2024-05-02T16:12:49.858Z

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von links: Thorsten Möllmann, Jörg Vollack, Stefan Wiedon und Dirk Schneider. Foto:
von links: Thorsten Möllmann, Jörg Vollack, Stefan Wiedon und Dirk Schneider. Foto:

Vorsicht: Sie könnten schlechte Laune haben!

Das große Interview: Der Trainergipfel der FuPa-Nachspielzeit

Jeden Sonntag stehen sie an der Seitenlinie und ringen verzweifelt die Hände, wenn ihre Spieler neben das Tor schießen. Wir haben zum großen Trainergipfel geladen. Thorsten Möllmann, Jörg Vollack, Stefan Wiedon und Dirk Schneider diskutierten über Spielsysteme, alkoholisierte Schützlinge und den Einfluss von Sponsoren.

Klären wir erstmal, was Sie für ein Trainertyp sind. Stehen oder sitzen Sie an der Seitenlinie?

Wiedon: Also, ich sitze.

Vollack: Ich stehe.

Schneider: Ich auch.

Möllmann: Ich renne.

Warum sind Sie Trainer geworden?

Wiedon: Meine Spielerkarriere endete durch einen Kreuzbandriss. Ich hatte schon vorher das Gefühl gehabt, dass ich als Trainer eine bessere Zukunft haben könnte. Bereits zu meiner Zeit als Torwart in der 1. Mannschaft des VfL Benrath habe ich Jugendmannschaften trainiert.

Vollack: Ich bin wie die Jungfrau zum Kinde gekommen, auch nach einem Kreuzbandriss. Man hat mir damals angeboten, die B-Jugend zu übernehmen. Und so bin ich dann in das Geschäft reingerutscht.

Möllmann: Jugendtrainer war ich schon mit 19, Spielertrainer mit 28. Da wurde der Trainer bei Fortuna Alstaden entlassen und dann kam der Vorsitzende und sagte: Du machst das jetzt mal hier! Die Mannschaft hatte zu dem Zeitpunkt sechs Tore geschossen, 65 reingekriegt, keinen Punkt – und am Ende sind wir Siebter geworden. Es ging soweit, dass ich irgendwann die B-Jugend, A-Jugend und 1. Mannschaft gleichzeitig trainiert habe.

Schneider: Ich wollte eigentlich schon immer Trainer werden, dann hatte ich mit 31 einen Knorpelschaden. Und da hat mich der VfR Büttgen gefragt, ob ich die A-Jugend übernehmen möchte. Wir sind dann im ersten Jahr sofort Meister geworden und so bin ich an dem Job hängenblieben.

Herr Möllmann, Sie sind also der einzige Trainer hier, der nicht durch eine schwere Verletzung zu seinem Job kam.

Möllmann: Ich war als Spieler einfach zu langsam, um verletzt zu werden.

Wer von Ihnen hat eine ordentliche Trainerausbildung?

Wiedon: Ich habe an der Sporthochschule in Köln studiert. Wenn man den Schwerpunkt Fußball mit einer 2 abgeschlossen hat, bekam man damals automatisch die Trainer B-Lizenz. Ich musste dann nachher nur noch die A-Lizenz machen.

Schneider: Der Klassiker, um in unseren Breitengraden arbeiten zu können, ist die
B-Lizenz. Für den Lehrgang in der Sportschule Wedau musste ich mir damals dreieinhalb
Wochen Urlaub für nehmen. Eine Menge Holz.

Was gehört heutzutage alles dazu zum Job?

Schneider: Bei mir in der Bezirksliga ist es so, dass du auch Vaterersatz, Kumpel und Entertainer sein musst. Ich kann jedem Trainer nur empfehlen, unten anzufangen, um all diese Facetten kennenzulernen. Oben, wo alle sowieso ihr Geld bekommen, kann man leicht sagen: Du spielst heute nicht. Ganz unten muss man eher mal Brücken bauen.

Vollack: Ich bewundere die Trainer, die in der Kreisliga arbeiten. Dort ist unser Job deutlich schwieriger. Da hast du vielleicht drei Typen, die Fußball spielen können, aber sich nicht benehmen. Wenn du die Spieler mal raus lässt, kommt garantiert einer vom Vorstand und fragt dich, warum. Dann erklärst du ihm, dass die Typen zweimal nicht beim Training waren. Und dann sagt er: Ist doch egal, sind doch trotzdem besser als alle anderen.

Was ist denn sonst noch anders bei Ihnen in der Oberliga?

Vollack: Je höher man kommt, umso kälter ist das Geschäft. Dafür ist es einfacher, was die Disziplin der Spieler angeht.

Herr Möllmann, Sie haben mal gesagt: „Fußball fängt erst ab der Landesliga an.“

Möllmann: In der vergangenen Saison hat sich meine Meinung geändert. Die ersten sechs in der Bezirksliga waren auch gute Mannschaften. Und da war genauso Geld dahinter. Nach der Ligareform wird die Landesliga vermutlich sogar ein Niveau haben wie die frühere Verbands- oder Oberliga.

Wiedon: Die Vereine hatten den Wunsch, das Ganze etwas zu straffen. Irgendwann muss man dann halt von Verbandsseite eingreifen. Der Übergang war sicherlich schwierig. Ich hatte mit dem DSC 99 im vergangenen Jahr den obskuren Fall, dass wir Siebter geworden sind. Wenn wir aber das letzte Spiel verloren hätten, wären wir abgestiegen. 14 Mannschaften und fünf Absteiger – das war schon brutal.

Herr Schneider, wollen Sie mit Ihrem etwas kleineren Klub überhaupt in die Landesliga?

Schneider: Warum nicht? Das könnten wir noch gerade stemmen. Oberliga wäre etwas anderes.

Vollack: Im letzten Jahr hat Nievenheim in der Oberliga gespielt und über 100 Gegentore bekommen.

Schneider: Es kommt halt auch drauf an, warum man aufgestiegen ist. Ist man spielerisch überlegen aufgetreten oder über die mannschaftliche Geschlossenheit gekommen und unterschätzt worden? Wenn man dann in der Oberliga spielt und Neusser Kirmes ist, dann kriegt man in Bocholt auch mal acht Stück. Nach 15 Minuten kann man normal nicht 0:3 zurückliegen ...

Vollack: Die waren alle noch auf dem Karussell. Wiedon: Das war der dritte oder vierte Spieltag. Neusser Schützenfest ist immer nach den Sommerferien. Das ist für die Spieler wie Weihnachten und Ostern an einem Tag.

Schneider: Man muss nicht nur fußballerisch das Niveau haben für die Oberliga, sondern auch geistig und körperlich.

Halten wir fest: Als Amateurtrainer sollte man also wissen, welche Volksfeste in der Umgebung gefeiert werden?

Schneider: Selbstverständlich. Ich weiß nicht, wie das in Hiesfeld läuft, aber in Kaarst, Neuss und Nievenheim ist das so. Das hängt natürlich auch wieder von der Spielklasse ab. Je höher du spielst, von umso weiter her kommen die Spieler.

Herr Möllmann, ist in Oberhausen auch einmal im Jahr große Kirmes?

Möllmann: Bei uns ist jedes Wochenende Kirmes ... Wenn die Spieler sich nicht an die Regeln halten, muss man das ändern. Wer zu uns wechselt, weiß genau, wie meine Einstellung ist. Ich kann die Spieler aber nicht fesseln, wenn sie kein Geld bekommen. Wenn sie für deinen Klub kicken, weil sie dort groß geworden sind, kann ich nicht sagen: Du gehst am Wochenende nicht aus.

Wiedon: Wenn in den unteren Kreisligen acht von 16 mit 2,0 Promille ankommen, kannst du die schlecht rausschmeißen. Sonst spielst du mit acht Mann.

Vollack: Ich lasse bei mir in der Oberliga niemanden mit zwei Promille spielen, zumindest wenn ich es weiß.

Schneider: Bei meiner Mannschaft kommt das nicht vor. Wenn es doch mal vorkommt, muss der Trainer entscheiden, ob er die Faust in der Tasche ballt oder den Spieler, der das Spiel für ihn entscheiden kann, trotzdem aufstellt.

Ihre Entscheidung?

Möllmann: Wenn die Spieler saufen, müssen sie raus.

Vollack: Wenn ich es weiß, immer. Bei mir sind auch schon mal zwei Spieler zu spät zum Training gekommen, in einem Abstand von fünf Minuten. Da war mir auch klar, dass die zusammen um die Häuser gezogen sind.

Möllmann: Ich glaube aber schon, dass die Spieler spüren, wie weit sie gehen dürfen. Wenn der Spieler aus dem Verein kommt und der Mannschaft sonst weiterhilft, wird man ihn schützen. Da wird der Spielerrat auch dreimal sagen: Komm, wir geben ihm nochmal eine Chance.

Sie sind also auch Sozialarbeiter und oberster Richter. Wie viel Zeit müssen Sie eigentlich für Ihren Nebenjob aufbringen?

Möllmann: Ich habe auch noch sechs Kinder. Man kann schon sagen: Mein Leben besteht nur aus Fußball und Familie.

Vollack: Du brauchst vor allem eine Frau, die das mitmacht. Und dann musst du schauen, dass du den passenden Beruf hast. Ich arbeite für die Stadtwerke Düsseldorf im Servicebereich mit flexiblen Zeiten. Müsste ich bis 18 Uhr arbeiten, würde ich es nicht zum Training um halb sieben in Hiesfeld schaffen. Wie viel Zeit es insgesamt erfordert, hängt davon ab, wie engagiert man ist. Heute könnte ich mit meiner Frau auch ein schönes Glas Wein trinken auf der Terrasse. Wir haben eine zur Sonnenseite.

Was kostet die meiste Zeit?

Vollack: Sonntags muss man das Spiel nachbereiten, um den Jungs beim nächsten Training etwas sagen zu können. Man muss für die Woche zweimal Trainingspläne aufstellen. Und Freitags ruft die Presse an – Vorberichterstattung. Das ist schon eine Menge Zeit, die für den Trainerjob drauf geht, wenn du kein Trainer bist, der dienstags einfach den Ball in die Luft schießt. Das wird aber auf Dauer die Mannschaft nicht weiterbringen. Und dann hast du bald wieder ganz viel Zeit für die Familie.

Schneider: Das, was du mit nach Hause ins Bett nimmst, muss man auch mitrechnen. Wenn du mit dem Auto nach Hause fährst, denkst du ja auch noch die ganze Zeit drüber nach. Und wenn dann ein wichtiger Spieler gerade Schluss mit der Freundin hat, musst du auch darauf reagieren und ein nettes Wort übrig haben. Du kriegst ja alles mit, das ist schon gewissermaßen ein Full-Time-Job.

Wie oft hat Ihnen der Sponsor in die Mannschaftsaufstellung reingeredet?

Vollack: Einmal in Viersen der Präsident. Er wollte es zumindest... Ich sollte einen Spieler, der zufällig der Sohn von einem Sponsor war, aufstellen. Da habe ich ihn 45 Minuten warmlaufen lassen und habe dann einen Spieler aus der 2. Mannschaft eingewechselt. Das war es dann für mich bei dem Klub. Da habe ich montags erwartungsgemäß einen Anruf bekommen.

Wiedon: Ich hatte das mal in Baumberg mit dem Sohn des Präsidenten, der Stürmer war. Wir waren Zweiter, ich habe einen Stürmer aus der zweiten Mannschaft hochgezogen, der auch noch zwei Tore machte. Wir gewannen 4:1, ich bin aber trotzdem gefeuert worden.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Wiedon: Das habe ich schnell abgehakt, so ist das Geschäft. Und die mussten mich noch ein paar Monate bezahlen.

Suchen Sie sich die Spieler passend zu Ihrer Lieblingsformation aus?

Wiedon: Er (zeigt auf Vollack) ist der Verein mit dem meisten Geld.

Vollack: Das muss ich mir jede Woche anhören ... Beim Thema Taktik faseln viel zu viel Leute mit, die zu wenig Ahnung haben. Nach dem Spiel erzählen manche Trainer, dass sie viermal die Taktik umgestellt hätten, nur weil der Zehner mal neben den Stürmer gerückt ist. Grundsätzlich gilt: Bin ich bei einem Klub, der die Spieler holen kann, die ich will? Oder habe ich einen festen Kader? In Hiesfeld habe ich im Mai zugesagt, da war alles schon gelaufen.

Wenn Sie es sich aussuchen könnten?

Vollack: Ich würde am liebsten im 4-4-2 spielen. Der Spielaufbau ist mit einer Viererkette von hinten heraus sehr flexibel zu gestalten. Und eine zweite Anspielmöglichkeit vorne, ist auch immer gut.

Wiedon: Ich bin ganz persönlich auch eher fürs 4-4-2, es geht aber am Ende nicht um das System, sondern um Abstände und Laufwege. Die Spieler hatten beim DSC 99 vorher zurückgemeldet, dass es ihnen trainingstechnisch zu wenig ist. Sie wollten ein anderes Training, auf den Sonntag vorbereitet werden. Allerdings war das jetzt auch eine Mannschaft mit relativ vielen Studenten.

Haben Sie auch schon mal den anderen Fall erlebt?

Wiedon: In Benrath sollen die Spieler zum Trainer gesagt haben: Komm, geh weg mit deinen zehn Hütchen. Sein Nachfolger war jetzt nicht der Taktikpapst, hat aber 25 Punkte in der Rückrunde geholt. Du musst auch immer schauen, welche Mannschaft zu welchem Trainer passt. Beim DSC 99 hätte das eher nicht gepasst.

Schneider: Du musst auch schauen, was für Charakter du in der Mannschaft hast. Es wird auch immer Teams geben, die damit glücklich sind, wenn man mal 5 gegen 2 spielt oder einfach ein bisschen Verschieben übt. Man muss heutzutage als Trainer auch darauf eingehen, was die Spieler wollen.

Denken Sie manchmal: Die Bundesliga-Trainer kochen auch nur mit Wasser?

Möllmann: Ich hätte jedenfalls keine Angst davor, oben zu trainieren. Was ich jetzt bei Blau-Weiß mache: Ich leite das Training nicht mehr, ich beobachte nur noch. Die Spieler bekommen von mir gesagt, was sie machen sollen, ob mit Ball oder ohne. Ich habe einen Co- Trainer, einen Torwarttrainer und einen, der mit den Jungs laufen geht. Das Wichtigste ist: Vor dem Spiel und in der Halbzeitpause müssen die Haarspitzen oben sein. Sie müssen zum richtigen Zeitpunkt hochmotiviert sein.

Herr Schneider, lesen Sie die Bundesliga- Spielanalysen auf spielverlagerung.de?

Schneider: Ich kriege das „Fußballtrainer“- Magazin zugeschickt, da schaue ich schon mal rein. Der Profibereich lässt sich nicht mit uns vergleichen. Als Amateurtrainer kann man noch mehr auf die Jungs einwirken, weil man ein normales Verhältnis zu ihnen hat. Profis sind eher wie Schachfiguren.

Wie bildet sich der gewöhnliche Trainer zwischen Kreis- und Landesliga fort?

Wiedon: Als Trainer muss man alle drei Jahre für zwei Tage nach Wedau, um alles aufzufrischen. Es werden auch Kurz-Schulungen angeboten, zum Beispiel zur Einführung der Viererkette. Der Torwartbereich wird besonders nachgefragt.

Wann verzweifeln Sie an Ihrem Job?

Schneider: Ich habe selbst immer nur Oberliga, Verbandsliga, Landesliga gespielt. Deshalb habe ich schon manchmal Schwierigkeiten mit der lockeren Einstellung, die ein paar Spielklassen drunter herrscht.

Vollack: Es wird einem schnell als Arroganz ausgelegt, aber: Dort, wo die Jungs nur ihrem Hobby nachgehen, wäre ich als Trainer falsch. Ich würde von denen Sachen erwarten, die die gar nicht liefern können und wollen.

Schneider: Ich muss schon ab und zu eine Faust in der Tasche machen. Wenn ich sehe, dass die Einstellung stimmt, verzeihe ich den Spielern aber ein paar andere Sachen.

Kann man Spieler davon überzeugen, dass sie den Fußball ernster nehmen als bisher?

Möllmann: Das hängt zuerst mal an anderen Dingen, die der Trainer nicht beeinflussen kann – beruflich und privat.

Sie sind gerade in die Landesliga aufgestiegen. Was hat sich denn bei Ihnen verändert?

Möllmann: Erstmal nur die Liga... Wir haben keine großen Verstärkungen bekommen. Und die Gegner werden stärker. Wir werden öfter mal einen auf die Hörner kriegen. Ansonsten muss man einfach etwas kreativ sein. Ich habe im vergangenen Jahr zwei Stürmer zu Verteidigern gemacht. In der Rückrunde haben wir dann nur 14 Gegentore kassiert.

Beschreiben Sie mal, wie das Leben in der Bezirksliga in Duisburg ist.

Möllmann: Wenn man bei Rheinland Hamborn spielt, stehen da 40 Rocker von den Hells Angels an der Seite. Als wir 3:0 führten, musste ich den Spielführer, der zufällig auch noch mein Schwiegersohn ist, auswechseln und nach Hause schicken. Um ihn zu schützen, weil ihm Schläge angedroht worden waren. Wenn wir da einen Schiedsrichter ohne Rückgrat gehabt hätten, hätten wir vier Elfmeter gegen uns bekommen – vor lauter Angst. Wir sind die einzige Mannschaft, die in den letzten vier Jahren dort gewonnen hat.

Wie oft wird denn eigentlich in Ihrer Spielklasse trainiert?

Möllmann: Ich trainiere jetzt viermal pro Woche, einmal mehr als in der vergangenen Saison. Als Trainer erwarte ich dann, dass jeder Spieler dreimal teilnimmt. Wenn man eine gute Kameradschaft hat, funktioniert der Trainingsbetrieb mit einem Kader von 22 bis 24 Spielern so recht gut.

Wie viel Anteil kann ein Trainer am Erfolg einer Mannschaft haben?

Vollack: Bei Erfolg hast du keinen Anteil, geht’s schief, bist du ganz weit vorne.

Möllmann: Wenn du aufsteigst, war es die Mannschaft und der Vorstand.

Vollack: Im Ernst: Es ist ein Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Trainer, ein Geben und Nehmen. Die Art und Weise, wie man eine Mannschaft trainiert, hat sich grundlegend geändert. Als ich 18 Jahre alt war, sind wir in Grafenberg öfter die Pferderennbahn lang gerannt als die Pferde. Wenn du nicht dreimal in der Woche gekotzt hast, hattest du angeblich zu wenig getan. Würde man heute so ein Training anbieten, würden mich die Spieler mit „Sepp Herberger“ ansprechen.

Wiedon: Ich musste unserem neuen Trainer beim DSC 99, Sebastian Saufhaus, den Grafenberger Wald überhaupt erstmal zeigen. Der kannte den noch gar nicht. Ich habe ihn über die sieben Hügel und den Ölberg geschickt. Natürlich nicht, damit er die Jungs jetzt täglich da hoch scheucht.

Vollack: Trainer und Mannschaft müssen eine Einheit bilden – das ist das Wichtigste.

Woran merkt man es als Trainer, dass der Verein von einem abrückt?

Vollack: Wir haben alles selbst gespielt und oft genug miterlebt, wie es zu Ende geht, auch dass da öfter mal Spieler dran mitwirken. Wenn man so lange in dem Stall drin steht, weiß man auch, wie es riecht.

Wiedon: Du bist als Trainer genauso stark, wie dich der Vorstand macht. Wenn Spieler merken, dass sie dort Einfluss haben, geht es dann auch schon mal schneller zu Ende. Der Trainer muss zur Mannschaft passen. Und seine Position muss vom Vorstand gestärkt werden. Wenn der Trainer eine solche Grundlage hat, kann er da auch viel draus machen. Ich war zehn Jahre Trainer beim BV 04 – das ist ja eine halbe Ewigkeit.

Wie lange dauert es, bis sich der Trainer abnutzt?

Wiedon: Ich hätte niemals zehn Jahre lang dieselben Spieler trainieren können. Die wissen irgendwann, mit welchem Bein man am Freitag zuerst in die Kabine kommt. Ich habe mich irgendwann von Spielern getrennt, mit denen ich zuvor aufgestiegen war. Ich habe denen gesagt: Entweder gehe ich – oder Ihr müsst gehen.

Schneider: Ich gehe gerade auch ins zehnte Jahr und von der ersten Mannschaft ist keiner mehr da. Wenn es kein frisches Blut gibt, kannst du das nach drei, vier Jahren vergessen.

Möllmann: Wichtig ist auch, dass der Vorstand bleibt oder der neue genauso zuverlässig ist.

Vollack: Zehn Jahre finde ich schon enorm, hätte ich nie geschafft.

Schneider: Innerhalb der zehn Jahre muss man sich als Trainer auch immer wieder neu erfinden. Was ich damals im Training gemacht habe, mache ich heute überhaupt nicht mehr. Für zehn Jahre muss man schon ein bestimmter Typ sein.

Möllmann: Ich war fünf Jahre bei Fortuna Alstaden, fünf Jahre beim Turnerbund Oberhausen, beim SC 20 fünf Jahre – und jetzt bin ich seit zwei Jahren bei Blau-Weiß. Nach fünf Jahren wollte ich einfach immer mal etwas Neues sehen. Da kannst du die Mannschaft verändern, wie du willst.

Wiedon: Bei mir kam der Erfolg bei BV 04 nach den ersten fünf Jahren. Ich bin im sechsten Jahr aufgestiegen und war dann vier Jahre in der Landesliga.

Was war denn Ihre längste Amtszeit, Herr Vollack?

Vollack: Zweieinhalb Jahre. Ich gehe jetzt bei Jahn Hiesfeld ins dritte Jahr, bin damit dort schon Rekordtrainer.

Warum wechselt man aus eigenem Antrieb den Klub, Herr Möllmann?

Möllmann: Ich habe die Vereine gewechselt, um weiter nach oben zu kommen – man hat ja als Trainer auch persönliche Ziele. Ich will als Trainer so weit nach oben, wie es geht. Es ist aber schwierig. Von hundert Trainern kriegt vielleicht einer die Chance.

Vollack: Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Ich bin im Dezember 2012 in Baumberg rausgeflogen und habe zu meiner Frau gesagt: Das tut auch mal gut, ein halbes Jahr nichts zu machen. Dann kam gegen Saisonende der Anruf aus Hiesfeld. Wäre ich bei Baumberg später ausgeschieden, wäre der Posten wahrscheinlich schon besetzt gewesen.

Ist die Regionalliga ein persönliches Ziel für Sie?

Vollack: Nein, dann müsste ich noch mal eine neue Trainerlizenz machen. Wenn mich überhaupt jemand haben wollte, gäbe es nur wenige, die das nicht unter Vollprofibedingungen machen. Ich müsste mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn ich nach dreißig Jahren bei meinem Arbeitgeber kündige. Und stattdessen so einen Trainerjob übernehme. Nachher kriege ich dort 6000 Euro Brutto und fliege nach drei Monaten raus. Wenn ich dann wieder bei meiner Firma ankäme, würden die mir einen Vogel zeigen.

Wiedon: Natürlich setzt man für dieses schnelllebige Geschäft keine Lebensstellung aufs Spiel. In der Politik ist das übrigens genauso. Ich saß mal im NRW-Landtag und nach zwei Jahren gab’s Neuwahlen, und ich war wieder draußen.

Möllmann: Ich könnte mir durchaus vorstellen, für den Trainerjob meinen Beruf runterzuschrauben. Nur: Wenn man finanziell nicht abgesichert ist, macht das natürlich keinen Sinn.

Herr Schneider, kriegen Sie überhaupt noch Angebote oder denkt man, Sie seien verheiratet mit dem Klub?

Schneider: Stimmt, lange keins mehr bekommen... Ich weiß nicht, ob das damit zusammenhängt. Es kommen schon mal Spieler, die vom jeweiligen Vorstand instruiert sind. Keine Ahnung, was passiert, wenn ich irgendwann mal via FuPa verkünde: Ich höre auf. Ob dann fünf Angebote kommen?

Sie sind ja jetzt schon alte Hasen. Was raten Sie Kollegen, die gerade erst anfangen?

Möllmann: Als junger Trainer sollte man alle Lehrgänge mitmachen. Und man sollte direkt hoch genug einsteigen, auch wenn man die meiste Erfahrung bekommt, wenn man langsam in der Kreisliga, Bezirksliga und Landesliga aufsteigt. Das Problem ist: Dann hat man halt auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Oben sind die Spieler cleverer und schneller. Begnadete Techniker gibt’s auch in der Kreisliga, aber die haben keinen Bock auf mehr.

Vollack: Jeder spielt in der Liga, wo er hingehört.

Gibt’s denn eigentlich noch den klassischen Bierbauch-Stürmer, der sich kaum bewegt, aber 30 Buden pro Saison macht?

Möllmann: Wir haben einen. Peter Müller – der Schrecken der Landesliga.

Schneider: Sie sind weniger geworden, aber es gibt sie tatsächlich noch. Der VfL Jüchen- Garzweiler ist mit Torben Schmidt sogar aufgestiegen. Die Bilanz spricht für ihn.

Vollack: Das ist aber Spielklassen-beschränkt. In der Oberliga wird es mit einem Bauch schon schwierig.

Wiedon: Und mit elf Bäuchen kannst du nicht spielen. Beim SC Velbert gab’s den Andre Adomat. Als ich den bei einer Spielbeobachtung gesehen habe, wie er sich warmmachte, dachte ich zuerst, das ist der Ersatztorwart. Der hat in der Viererkette aber eigentlich immer gespielt und die Mannschaft von hinten dirigiert. Es gibt immer solche Ausnahmen.

Ist Fitness im Amateurfußball also wichtiger geworden oder nicht?

Schneider: Wenn du etwas reißen willst und das Spiel laufintensiver gestalten, gehört das dazu. Früher bist du dann achtmal um die 400-Meter-Bahn gelaufen. Wenn du das heute machst, gucken die Spieler komisch und beim zweiten Mal verdrehen sie die Augen. Die Spieler wollen heute alles mit dem Ball machen, und das ist auch absolut richtig.

Herr Vollack, kann man sich bei Ihnen in der Oberliga mit Fitness einen Vorteil verschaffen?

Vollack: Der KFC Uerdingen trainiert sechsmal in der Woche. Wenn du dann im April gegen die spielst, macht sich das natürlich bemerkbar.

Wiedon: Ein Problem ist es eher, wenn in der Vorbereitung in der Kreisliga plötzlich sechsmal in der Woche trainiert wird. Die wundern sich dann, dass zum ersten Spiel nur noch acht Spieler bereit stehen, weil ihr körperlicher Zustand einfach nicht dafür gemacht ist.

Aufrufe: 018.11.2015, 08:03 Uhr
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