2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Wie geht es mit dem Jugendfußball weiter? Derzeit wird fieberhaft nach Lösungen gesucht. Symbolbild dpa / Robert Michael
Wie geht es mit dem Jugendfußball weiter? Derzeit wird fieberhaft nach Lösungen gesucht. Symbolbild dpa / Robert Michael

BFV-Jugendleiter spricht über die Zukunft des Spielbetriebs und mahnt zur Geduld

Florian Weißmann sucht nach detaillierten Lösungen

Florian Weißmann ist beim BFV für den Spielbetrieb im Nachwuchsbereich zuständig. Derzeit suchen er und sein Team nach Lösungen, wie es mit dem Jugendfußball weitergehen kann.

Landkreis – In seiner Haut wollen viele momentan nicht stecken: Florian Weißmann ist als Vorsitzender des Jugendausschusses im Bayerischen Fußball-Verband (BFV) für den Spielbetrieb im Nachwuchsbereich zuständig. Seit vergangenem Wochenende bildet der 40-Jährige gemeinsam mit Sandra Hofmann (BFV-Vorsitzende im Verbands-Frauen- und Mädchenausschuss), Felix Brych (Abteilungsleiter Talentförderung und Schiedsrichter) sowie Christian Fuchs (Spielbetrieb Jugend) eine Arbeitsgruppe. Diese soll in den kommenden Wochen zusammen mit einigen Vereinsvertretern und auch Spielleitern nach detaillierten Lösungen suchen, wie es mit dem Jugendfußball weitergehen kann.

Herr Weißmann, Saisonabbruch oder weiterspielen – diese Frage beschäftigt auch viele Menschen in den sozialen Netzwerken. Der Ton in den Kommentaren wird schärfer und manchmal sogar beleidigend. Wie gehen Sie damit um?

Man muss hier ganz klar zwischen konstruktiven Vorschlägen und den Einträgen differenzieren, in denen nur draufgehauen wird. Manche Leute glauben, dass man dort die feine Kinderstube ausblenden kann. Damit müssen jedoch nicht nur wir beim Verband leben, sondern die ganze Gesellschaft – schauen Sie sich aktuell an, wie es der Politik ergeht. Die Kommentare nehme ich gar nicht persönlich, frage mich nur immer mal wieder, welches Ziel sie verfolgen sollen. Genau die gleichen Menschen würden sich übrigens auch aufregen, hätten wir anders entschieden. Das legt den Schluss nahe, dass es denen, die sich regelmäßig im Ton vergreifen, gar nicht um die Sache geht. Ist es Wichtigtuerei? Denn in vielen Mails bekomme ich auch viel Lob für die Webinare über mögliche Szenarien nach der Corona-Krise und auch viele Vorschläge seitens der Vereinsvertreter – und die nehme ich jetzt in die Arbeitsgruppe mit. Wir sollten zwischen sachlicher Kritik, die ich sehr begrüße, und polemischer, ja, deftiger Rechthaberei unterscheiden.

„Wünsche und Sorgen der Vereine berücksichtigen“

Entscheiden also die Ergebnisse der Arbeitsgruppe über die weitere Vorgehensweise?

Die finale Entscheidung muss natürlich der BFV-Vorstand treffen, doch dort wird sich bestimmt niemand komplett gegen die erarbeiteten Ansätze wehren. Ziel der Arbeitsgruppe ist es ja vielmehr, die Wünsche und Sorgen der Vereine und Spielleiter aus allen Teilen Bayerns zu berücksichtigen. Deshalb setzt sich die Gruppe auch aus Personen dieser Bereiche und eben aus unterschiedlichen Teilen Bayerns zusammen.

Einen absoluten Themenschwerpunkt stellt dabei die weitere Vorgehensweise speziell mit Spielern des älteren A-Jugend-Jahrgangs dar. Denn nicht nur die Jungs, sondern auch die Vereine rechnen ab Sommer mit der Zugehörigkeit zum Herrenbereich.

Ja, richtig. Deshalb brauchen wir im Fall einer Saisonfortsetzung unbedingt eine Lösung, sonst stirbt mir die A-Jugend weg. Und vom Alter her dauert es ja auch nicht mehr lange, und die ersten aktuell noch B-Jugendlichen werden volljährig. Doch, je nach Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Spielbetriebs, ein Wechsel von der U 17 praktisch direkt zu den Herren, das kann nicht funktionieren. Da bleiben dann viel zu viele Spieler auf der Strecke, denn im Herrenbereich wird mehrheitlich nur nach den besseren Fußballern geschaut. Für mich wäre es die beste Lösung, wenn alle Spieler im Fall einer Fortsetzung dieser Saison bis zum neuen Saisonende in ihren Altersklassen verbleiben. Das Argument, die U19-Spieler würden unbedingt gebraucht werden, weil die Vereine ihre Herrenteams sonst nicht voll bekämen, fruchtet nicht. Denn dann, wenn ein Verein zwei Herrenteams hat und auf der Spielberechtigungsliste 54 Fußballer stehen, dann frage ich mich schon, wieso die Jugendkicker nun so wichtig sind. Sollen die nun den Aufstieg schaffen oder den Klassenerhalt retten?

„Ich möchte keinen Flickenteppich basteln“

Das wird wohl immer ein wenig im Auge des Betrachters liegen. Aber im Landkreis Freising kommt erschwerend hinzu, dass mittlerweile ein Großteil des U19-Spielbetriebs seitens der Vereine nur noch über Spielgemeinschaften organisiert werden kann.

Nehmen wir als Beispiel eine Spielgemeinschaft mit drei Vereinen. Von den Klubs hat jeder zwei Herrenmannschaften. Wenn nun also einer der Stammvereine seine Spieler abziehen wollen würde, wäre das vermutlich gleichbedeutend mit dem Ende der Spielgemeinschaft. Das ist ein extremer Knackpunkt – und es kommt darauf an, ob die Spielgemeinschaft von den beteiligten Vereinen gelebt oder nur als Mittel zum Zweck angesehen wird. Wenn es nur darum geht, die Spieler auf dem Weg in den Herrenbereich durchzuschleppen, wird es schwierig. Die Vereine sind gefragt: Stehen wir gemeinsam hinter der Spielgemeinschaft? Oder schauen wir nur auf uns?

Eine klare Sonderregelung durch den Verband könnte da gewiss hilfreich sein.

Als Verbands-Jugendleiter habe ich natürlich großes Interesse an der A-Jugend – und einen Flickenteppich möchte ich auch nicht basteln. Zu klären gilt, wie der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Da wird auch der Punkt mit den A-Jugendlichen behandelt.

„Fußball ist bei vielen ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor“

Es sind auch schon Stimmen laut geworden, dass Eltern ihre Kinder ohne wirksame Impfstoffe gegen das Corona-Virus nicht auf den Platz zurücklassen wollen. Wie denken Sie darüber?

Ich verstehe diese Sichtweise absolut, dass es doch „nur“ Sport, Freizeit und Hobby ist – und vielleicht werden wir durch die Corona-Zeit einige Fußballer verlieren, was ich nicht hoffe. Doch es wird ja rund um die Lockerungen nichts ins Blaue entschieden, und ich kann nur Werbung dafür machen, den Beschlüssen der Staatsregierung und Behörden zu vertrauen – auch dahingehend, wann jetzt was wieder erlaubt wird. Alleine schon über die Schulöffnungen werden die Kontaktquoten der Kinder und Jugendlichen wieder steigen. Und was machen denn die Kids zukünftig in ihrer Freizeit? Dürfen sie dann nicht mehr mit anderen Kindern spielen, auch wenn es wieder gestattet ist? Also auch kein Fußball mehr spielen? Da frage ich mich, ob das dem Kind dann hilft, denn der Fußball ist bei vielen ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor.

Doch der Ball ruht weiterhin, und frühestens vor dem 1. September wird es auch kein Pflichtspiel im Amateur- und Nachwuchsbereich geben. Wie lässt sich der Wiederbeginn ohne konkretes Datum wie einen feststehenden ersten Spieltag überhaupt planen?

Für mich stellen sich mehrere Fragen. Wann kann es wieder losgehen, und wie viel Zeit haben wir dann noch? Starten wir im September, Oktober oder womöglich erst im März 2021? Oberstes Ziel ist, ganz klar, wieder zu spielen – erstmal egal wie. Vielleicht müssen wir dann auch mal den Fokus nicht vorrangig aufs Sportliche und erreichte Tabellenstände richten. Vereinfacht ausgedrückt, im E- und F-Jugendbereich sind wir im Grunde völlig frei in unserer Entscheidung – dort gibt es keine Tabellen. Hier gilt es, Spielangebote zu schaffen, sobald es möglich ist. Klar, im aufstiegsberechtigten Spielbetrieb ist es komplizierter, daran werden wir in den nächsten Wochen arbeiten. Anhand vieler Rückmeldungen habe ich gemerkt, dass die Aussage „Fußball ist gar nicht so wichtig“ von vielen zuletzt zwar oft getroffen worden ist, aber im Austausch über alle möglichen Kanäle nicht so gemeint ist. Nein, den Menschen ist der Fußball wichtig – und mir auch. Deshalb bitte ich um Geduld und Besonnenheit, um einen vernünftigen Weg für den Jugendbereich finden zu können. Stress zu machen und Zeitdruck auf gemachte Vorschläge auszuüben, hilft niemandem und bringt uns nicht voran.

Lesen Sie auch: „Gutes Zeichen“: BLSV-Kreischef spricht über Folgen der Krise, Schulsport und 11. Mai

Aufrufe: 08.5.2020, 10:00 Uhr
Freisinger Tagblatt / Jochen JürgensAutor