2024-06-14T06:55:53.576Z

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In dieser Szene konnte die Alemannia noch klären, aber am Ende war der damalige Verbandsligist chancenlos gegen Bayer Leverkusen.
In dieser Szene konnte die Alemannia noch klären, aber am Ende war der damalige Verbandsligist chancenlos gegen Bayer Leverkusen. – Foto: Boor

Als Stefan Kießling Waldalgesheim abschoss

DENKWÜRDIGE SPIELE +++ Vor sechs Jahren empfängt die Alemannia im DFB-Pokal Bayer Leverkusen +++ Torjäger entscheidet Partie im Alleingang

Waldalgesheim. Auch wenn der Ball auf den Sportplätzen in Rheinhessen aufgrund der Corona-Pandemie ruht, müsst ihr doch nicht völlig auf Spielberichte verzichten. Jeden Freitag wirft die FuPa-Redaktion einen Blick in die Geschichtsbücher und stellt besonders spektakuläre Partien aus den vergangenen Jahren vor. Heute im Blickpunkt: Das Duell zwischen Alemannia Waldalgesheim und Bayer Leverkusen im DFB-Pokal vom 15. August 2014.

Dorfverein gegen Champions League-Teilnehmer, Amateure gegen Nationalspieler, Verbandsliga gegen Bundesliga - die Geschichten rund um den DFB-Pokal sind schnell erzählt und pünktlich zum Pokalfinale an diesem Wochenende schauen wir auf eine Partie zurück, in der vor sechs Jahren der diesjährige Finalist aus Leverkusen in Rheinhessen zu Gast war.

Live bei der Auslosung dabei
Der Traum hatte für Waldalgesheim schon bei der Auslosung begonnen, denn während die Alemannia-Familie gemeinsam im Vereinsheim mitfieberte und auf den Gegner wartete, war André Weingärtner mit seinem Co-Trainer Pascal Rück nach Berlin gereist und live vor Ort. Losfee Horst Hrubesch, mit dem die beiden Waldalgesheimer noch ein Foto schossen, hatte ein glückliches Händchen für die Rheinhessen: Mit Bayer Leverkusen würde ein Champions League-Teilnehmer zu Gast sein. "Die Stimmung war natürlich verrückt, Mal so präsent im Fokus zu stehen", beschreibt Weingärtner die Freude vor Ort und zuhause im Verein. Man müsse eigentlich dabei gewesen sein, um wirklich zu verstehen, was das für den Verein bedeutete, erzählt der 42-Jährige. In der Liga war die Alemannia zuvor abgestiegen, weswegen sie nun als Verbandsligist der kleinste Verein im Topf war, aber mit dem Los sei der Fokus weg von der Liga gegangen. Erst einmal zählte das Pokalspiel, auf das sich die Mannschaft gewissenhaft vorbereitete und die Wochen vor der Partie fast täglich trainierte. Aber das Duell David gegen Goliath brachte ungewohnte Probleme mit sich: "Normales Training war teilweise nicht möglich", erinnert sich der Coach an das große Medieninteresse. In den letzten zwei Wochen vor dem Duell seien fast täglich Journalisten gekommen, um Beiträge zu drehen oder Fotos zu machen. Da habe er erstmal gemerkt, wie die Medienarbeit bei Profivereinen aussieht, sagt Weingärtner.

Ohne Ehrenamt nicht möglich
Aber nicht nur der Trainer und seine Spieler waren in der Vorbereitung gefordert, der gesamte Verein stand vor Aufgaben, die er so noch nicht gesehen hatte. Die Richtlinien des DFB mussten umgesetzt werden, ein passendes Stadion musste her und die ganze Infrastruktur organisiert werden: "Das ist nicht zu vergleichen mit einem Ligaspiel", erklärt der Waldalgesheimer Trainer. Logisch, dass der heimische Rasen an der Waldstraße die Bedingungen nicht erfüllen konnte, also organisierte die Alemannia das Bruchwegstadion und konnte dadurch am Ende vor 7500 Zuschauern antreten. Weingärtner dankt den vielen Ehrenamtlichen im Umfeld des Vereins, die den Klub auch heute noch prägen und sich im Sommer 2014 wochenlang um alles im Umfeld des großen Spiels kümmerten, um diese einmalige Kulisse zu ermöglichen.

Einmarsch der Gladiatoren: Freitagabends war es endlich so weit und das Spiel, auf das Waldalgesheim hingefiebert hatte, begann.
Einmarsch der Gladiatoren: Freitagabends war es endlich so weit und das Spiel, auf das Waldalgesheim hingefiebert hatte, begann. – Foto: Torsten Boor

Bayer-Offensive mit großen Namen
Am Sommerabend des 15. Augusts war es so weit, kurz vor 19:00 Uhr führte der Schiedsrichter die Mannschaften auf den Rasen des Bruchwegstadions, André Weingärtner und Roger Schmidt begrüßten sich an der Seitenlinie und Kapitän Marcel Fennel traf sich mit Simon Rolfes zur Platzwahl.
Bellarabi, Brandt, Calhanoglu und Kießling - die Leverkusener Offensive würde in der Saison 2014/15 noch ganz andere Teams vor große Probleme stellen, zumal sie ab jener Spielzeit mit Schmidt einen Trainer hatte, dessen Taktik mit extrem hohen Anlaufen und Pressing am gegnerischen Strafraum perfekt zu diesen Offensivkünstlern passte. Bevor es aber in der Liga rund ging, würden die Bayer-Profis zum Saisonauftakt im DFB-Pokal ihre Qualitäten beweisen. Der Ausgang des Spiels stand schnell fest: Anstoß, kein langes Geplänkel, Leverkusen startete nach gerade einmal 60 Sekunden den ersten Angriff, Calhanoglu flankte, Julian Brandt scheiterte an einem klasse Reflex von Georg Borschnek, doch Stefan Kießling zeigte seinen Torriecher und staubte ab. Die klassische Hoffnung des Underdogs möglichst lange ein 0:0 zu halten, war gescheitert.

Ergebnis soll im Rahmen bleiben
André Weingärtner gibt aber ehrlich zu, dass er realisitisch gesehen nie dachte, eine ernsthafte Chance gegen diese Mannschaft zu haben. Aber das Ergebnis war ihm wichtig, "dass es nicht zu hoch wird", wie er sagt. Danach, dass wenigstens dieser Plan gelingen würde, sah es zunächst jedoch nicht aus, denn der Leverkusener Mittelstürmer bereitete der Alemannia-Abwehr weiter Kopfzerbrechen. Castro auf Kießling, Brandt auf Kießling, Foulelfmeter Kießling. 0:4 zur Pause, doch die zweite Hälfte würde besser werden. Zwar legte Bellarabi noch einmal für den Torjäger auf, aber danach war der Leverkusener Torhunger vorerst gestillt und die Waldalgesheimer Defensive verteidigte zudem besser. Nur noch der eingewechselte Son ließ der Kießling-Show einen weiteren Treffer folgen und traf per Volley zum 6:0. Ein halbes Dutzend Gegentore war gegen diese Offensive aber keine Schande und letzten Endes würde sowieso nicht das Ergebnis, sondern das ganze Drumherum von der Auslosung bis zur Party nach Abpfiff im Kopf bleiben.

Gemeinsame Freude
Dem Ergebnis entsprechend feierten beide Teams gemeinsam mit den Fans, erinnert sich Weingärtner und beschreibt schöne Szenen nach Abpfiff. Die Leverkusener Spieler luden die Waldalgesheimer vor die Gästekurve ein, wo mit den Bayer-Anhängern die La Ola angestimmt wurde und Alemannia-Verteidiger Sascha Kraft sogar auf dem Zaun dirigierte. Auch im weiteren Saisonverlauf vergaßen die Leverkusener den Amateurverein nicht und luden zum Champions League-Spiel gegen Monaco in die BayArena ein. Gerade für die Ehrenamtlichen im Umfeld des Vereins sei das eine tolle Belohnung gewesen, zeigt sich der Waldalgesheimer Coach von der Leverkusener Freundlichkeit begeistert. Und so blieben der Alemannia von der Begegnung mehr als 90 Minuten auf dem Rasen, sondern vor allem unvergessliche Erlebnisse, die für die meisten Spieler einmalig bleiben dürften.

Alemannia Waldalgesheim: Borschnek - Klöckner, Fennel, Baumann, Pauer, Stipp - Neumann, L. Weingärtner (58. Kraft), Wischang, Mulaj (83. Erbach) - Schneider (46. Walther).

Bayer Leverkusen: Leno - Donati, Jedvaj, Spahic, Wendell (71. Boenisch) - Rolfes, Castro, Bellarabi, Calhanoglu, Brandt (62. Son) - Kießling (62. Drmic).

Zuschauer: 7524.

Schiedsrichter: Brand (Gerolzhofen).

Tore: 0:1 Kießling (2.), 0:2 Kießling (24.), 0:3 Kießling (31.), 0:4 Kießling (41./FE), 0:5 Kießling (59.), 0:6 Son (81.).

Aufrufe: 03.7.2020, 12:00 Uhr
Peter MertesAutor