine beiden Söhne sind mein ganzer Stolz. Unter anderem habe ich während meiner Eltersdorf-Zeit für meine Familie auf einen Vertrag bei Viktoria Köln, die unter Profibedingungen aktiv waren, verzichtet.

Treten Deine Stammhalter in Deine fußballerischen Fußstapfen?
Das ist ihnen selber überlassen. Zwingen tue ich sie zu gar nichts. Sie sollen sich frei entwickeln können.

Das Bewahren der Kultur Deiner alten Heimat auf der einen Seite, Deine neue Heimat auf der anderen Seite. Du sprichst ja unter anderem akzentfreies Deutsch. Bist Du ein Musterbeispiel gelungener Integration?
Ich bin sehr dankbar, in Deutschland leben zu dürfen. Hier geht es mir deutlich besser als im Kosovo. Deshalb ist es für mich selbstverständlich, mich anzupassen. Gleichzeitig muss ich aber meine Wurzeln nicht leugnen - und werde das auch nie tun.

Skeraj als junger Bursche in Diensten des NFC Rot-Weiss Berlin.
Skeraj als junger Bursche in Diensten des NFC Rot-Weiss Berlin. – Foto: Familie Skeraj


Was muss passieren, dass der latente Rassismus endlich aus unserer Gesellschaft verschwindet?
Schwieriges Thema. Auf diese Frage hat nicht mal die Politik eine Antwort. Es gibt genügend Beispiele für gelungene Integration. Es gibt aber leider auch die andere Seite. Insgesamt würde ich mir wünschen, dass einfach mehr Respekt im Umgang untereinander herrscht, egal welcher Abstammung man ist.

Wenn Du Dich entscheiden müsstest, ob Familie oder Fußball - zu welchem Ergebnis würdest Du kommen?
Familie. Auf jeden Fall.

Sowas wie Deine fußballerische Familie dürfte inzwischen der ATSV Erlangen sein. Was zeichnet aus Deiner Sicht diesen Verein aus?
Natürlich spielt mein langjähriger Wegbegleiter und Freund Jörg Markert eine große Rolle. Den ATSV aber nur auf ihn zu beschränken, wäre unfair. Der Verein, sein ganzes Umfeld ist sehr familiär. Wir sind ein großes Haufen. Obwohl wir inzwischen Bayernliga sind, hat sich der ATSV vieles von seinen früheren Zeiten in unteren Klassen bewahrt, was ihn so liebenswert macht. Gleichzeitig schafft es der Club, sich weiterzuentwickeln.

Zuletzt habt Ihr einen Mega-Umbruch bewerkstelligt. Wohin geht die Reise?
Wir wollen - ganz klar - früher oder später in die Regionalliga.

Das ist ja mal eine Ansage. Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft.

Aufrufe: 07.12.2020, 10:50 Uhr
Dieter RebelAutor