2024-03-18T14:48:53.228Z

Ligabericht

Zum ersten Mal Erster an Weihnachten

Aus dem ehedem personifizierten Misserfolg ist beim SV Michelsdorf eine Erfolgsgeschichte geworden.

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Gut möglich, dass sowas auch für den Erfolg im Fußball gilt: Wenn du so lange im Verborgenen gearbeitet hast, scheust du das Scheinwerferlicht. Und so will die Fußball-Führung des SV Michelsdorf nur eines nicht: Geblendet zu werden. Schon gar nicht vom Blitzlichtgewitter. Obwohl die Augen an Helligkeit gewöhnt sind, die nagelneue Flutlichtanlage an der Ringstraße 25 inzwischen jegliche Aktivität mit dem runden Leder in gleißendes Kunstlicht taucht.

„Lieber den Ball flach halten“, flüchten Abteilungsleiter Norbert Althammer und Erfolgscoach Thomas Eisenreich wieder in den Schatten, sicher ist sicher. Obwohl Außergewöhnliches passiert ist: Zum ersten Mal in der Geschichte sind die Violetten Tabellenführer über den Winter. Sogar beim Aufstieg in die Kreisklasse war das damals nicht so, schon gar nicht vor jenem fast vergessenen Kreisliga-Jahr weiland, begünstigt durch die damalige Spielklassen-Reform. Als Platz sechs gereicht hatte. Eine Fußnote des Weltfußballs, Michelsdorf, damals so belächelt und gedemütigt als personifizierter Misserfolg. Als vor Jahrzehnten die Schicht-Arbeitszeiten der Gleisbauer fern der Heimat bestimmten, ob die „Erste“ in voller Stärke kicken konnte oder nicht. Da tritt dann Thomas Eisenreich doch wieder aus dem Schatten, weil er als MSVler der vordersten Front am ehesten weiß, dass fußballhistorisch Außergewöhnliches passiert ist: „So gesehen ist das der größte Erfolg der Vereinsgeschichte“, gibt uns der MSV-Recke recht.

„So gesehen ist das der größte Erfolg der Vereinsgeschichte.“ Thomas Eisenreich



Nur gegen die Pemflinger verloren

Ohne zuviel Raum zu lassen: „Wir müssen nicht aufsteigen, wenn wir es schaffen, dann wäre das super, aber wir nehmen es, wie es kommt“, rechnet Michelsdorfs Übungsleiter nicht nur mit einem starken Frühjahrsendspurt des Tabellenzweiten SG Silbersee, sondern hat auch die Pemflinger noch im Blick. „Schließlich haben wir gegen die bisher als einzige verloren“, lässt Eisenreich den flachen Ball nicht vom Fuß springen. Es liegt auf der Hand, warum das ehedem so erfolglose „Michalschdoaf“ ganz vorne dran steht: „Wir haben die optimale Mischung in der Mannschaft, Spieler von 19 bis 31“, erklärt uns Eisenreich, der 52-Jährige, der schon beim ASV Cham gespielt hatte, dann mal gar nicht, dann mal in der Wilden Liga. Als der Bub mit Fünf das Kicken entdeckt hatte, wurde auch der Vater wieder mitgerissen, machte alles vom langjährigen Jugendcoach bis zum Trainer der „Ersten“ heute. Wer wäre als Zeitzeuge also besser geeignet, um uns die Ursprünge zu erklären.

„Wir haben die optimale Mischung in der Mannschaft, Spieler von 19 bis 31.“ Thomas Eisenreich



Die Früchte der Jugend sind reif

Die steile Entwicklung des ehemaligen Außenseiter-Clubs am Rande der Kreisstadt Cham hat Thomas Eisenreich Stück für Stück live miterlebt. Heute sind es drei Rasenplätze, helles Flutlicht, Sporthalle und anerkannt sehr gut wirtschaftende Vereinsführung. Womit sich das größte Pfund erschließt, mit dem der MSV längst wuchern kann: Die herausragende Jugendarbeit. Nur logisch, dass davon auch der aktuelle tabellarische Erfolg der ersten Mannschaft getragen wird. „Wir ernten jetzt diese Früchte“, ist unser Informant im Laufe des Gesprächs längst ins Helle getreten. „Dazu kommt eine überragende Trainingsbeteiligung“, schwärmt der Coach vom Sommer-Trainingslager, als sich alle voll reingehauen hatten. Natürlich geht sowas nicht nur mit lauter jungen Spielern. Der Martin Drobinski hat schon höherklassig in Zandt und Miltach gespielt, Co-Trainer Philipp Scherbel kennt das aus Franken, Nima Parnian, der Iraner, war in Blaibacher Diensten der Bezirksliga schon ganz nah. Als sich Schlussmann Kevin Achatz schwerer verletzt hatte, ließ sich über gute berufliche Kontakte der Tscheche Martin Mleziva finden, um die Lücke zu schließen. Der mit 47 Lenzen noch in die Schlagzeilen geratene Oldie Peter Weiß wurde heuer noch gar nicht gebraucht. Sogar ein Götze spielt beim MSV, heißt aber Christoph mit Vornamen, kam nicht vom FC Bayern, „nur“ von WiWa.

„Wenn wir es schaffen sollten, dann würden wir die Mannschaft nicht groß verändern.“ Thomas Eisenreich

Sechs Spieler aus der Jugend bilden das Gerüst: „Wenn das Team stimmt, dann muss es Spaß machen“, lautet einer der Wahlsprüche des Trainers. Erst 13 Gegentore hat der Wintermeister zugelassen, sogar den verletzungsbedingten Ausfall offensiver Stützen wenigstens halbwegs kompensiert. Ausgerechnet Eisenreich (22) heißt auch Michelsdorfs bester Stürmer (elf Treffer). Erfolg gibt es auch in der Kreisklasse nur, wenn die Chemie stimmt. Jedenfalls hat Thomas Eisenreich sowas wie heuer in 15 Jahren als Jugendtrainer beim MSV noch nicht erlebt, schon gar nicht in den fünf Jahren als Coach der Männer, denkt nur ungern zurück an die Zeit, als der MSV zurückgestürzt war in die A-Klasse, keiner im Training war, desolat ...



Noch sind genügend Talente übrig

Das wirkt heute wie eine ferne Zeit: „Wenn wir es schaffen sollten, dann würden wir die Mannschaft nicht groß verändern“, denkt Eisenreich dabei ans Modell des Nachbarn FC Untertraubenbach, den Kooperationspartner in der Jugendarbeit. Kraftakte wie bei anderen Kreisligisten sind nicht vorgesehen. Die Jugendarbeit schafft natürlich auch Hürden. „Wir verlieren schon in der F- und D-Jugend Spieler nach Cham, beim ASV spielen ungefähr ein Dutzend Michelsdorfer“, leben alle mit den Regularien durch das Talentsieb am anderen Ende der Stadt. MSV-Talente zieht es allerdings auch in andere Himmelsrichtungen, sogar wenn sie nicht mehr in der Jugend spielen – trotzdem sind offenbar genügend übrig, um an der Spitze der Kreisklasse verfolgt werden zu können. Die A-Jugend-Spielgemeinschaft wurde aus der BOL (!) genommen mangels Kader, trotz sportlicher Qualifikation. Vielschichtig ist der Erfolg demnach auch beim SV Michelsdorf. „Dritter oder besser“, mauert Eisenreich wieder ein klein wenig, so laute heuer das Etappenziel der kontinuierlichen Verbesserung unter seiner Regie. Jenes bisher einzige Kreisliga-Jahr weiland, per Statuten nach oben gespült, gilt als ausradiert in der Erinnerung. „Wir waren vom ersten Spieltag an Letzter, damit hat die Misere der zwei Abstiege hintereinander begonnen“, das Thema ist abgehakt. Würden sie es diesmal wieder schaffen, wäre zumindest dieser Erfahrungswert fix. In der total neuen Michelsdorfer Erfahrung, als Tabellenführer Weihnachten, Silvester und wohl auch Ostern zu feiern. Jene kickenden Michelsdorfer Gleisarbeiter von damals wären stolz.

Aufrufe: 027.12.2016, 12:00 Uhr
Von Markus GüntherAutor