2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Verlängerte seinen Vertrag: Weiches Routinier Fiete Sykora.
Verlängerte seinen Vertrag: Weiches Routinier Fiete Sykora.

VfB Lübeck und SC Weiche Flensburg 08 haben ein Ziel

3. Liga im Visier - aber noch viele Fragen offen

Jahrzehntelang lief der große Profi-Fußball an Schleswig-Holstein weitgehend vorbei. Während Holstein Kiel mittlerweile eine etablierte Größe unter den 56 bundesweit aufspielenden Mannschaften ist, peilen im Windschatten der „Störche“ gleich zwei Vereine in der Regionalliga mittelfristig den Sprung in die 3. Liga an. Sowohl der VfB Lübeck als auch der künftige SC Weiche Flensburg 08 haben in den kommenden Jahren den Aufstieg zum großen Ziel erklärt, der VfB im Zeitrahmen bis 2019, Weiche bis 2020. Wir zeigen in mehreren Folgen auf, wie die beiden Vereine im Hinblick auf diese Herausforderung für das kommende Jahr aufgestellt sind – in dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit sportlichen Fragen.

Sportliche Situation

Der VfB Lübeck hat sich in den vergangenen Jahren in kleinen Schritten aus der sportlichen Krise herausgearbeitet, die aus den zwei Insolvenzen resultierte. In der laufenden Saison, der dritten nach dem Wiederaufstieg, schafften die Grün-Weißen – auch dank der Verpflichtung eines hauptamtlichen Trainers – den Sprung in die Spitzengruppe der Regionalliga. Zwar läuft es in der Rückserie nicht mehr ganz so rund, doch in Anbetracht der Möglichkeiten des Kaders ist auch die Platzierung unter den ersten Vier noch aller Ehren wert.

Beim ETSV Weiche, wie der Verein bis zum Saisonende noch heißt, setzt man die positive Entwicklung der vergangenen Jahre nahtlos fort. Auch im fünften Jahr der Regionalliga-Zugehörigkeit kann eine sportliche Verbesserung erfolgen – nach den Plätzen sieben, sechs, fünf und drei steht die Elf von Trainer Daniel Jurgeleit derzeit auf Rang zwei. Der Kader bietet zwar durch die gute Kontakte zu Holstein Kiel den einen oder anderen erfahrenen Akteur mit individueller Klasse, allerdings ist der jetzige zweite Platz angesichts der Rahmenbedingungen als Quasi-Feierabendtruppe alles andere als selbstverständlich.

Die Kaderplanung

An der Lohmühle haben die Verantwortlichen des VfB Lübeck um Trainer Rolf Landerl und Sportvorstand Wolf Müller derzeit eine Menge zu tun, um den Kader für das Ziel, im kommenden Jahr um die Meisterschaft mitzuspielen, adäquat aufzustellen. Nur vier Spieler des aktuellen Kaders (Gomig, Mende, Noel, Sievers) hatten einen Vertrag über die Saison hinaus. Mit der Verlängerung von Routinier Stefan Richter und den Neuverpflichtungen von Torwart Benjamin Gommert (SV Meppen) und Offensivmann Dennis Hoins (Hannover 96 II) wurden einige personelle Weichen bereits gestellt. Bei Lübecker Spielern wie Dennis Wehrendt und Marcello Meyer sollte die Verlängerung eher Formsache sein, auch andere wie Marvin Thiel und Maurice Maletzki will der Verein auf jeden Fall halten. Bei anderen wie Moritz Marheineke oder Henrik Sirmais ist der Verbleib aus beruflichen Gründen fraglich, Torhüter Jonas Toboll ist aus diesem Grund bereits weg.

„Ich plane derzeit mit einem Gerüst von 18 Feldspielern und zwei Torhütern“, sagt Landerl. „Wir müssen die Qualität im Kader Schritt für Schritt erhöhen und dürfen dabei aber das Budget nicht aus den Augen verlieren.“ Entsprechend sei eine Reduzierung des Kaders die sinnvollste Option.Um annähernd reif zu sein für einen ernsthaften Angriff auf den Aufstieg muss im VfB-Kader aber auch einiges passieren. Derzeit wäre bestenfalls eine Handvoll Spieler auch in der 3. Liga konkurrenzfähig. In der Innenverteidigung und im zentralen Mittelfeld sieht Landerl derzeit die wichtigsten Baustellen für die neue Saison. Doch auch im Sturm und auf den Außenbahnen sind die Personalplanungen keineswegs abgeschlossen. Zugänge mit jahrelanger Regionalliga-Erfahrung sind das Ziel.

„Aber wir werden kreativ bleiben müssen, denn wir können nicht so viel zahlen wie mancher Aufstiegskandidat im Westen, Osten oder im Süden“, weiß Landerl. Die offenen Personalien im eigenen Kader sind im übrigen auch noch längst nicht entschieden. „Es ist keiner abgeschrieben“, betont der Trainer mit Blick auf Wackelkandidaten wie Langer, Lindenberg, Nogovic, Gebissa, Haritos, Ebot-Etchi oder Ismail. „Jeder hat die Chance, sich im Spiel und im Training zu empfehlen.“ Von einigen dieser Akteure wird sich der VfB am Ende aber wohl trennen. Als Neuzugänge kommen auch ein paar Akteure von Nachbar Schönberg 95 in Betracht, wo die Regionalliga-Zukunft fraglich ist. An Stürmer Leon Dippert hatte Landerl bereits mehrfach Interesse bekundet.

„Den einen oder anderen guten Spieler kann man immer noch holen“, sagt Trainer Daniel Jurgeleit in Flensburg. „Aber entscheidend verbessern werden wir uns unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht mehr.“ Routinier Fiete Sykora, der jahrelang in der 2. und 3. Liga aktiv war, weiß: „Eine Klasse höher könnten wir mit dem Kader und dem Umfeld nicht einmal ansatzweise bestehen.“ Was man sportlich regeln kann, um zumindest das Ziel, im kommenden Jahr im Kampf um die Meisterschaft dabei zu sein, anzugreifen, gehen Jurgeleit und der „Macher“ Harald Uhr derzeit an. Die Fluktuation wird – wie schon in den vergangenen Spielzeiten – eher gering ausfallen. „Von uns will ja eigentlich keiner weg“, sagt Jurgeleit mit einem Lächeln.

Sieben Verlängerungen sind fix bei den „Eisenbahnern“: Am Freitag sagte Fiete Sykora für ein weiteres Jahr zu. Torhüter Florian Kirschke bleibt sogar bis 2020, Jonas Walter bis mindestens 2019. Walter zählt neben Patrick Thomsen (beide seit 2010) und Kapitän Marc Böhnke (2009) zu den „Urgesteinen“ im Team.Auch die Zwillinge Jannick und Hendrik Ostermann sowie Ilidio Pastor Santos und Nedim Hasanbegovic bleiben den Flensburgern erhalten. Weitere Gespräche laufen. Bei den ausgeliehenen Finn Wirlmann und Rene Guder hat Holstein Kiel das letzte Wort. Der Drittligist müsste bis Ende April die Option auf Weiterbeschäftigung ziehen.

Der ETSV ist relativ spät dran, das hat jedoch einen einleuchtenden Grund: „Die Fusion mit Flensburg 08 zum SC Weiche Flensburg 08 hatte absoluten Vorrang, auch vor einem Aufstieg“, erklärt Liga-Geschäftsführer Harald Uhr, der mit einem 24 oder 25 Spieler umfassenden Kader in die neue Saison gehen will. „Gut möglich, dass auch der eine oder andere von Flensburg 08 den Sprung schafft“, so Uhr.

Der Unterbau

Die Breite im Kader des VfB Lübeck soll künftig der eigene Nachwuchs darstellen. „Es werden immer wieder Spieler aus der U21 und der U19 die Chance bekommen, sich im Training zu zeigen“, erklärt Trainer Landerl. „Aber sie sollen nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen.“ Entsprechende Überzeugungsarbeit versuchen Landerl und Müller gerade bei den eigenen A-Jugendlichen zu leisten. „In der Region leistet der VfB die beste Nachwuchsarbeit. Bei uns ist für die Jungs die Chance am größten, in der Regionalliga Fuß zu fassen. Mit 19 oder 20 sollte die fußballerische Ausbildung das Wichtigste sein“, betont Landerl. „Wer nach zwei Jahren den Sprung nicht geschafft hat, kann immer noch auf die Geldbörse schauen und in die Oberliga wechseln.“

Während die A-, B- und C-Jugend-Mannschaft derzeit alle auf Kurs Regionalliga liegen, ist noch nicht klar, wo die U21 landet. „Um Talente von unserem Weg zu überzeugen, wäre es wichtig, dass die Mannschaft die Oberliga erreicht“, weiß Landerl. Im Nachwuchsbereich kann der VfB zwar keine großen Sprünge machen – in diesem Bereich gibt es jedoch Drittliga-Vereine, die schlechter aufgestellt sind als der VfB. Ein Nachwuchsleistungszentrum ist erst in der 2. Bundesliga Pflicht.

Mit der Fusion mit Flensburg 08 verändert sich die Lage für den ETSV schlagartig – zum Positiven. Der neue SC Weiche Flensburg 08 wird mit einer starken Mannschaft in der Oberliga vertreten sein. Die 08-Ligamannschaft mischt aktuell in der Spitze der SH-Liga mit. „Neben Holstein Kiel II die jüngste Mannschaft der Liga. Toll, dass so viele 18- und 19-Jährige den Sprung geschafft haben“, freut sich Harald Uhr.Auch in punkto Jugendarbeit ist der neue Verein sehr gut aufgestellt. Die A-, B- und C-Junioren von Flensburg 08 spielen allesamt in der Schleswig-Holstein-Liga, die Regionalliga ist das erklärte Ziel. „Es gibt tolle Trainer dort. Jeder von ihnen hat eine Lizenz. Wir wollen den Leistungsfußball mit Talenten aus der Region noch mehr forcieren, noch leistungsorientierter arbeiten“, sagt Uhr, der eine Aufbruchstimmung ausgemacht hat.

Da ist er nicht allein – Fußball ist Gesprächsthema in der Handballstadt Flensburg.Die dritte Mannschaft (derzeit Verbandsliga Nord-West) soll – mit Unterstützung aus dem Regionalliga-Kader – die Qualifikation für die Landesliga Schleswig schaffen. Die Trainer arbeiten bereits jetzt zusammen, junge Fußballer haben jetzt eine Perspektive, die nicht in der 5. Liga enden muss. „Talente sollen künftig in Flensburg spielen und nicht mehr nach Hamburg, Kiel oder Rostock wechseln müssen“, hatte Harald Uhr – unter großem Applaus – auf der Gründungsversammlung des neuen SC Weiche Flensburg 08 gesagt.

Die Trainingsbedingungen

Vom Vollprofitum der 3. Liga ist man in Lübeck noch einen großen Schritt entfernt, doch den reinen Amateurfußball der Nach-Insolvenz-Zeit hat der VfB im abgelaufenen Jahr hinter sich gelassen. „Die Verpflichtung eines hauptamtlichen Trainers war ein enormer Fortschritt. Das hat man in allen Bereichen gespürt“, stellte Routinier Moritz Marheineke fest. Inzwischen werden Vormittagseinheiten angeboten. 10 bis 15 Spieler sind im Schnitt dabei. Für das kommende Jahr plant Landerl, das Training am Nachmittag vorzuziehen. „Um 16 Uhr wäre optimal. Dann hat man meist Tageslicht. Und vor allem können die Spieler daheim noch wirklich regenerieren“, erklärt der Österreicher.

„Das ist für die Spieler viel angenehmer“, unterstreicht Marheineke – auch wenn er selbst aus beruflichen Gründen kaum noch mit dem Team trainieren könnte. Entsprechend der Planung müssen die Spieler keine Vollprofis sein, sollten sich aber ihre Arbeitszeiten einteilen können – so wie es beispielsweise die letzten „Altgedienten“ Wehrendt (Polizist) und Richter (Erzieher) zuletzt hinbekamen. Landerl kämpft nebenbei noch um seinen Co-Trainer Axel Giere, im Hauptberuf Lehrer. „Vormittags werde ich wohl weiterhin allein auf dem Platz stehen“, sagt der Chefcoach. Dass das auch bei einigen Haupteinheiten der Fall ist, soll aber der Vergangenheit angehören.

Bleibt er als VfB-Spieler dabei? Lübecks Routinier Moritz Marheineke.
Bleibt er als VfB-Spieler dabei? Lübecks Routinier Moritz Marheineke.
In Flensburg sind die Sorgen und Nöte ähnlicher Natur, wobei insbesondere im Winter die Platzsituation (es fehlt ein Kunstrasen, der laut der Stadt Flensburg für 2018 geplant ist, und ein winterfester Trainingsrasen) es Trainer Jurgeleit noch schwieriger macht. Seit dem Sommer macht der ETSV aber auch schon mehr als die klassischen drei bis vier Einheiten, mit denen man sich im oberen Regionalliga-Drittel etablierte. „Auch wenn immer ein paar Spieler nicht können, machen wir auch vormittags immer mal etwas“, erklärt der Erfolgscoach.
Fünf wöchentliche Einheiten sind inzwischen die Regel, weniger als bei Vollprofis, aber mehr als bei einigen Teams der unteren Tabellenhälfte. Viele Spieler arbeiten oder studieren, einige davon können sich die Zeit jedoch im Sinne des Fußballs organisieren. Zu kämpfen haben die Flensburger aber noch mit dem Umfeld. So ist nicht bei jedem Training ein Physiotherapeut dabei, Wochentagsspiele wie zuletzt in Lüneburg werden schon mal nur von Jurgeleit und einem Betreuer begleitet. Außer dem Chefcoach gibt es niemanden, der sich in Vollzeit um den ETSV kümmert.
Aufrufe: 06.4.2017, 15:00 Uhr
SHZ / Christian Jessen/Ulrich SchröderAutor