2024-05-08T14:46:11.570Z

Vereinsnachrichten
Nachdenklich: Martin Wunderlich glaubte zwischenzeitlich nicht mehr an das Comeback beim TuS 1896 Sachsenhausen  ©Stefan Zwahr
Nachdenklich: Martin Wunderlich glaubte zwischenzeitlich nicht mehr an das Comeback beim TuS 1896 Sachsenhausen ©Stefan Zwahr

Wegen Verletzungen ein Jahr ohne Fussball

Rico Eichstädt vom Oranienburger FC und Martin Wunderlich von TuS Sachsenhausen mussten 2016 fast komplett zuschauen

Der eine hat es im Rücken, der andere am Schambein. Rico Eichstädt (Oranienburger FC Eintracht) und Martin Wunderlich (TuS 1896 Sachsenhausen) blicken auf ein leidvolles Jahr zurück, in dem sie zum Zuschauen verdammt waren.

Während der Sachsenhausener nicht eine einzige Minute zum Einsatz kam, hat Rico Eichstädt ein Spiel bestritten. Seit jenem 27. Februar ist der Stürmer nur noch Zuschauer. Grund sind mehrere Bandscheiben-Vorfälle. Auf der rechten Seite blockiert ein Nerv die Hüfte. "Die Ärzte wissen nicht weiter", berichtet der 26-Jährige, der im Sommer 2015 vom Werderaner FC Viktoria nach Oranienburg kam. In der Hinrunde war er fester Teil der Mannschaft, erzielte vier Tore für die damals vom Abstieg bedrohten Kreisstädter.

Dann kamen die Schmerzen, die auch im privaten Alltag zur Qual wurden. "An Fussball war nicht zu denken." Eine Operation war kein Thema. Eine Spritzentherapie im Zwei-Wochen-Rhythmus sollte helfen. Eine Besserung stellte sich auch ein. Das reichte aber nicht aus, um auf den Platz zurückzukehren. "Das war gerade am Anfang schwer für mich." Eichstädt zog sich zurück, sah nur wenige Spiele seines Teams. "Das ging mir zu sehr ans Herz. Ich bin lieber Spieler als Zuschauer."

In der Hinrunde der laufenden Saison war der Offensivspieler (der auch schon für Babelsberg, Eberswalde, Ludwigsfelde und Altlüdersdorf spielte) aber bei vielen Spielen vor Ort. "Ich stehe hinter der Mannschaft, bin für jeden da. Überhaupt helfen wir uns sehr gut untereinander. Der OFC ist wie eine Familie."

Wann Rico Eichstädt für diese wieder auf dem Platz angreifen kann, vermag er noch nicht zu sagen. "Das Beste wäre, wenn ich die Vorbereitung auf die Rückrunde mitmachen kann. Das ist mein größter Wunsch." Ob der Körper mitspielt, müsse sich zeigen. Vom Arzt habe es "grünes Licht" gegeben. "Ich werde es versuchen und hoffe, dass alles wieder so wird, wie es war."

Seit gut zwei Jahrzehnten ist Eichstädt Fußballer. Von ganz großen Verletzungen blieb er bislang verschont. An einen Adduktorenanriss könne er sich erinnern, an einen Kreuzbandanriss auch. "Das waren aber Sachen, die relativ schnell vergessen waren."

Nun sind seit dem letzten Spiel zehn Monate vergangen. In dieser Zeit ist viel passiert. Der Oranienburger FC Eintracht schaffte im Frühjahr den Klassenerhalt in der Brandenburgliga und überwintert nun auf dem zweiten Platz. Überrascht den Stürmer diese Entwicklung? "Die Truppe hat schon im letzten Jahr angedeutet, dass sie Potenzial hat und mehr kann. Da haben nur die Ergebnisse nicht mitgespielt. Dadurch blieben wir etwas hinter den Erwartungen zurück." In dieser Zeit hätte die Mannschaft (die im Sommer verstärkt wurde) sehr viel gelernt. "Nun sind alle über sich hinaus gewachsen. Ich bin stolz, dass die Mannschaft so eine Hinrunde gespielt hat."

Ortsnachbar Sachsenhausen folgt im aktuellen Klassement mit einem Spiel Vorsprung und zwei Punkten Rückstand auf Rang sechs. Martin Wunderlich verfolgte das Geschehen beim TuS 1896 nur vom Rande aus. Anfang des Jahres hatte er sich während der Vorbereitung in medizinische Hände begeben. "Ich hatte in den Wochen davor gemerkt, dass etwas nicht stimmt." Die Diagnose: Schambeinentzündung.

"Das klang nicht so schlimm. Ich habe gedacht, das Thema ist schnell erledigt. Ich war ja nicht verletzt. Dass mich das ein Jahr beschäftigen würde, hätte ich nicht erwarten." Der 32-Jährige verstand aber schnell, dass sein Leiden schwer zu behandeln ist. "Nervig ist, dass dir kein Arzt der Welt sagen kann, wie lange es dauert. Das ist nicht wie bei einem Kreuzbandriss."

Über Monate konnte der TuS-Akteur keinen Sport machen. Wunderlich, der sein Leben lang von schweren Verletzungen verschont blieb. "Ich hatte vorher nur leichte Sachen. Mit 24 hatte ich einen zweifachen Bänderriss. Nie hatte ich was Ernsthaftes, und dann kommt so was beschissenes."

Der Fußballer musste fortan an drei Tagen pro Woche zur Reha in ein Spandauer Fitnessstudio. "Ich konnte mich bewegen. Aber Belastungsschmerzen gab es schon. Das ist so, als wenn dir bei jeder Bewegung jemand mit einem Blatt Papier die Bauchdecke aufschneidet. Bei schnellem Gehen hat es weh getan, bei der Arbeit oft auch." Wunderlich ist Erzieher im Kindergarten - und berichtet, dass die Übungen mit dem Physiotherapeuten schweinisch weh getan hätten.

Inzwischen gehe es ihm gut. "Seit vier Monaten habe ich keine Schmerzen mehr." Auch erste Versuche auf dem Trainingsplatz hat es schon gegeben. "Bisher hat alles gehalten. Mal sehen, wie es in der Vorbereitung auf die Rückrunde ist." Vieles sei jetzt auch eher ein mentales Problem. "Es klingen bei jedem Ziehen im Körper die Alarmglocken, weil man nicht deuten kann, ob es weh tut oder Muskelkater ist."

Monatelang gingen Martin Wunderlich verschiedenste Gedanken durch den Kopf. "Nach sechs oder sieben Monaten hatte ich ein echtes Formtief. Ich konnte machen, was ich wollte, es passiert nichts. Man kommt nicht voran. Das war eine schwere Zeit. Ich wollte und konnte nicht mehr." Zwischenzeitlich habe der Glaube an das Comeback gefehlt. "Ohne langfristige Pläne und die Hilfe der Physiotherapeuten hätte ich mich sicher hängen lassen und aufgegeben. Das nagt an einem."

Ein Leben ohne Fussball konnte sich der Berliner nie vorstellen. "Ich spiele mein ganzes Leben. Du gewöhnst dich daran, an vielen Abenden zu trainieren. Und die Wochenenden sind verplant." Während seiner Zwangspause stellte er jedoch fest, "dass man es schätzen lernt, wenn man nur arbeiten geht und am Wochenende etwas anderes machen kann. Da ändern sich die Prioritäten."

An seiner Mannschaft war Wunderlich aber jederzeit nah dran. "Im Regelfall bin ich mitgefahren." Aber auch die Motivation habe irgendwann nachgelassen. Nicht erst an diesem Punkt war Oliver Richter gefragt. "Als Trainer musst du mit Spielern, die lange verletzt sind, viel sprechen. Wichtig ist es auch, sie in mannschaftsinterne Maßnahmen mit einzubeziehen."

Wunderlich bekam die Kurve und blickte wieder nach vorn. Half dabei die Tatsache, dass sich Nationalspieler Marco Reus auch monatelang mit dieser Verletzung herumschlagen musste? "Nein, eigentlich nicht. Damit habe ich mich nicht beschäftigt. Ich habe gesehen, dass Reus irgendwann wieder konnte und die Sache nicht chronisch ist. Mein Leben lang keinen Sport mehr machen zu können, wäre einschneidend gewesen."

In der Rückrunde will Martin Wunderlich wieder angreifen. "Die Hallensaison kommt zu früh. Die lasse ich mit Absicht raus."

Aufrufe: 028.12.2016, 11:27 Uhr
MOZ.de / Stefan ZwahrAutor