2024-05-02T16:12:49.858Z

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Symbolfoto – Foto: MIS / Bernd Feil/M.i.S.

Zulasten der Jugend: Der Sport denkt von oben nach unten 

Wenn nur die Elite zählt

In seiner Kolumne „Zwischentöne“ im Münchner Merkur fordert Reinhard Hübner ein Umdenken im Sport. Sonst könnte eine Generation an Spitzensportlern verloren gehen.

Sagen wir mal so: Irgendwie hat der Sport die Corona-Krise bisher doch ganz gut gemeistert. Ein rauschendes Finale der Champions League liegt hinter uns, in drei Wochen beginnt die Bundesliga, nun startet die Tour de France (wie immer das auch gehen soll in einer Region, die vom Robert-Koch-Institut zum Risikogebiet erklärt worden ist). In New York, von Corona mit am empfindlichsten gebeutelt, treffen sich die besten Tennisprofis der Welt zu den US Open. „The show must go on“, es geht schließlich um irrsinnig viel. Vor allem um irrsinnig viel Geld.

Für Randsportarten und Fußball-Vereine geht es ums Überleben

So gesehen sind Randsportarten und die kleinen Fußball-Vereine gerade ziemlich unwichtig, weshalb sie nur zu gerne vernachlässigt werden. Schließlich geht es hier nicht um viel Geld, sondern bloß ums blanke Überleben. Gerade hat Bayern den Re-start seiner Amateurligen noch mal nach hinten verschoben, ob sie überhaupt in absehbarer Zeit wieder spielen können, möglichst auch vor Publikum, wissen das Virus und der liebe Gott (vielleicht auch Markus Söder).

Viele Dorfclubs sind seit bald einem Jahr ohne Zuschauer-Einnahmen, das wenige Geld, das durch Mitgliedsbeiträge reinkommt, fließt dann erst mal in die erste Herrenmannschaft, um sie vor dem Kahlschlag zu retten. Für Jugend und Frauen bleibt meist nichts mehr.

Sport ist für Kinder und Jugendliche wichtig

Natürlich ist das Problem marginal in Relation zu den Verlusten, die der Wirtschaft drohen, völlig zu vernachlässigen aber ist die Bedeutung auch nicht, die der Sport hat. Gerade für Kinder, für Jugendliche. Vor allem aber für die Zukunft unserer Gesellschaft. Neulich erst hat deshalb ein Vereinsvorsitzender einen flammenden Appell auch an die Politiker gerichtet, weil Jugendarbeit ja auch (und vor allem) in deren Sinn sein sollte.

Gerade Kinder aus einkommensschwachen Milieus kommen oft zum Fußball, hier könnten sie Erfolgserlebnisse sammeln, Freundschaften schließen, mit Gleichaltrigen aus allen Schichten zusammenkommen. Fußball sei eine Integrationsmaschine, die jede Menge Tugenden vermittle. Nun sollte sich die Gesellschaft ja eigentlich ernste Sorgen machen, denn, so schreibt er, wenn sich immer weniger Vereine berufen fühlen, den Nachwuchs zu fördern, werden die Jugendämter bald noch mehr zu tun bekommen.

Es wird zu sehr von oben nach unten gedacht

Corona zeigt nun ziemlich krass, was schon immer latent ein Problem war. Es wird zu sehr von oben nach unten gedacht, in der Politik genauso wie im Sport. Der reiche DFB baut zwar eine tolle Akademie für die Eliteförderung, wer aber kümmert sich um die, die nicht das Zeug für ganz oben haben? Einigermaßen qualifizierte Trainer für unterklassige Kinder- und Jugendteams waren kaum und sind jetzt, da der Kampf um die eigene Existenz vordergründig wird, noch weniger zu finden, gespart wird nun, da das Geld noch knapper geworden ist, zuerst beim Nachwuchs.

Wie viele Kinder im Quarantäne-Frühling 2020 dem wirklichen Sport verloren gegangen sind und sich dem virtuellen „Sport“ zugewandt haben, wird man erst in Jahren spüren. Die Folgen aber werden gravierend sein, für Sportvereine genauso wie für die Gesellschaft.

Möglicherweise verkümmert eine ganze Generation an Spitzensportlern

Wir aber feiern erst mal den stolzen Triple-Sieger FC Bayern, freuen uns, wenn die längst noch nicht unverdächtige Tour durch ein krisengeschütteltes Frankreich rollt und die millionenschweren Tennisstars wieder aufschlagen dürfen. Dass dahinter möglicherweise eine ganze Generation potenzieller Spitzensportler verkümmert, interessiert gerade nicht besonders.

Ist ja auch ziemlich unwichtig, jetzt, da es darum geht, die Wirtschaft und den Profisport wieder in Schwung zu bringen. Irgendwo, wenn nicht bei uns, wird schon für Nachwuchs gesorgt werden. Und wenn Thomas Müller mal nicht mehr für die Bayern kickt, gewinnen sie halt die Champions League ohne einen echten Bayern im Team. Auch egal, der Fußball ist nicht erst seit Corona total global.

Reinhard Hübner ist Autor der Kolumne „Zwischentöne“. 
Reinhard Hübner ist Autor der Kolumne „Zwischentöne“. 

Aufrufe: 029.8.2020, 10:02 Uhr
Münchner Merkur / Reinhard HübnerAutor