2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview der Woche

Von der Regionalliga zu Ronaldo

Aleksandre Karapetian spielte einst in Wiesbaden und Gonsenheim und feierte vor kurzem sein Debüt in der armenischen Nationalmannschaft +++ EM-Qualifikationsspiel gegen Portugal am Freitag +++ Seite an Seite mit Henrikh Mkhitaryan +++ "Wiesbaden bleibt meine Stadt"

LUXEMBURG/EREWAN/WIESBADEN/FARO. Aleksandre Karapetian (26) kann auf eine bisher bewegte Karriere zurückblicken. Die begann einst in Wiesbaden und erfährt am kommenden Freitag beim Länderspiel zwischen Portugal und Armenien vorerst ihre Krönung. Denn der in Tiflis (Georgien) geborene Stürmer, der momentan nach zahlreichen Regionalliga-Stationen in Deutschland beim luxemburgischen Erstligisten F91 Dudelange unter Vertrag steht, feierte vor kurzem sein Debüt in der armenischen Nationalmannschaft. Und kann nun auf Einsatzzeiten im EM-Qualifikationsspiel gegen den Superstar von Real Madrid hoffen. Im Gespräch mit FuPa äußert er sich über das kommende Spiel, seine bewegte Karriere, seinen Bezug zur Heimatstadt Wiesbaden – und eine brisante Terminkollision.

FuPa: Hallo Aleksandre, du stehst jetzt vor dem dritten Spiel deiner Länderspielkarriere, nachdem du am 11.Oktober gegen Serbien dein Debüt gegeben hast. Wie fühlt es sich so an als Nationalspieler?

Karapetian: Dieses Gefühl kann man nicht mit Worten beschreiben. Ich habe ehrlich gesagt wenig damit gerechnet, noch eine Chance zu bekommen, zumal ich ja schon 26 Jahre alt bin. Von heute auf morgen saß ich dann im Flieger und habe dann in den Spielen gegen Serbien und Frankreich sogar Einsatzzeiten bekommen – da warten manche Spieler drei Jahre lang drauf. Aber ich habe momentan einen guten Lauf, bin zudem seit einem Jahr verletzungsfrei. Dazu kam gegen Serbien der Faktor, dass viele Offensivspieler wie beispielsweise Henrikh Mkhitaryan verletzt waren. Die erneute Nominierung ist eine Bestätigung meiner guten Leistungen in Verein und Nationalmannschaft.

FuPa: Wie groß ist die Vorfreude auf das Spiel gegen Portugal? Rechnet ihr euch etwas aus?

Karapetian:
Brutal groß. Allein einmal Cristiano Ronaldo in einem Pflichtspiel hautnah zu erleben, ist wohl für jeden Fußballer ein Traum. Allerdings ist Portugal keine Mannschaft, die über das Kollektiv kommt. Von daher glauben wir schon an unsere Chance. Für mich persönlich wäre es schon ein Highlight, erneut im Kader zu stehen und eventuell ein paar Minuten zu spielen. Dafür nehme ich sogar in Kauf, vielleicht nicht bei der Geburt meines Sohnes dabei zu sein. Seine Geburt wird am Tag des Spiels erwartet.

FuPa: Und wie sieht das deine Frau, dass du lieber gegen Portugal spielst als bei der Geburt deines Sohnes dabei zu sein?

Karapetian: Wir haben lange darüber diskutiert. Es war eine schwere Entscheidung für uns. Letztendlich haben wir uns so entschieden, weil das Kind auch theoretisch später kommen könnte. Ich kann es mir nicht erlauben, dass ich direkt bei dem zweiten Länderspiel absage, sondern muss jetzt dranbleiben.

FuPa: Gibt es schon eine interne Debatte, wer das Trikot von Ronaldo hinterher bekommt?

Karapetian (lacht): Nein, dafür sind wir Armenier zu stolz.

FuPa: In Deutschland ist aus Armenien nur der Dortmunder Superstar Henrikh Mkhitaryan wirklich bekannt. Wie ist es so mit ihm zu spielen? Gibt es noch weitere Spieler, die man auf dem Zettel haben sollte?

Karapetian: Ich hatte heute (dienstags, Anmerkung der Redaktion) mein erstes Training mit ihm, das war schon ein gutes Gefühl. Gerade seine Ballan- und mitnahme ist einfach perfekt, dazu ist er wirklich extrem auf dem Boden geblieben und trotz seiner Bekanntheit ein ganz normaler Mensch. Neben ihm gibt es da noch Yura Movsisyan, der momentan bei Spartak Moskau spielt und dort ein Star ist.

FuPa: Reicht es schon, um sich für die EM 2016 zu qualifizieren?

Karapetian: Nach den beiden Topnationen Serbien und Portugal haben wir sicher die Chance, um den Playoff-Platz drei mitzuspielen. Das ist auch unser Ziel, das wir uns gesteckt haben.

FuPa: Früher war Armenien ja eher ein Fußballzwerg, mittlerweile gibt es Stars wie Mkhitaryan, zudem wurde beispielsweise Dänemark in der WM-Qualifikation auswärts mit 4:0 besiegt, mittlerweile belegt das Land Platz 75 der Weltrangliste vor Nationen wie Paraguay oder Australien. Was hat sich im Laufe der Jahre verändert?

Karapetian: Im Grunde ist es ja so, dass alle Mannschaften in der letzten Zeit vorangekommen sind. Heutzutage gibt es fast keine „kleinen“ Mannschaften mehr. Wir haben ja auch in der jetzigen EM-Quali mit 1:0 gegen Dänemark geführt, aber leider knapp mit 1:2 verloren. Fast alle Spieler aus unserer Mannschaft spielen bei Spitzenteams aus eher unbekannteren Ligen beispielsweise in Weißrussland oder Kasachstan. Dort haben sie gut dotierte Verträge, die meist auch sehr langfristig laufen. Teilweise verdienen sie mehr als in der Bundesliga. Daher ist es kein Wunder, dass bisher kaum Spieler den Schritt in eine europäische Topliga machen wollen.

FuPa: Du spielst seit zwei Jahren in Luxemburg bei F91 Dudelange. Wie ist das Niveau der Liga einzuschätzen?

Karapetian: Die Liga in Luxemburg wird immer stärker. Allein bei uns in Dudelange spielen mittlerweile sieben Nationalspieler. Wir sind hier in Luxemburg sowas wie der FC Bayern, alle Mannschaften stellen sich gegen uns hinten rein. Vom Niveau glaube ich, dass die Top Drei dieser Liga (F91 Dudelange, FC Differdange, Fola Esch, Anmerkung der Redaktion) sich in der dritten Liga in Deutschland halten könnten. Der Rest spielt ungefähr auf Regionalliga-, die letzten drei Teams auf Oberliga-Niveau.

FuPa: In dieser Saison hast du bisher in zwölf Spielen zehn Treffer markiert. Eine gute Bilanz, mit der du dich nochmal für ein Engagement in einem anderen Verein, in einer anderen Liga empfehlen willst?

Karapetian: Klar ist, dass ich mich natürlich immer weiterentwickeln will. Vielleicht kommen ja auch durch meinen Status als Nationalspieler Angebote anderer Klubs, vorzugsweise natürlich aus Deutschland aus der zweiten Liga. Allerdings hatte ich auch schon vor meiner Zeit in Luxemburg Angebote aus der zweiten und dritten Liga in Deutschland. Die Vertragslaufzeit von drei Jahren sowie die Möglichkeit international zu spielen waren jedoch wesentliche Faktoren, warum ich mich für Dudelange entschieden habe. In dieser Saison haben wir zum Beispiel gegen Ludogorez Rasgrad (Bulgarien, Anmerkung der Redaktion) Unentschieden gespielt. Die spielen jetzt in der Gruppenphase.

FuPa: Vor deinem Engagement in Luxemburg warst du in kurzer Zeit bei fünf verschiedenen Vereinen, zeitweise sogar vereinslos. Wie kam das?

Karapetian: Nachdem ich drei Jahre bei Wehen war, wollte ich einen Tapetenwechsel. Ich bin nach Bremen gezogen, habe alleine dort gelebt. Eine wunderbare Zeit. Ich habe beim FC Oberneuland in der Regionalliga gespielt, allerdings hat der Verein irgendwann Geldprobleme bekommen und ich bin nach Elversberg gewechselt. Dort lief anfangs alles perfekt, ich habe regelmäßig getroffen, doch einen Tag vor dem DFB-Pokalspiel gegen Hannover 96 zog ich mir einen Bänderriss zu und fiel wochenlang aus. Danach kamen Adduktorenprobleme, Leistenbrüche, weswegen mir mein Arzt zunächst geraten hatte, die Karriere zu beenden. Mein Vertrag wurde daraufhin aufgelöst. Dann kam nach einem halben Jahr Vereinslosigkeit das Angebot von Homburg. Dort hatte ich zwar auch eine tolle Zeit, doch beim Angebot von Dudelange hat dann alles gepasst.

FuPa: Zum Anfang deiner Karriere warst du auch bei Wehen und Gonsenheim aktiv. Welche Erinnerungen hast du noch an diese Zeit?

Karapetian: In Gonsenheim habe ich in der Jugend gespielt, wurde dort Torschützenkönig. Dann bin ich in meinem ersten Aktivenjahr zu Wehen gewechselt. Mit 18,19 Jahren hatte ich damals noch viel Quatsch im Kopf, war nicht richtig konzentriert auf den Fußball. Im Nachhinein bereue ich es natürlich, nicht mehr aus meiner Karriere gemacht zu haben. Aber man kann die Zeit auch nicht zurückdrehen. Durch meine Frau und meine Tochter bin ich ruhiger geworden.

FuPa: Da du ja in Wiesbaden groß geworden bist – verbringst du noch viel Zeit hier in der Gegend?

Karapetian: Natürlich! Meine Mutter, mein Stiefvater, die Eltern meiner Frau, mein Bruder Konstantin (spielt beim Türkischen SV Wiesbaden, Anmerkung der Redaktion) sowie viele Freunde leben hier. Wiesbaden wird immer meine Stadt bleiben.

FuPa: Danke für das Gespräch und viel Glück gegen Portugal !


Erinnerungsstück: Das Nationalmannschaftstrikot von Aleksandre Karapetian. Foto: Privat.

Aufrufe: 013.11.2014, 10:00 Uhr
Philipp DurilloAutor