2024-05-02T16:12:49.858Z

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Früher mit Beckham, heute mit Bührer: Bryan Gaul | Foto: Patrick Seeger
Früher mit Beckham, heute mit Bührer: Bryan Gaul | Foto: Patrick Seeger

US-Boy Bryan Gaul: Ein Großstadt-Typ auf Landausflug

Der US-Boy Bryan Gaul spielte einst mit David Beckham und Robbie Keane, nun setzt er alles daran, mit dem Bahlinger SC die Regionalliga zu halten

Einst spielte Bryan Gaul mit David Beckham, Robbie Keane und Landon Donovan bei LA Galaxy in der Major League Soccer, nun versucht er mit dem Bahlinger SC den Klassenerhalt in der Regionalliga einzufahren.
„Schöne Gegend hier“, sagt Bryan Gaul. Und meint damit: schön ruhig, um sich auf Fußball zu konzentrieren. Die ländliche Idylle in Bahlingen hat dem Profi aus den USA in seinem Vereins-Portfolio noch gefehlt. Aufgewachsen im urbanen Speckgürtel von Chicago, schoss die Karriere von Gaul in jungen Jahren steil nach oben: Als 22-Jähriger feierte er 2012 im großstädtischen Flair von Los Angeles neben Stars wie David Beckham, Robbie Keane oder Landon Donovan mit LA Galaxy den Titel in der Major League Soccer (MLS). Dann lernte er die Schattenseiten seines Metiers kennen: Verletzungen, Ausleihen, Trainerentlassungen und nervöse Schnellschüsse von Vereinen bis hinunter in die dritte US-Liga. „From top to bottom“, sagt Gaul. Von ganz oben bis ganz unten – mit 26 Jahren hat er schon viel erlebt in seinem Kickerleben.

Im Winter öffnete sich das Tor zum gelobten Kontinent, der für Fußballer in Europa liegt. Der Bad Homburger Spielerberater Axel Dierolf vermittelte Gaul zum Regionalligisten Bahlinger SC, wo er nun tragender Teil des Unternehmens Nichtabstieg ist. Dass seine Schwester Alexa Gaul bis Januar als Torhüterin beim Ortenauer Erstligisten SC Sand beschäftigt war – reiner Zufall. „Schade, dass wir uns hier nicht treffen konnten“, sagt Gaul.

In Bahlingen trafen sich zwei Suchende: Der Club, damals auf dem vorletzten Tabellenplatz, fahndete nach einem robusten Mittelfeldspieler mit flexiblem Einsatzspektrum und Profi-Erfahrung. Der 1,95 Meter große Gaul, dessen Name sich mit einem kehligen „o“ ausspricht, suchte einen Weg ins europäische System. „In einem Fußballland wie Deutschland unterzukommen, ist für Amerikaner sehr schwer“, erklärt Gaul. Viele seiner Landsleute zieht es deshalb nach Skandinavien, wo auch er mal auf Leihbasis hinwollte: Doch kaum in Hammarby angekommen, feuerte der schwedische Verein seinen US-amerikanischen Coach – und schickte das spielende Personal mit gleichem Pass ebenso zurück über den Teich.

Bahlingen will Gaul deshalb als Sprungbrett nutzen, um auf seiner Karriereleiter zu einem Verein der Dritten oder Zweiten Liga zu klettern. Als gestandener Akteur würde er in ein paar Jahren gerne in die MLS zurückkehren, so sein 1a-Plan. Die Variante 1b sieht für ihn bereits im Sommer die Rückkehr in die USA vor. 1c – eine Vertragsverlängerung beim BSC – ist für ihn keine Alternative: Die Kaiserstühler arbeiten langfristig nicht mit Vollprofis, sondern setzen auf hochengagierte Amateure: Gaul hat „Riesenrespekt“ vor Spielern wie Dennis Bührer, die nach ihrem „Nine-to-five-job“ viermal pro Woche im Training „immer 100 Prozent geben“. Seine Welt sei das aber nicht.

Die Welt, die er bei Los Angeles Galaxy kennenlernte, glitzerte wie die Pailletten eines Kleids von Victoria Beckham; auch wenn ihr Ehemann, so versichert es Gaul, „zu uns Spielern extrem aufgeschlossen und freundlich“ war. Als Gaul mal eines Morgens aufs Galaxy-Gelände kam, drehte sich so ein muskulöser Typ um und begrüßte ihn: „Hi, ich bin Clarence.“ Es war Clarence Seedorf, der vierfache Champions-League-Sieger. „Ständig kamen bei uns Legenden ins Training“, erinnert sich Gaul. Und jene, die spielten, halfen ihm. Beim Warmmachen vor einem wichtigen Spiel gegen Seattle habe er sich ständig nervös die Schuhe geschnürt. Dann sei Robbie Keane, der irische Rekordnationalspieler, gekommen, habe den Arm um ihn gelegt und gesagt: „Junge, beruhige dich. Du beginnst heute und machst ein gutes Spiel.“ Seine Schnürsenkel brauchte er erst nach dem Spiel wieder anzufassen.

In Bahlingen ist es an Gaul, auf junge Akteure wie Frano Buhovac beruhigend einzuwirken. Trainer Milorad Pilipovic lobt ihn „als außergewöhnlichen Menschen und Fußballspieler“. Gaul sei ballsicher, spielintelligent und „technisch auf südamerikanischem Level“. Vier Siege, zwei Unentschieden und zwei Niederlagen lautet die positive BSC-Bilanz mit Gaul, der im März fünf Spiele wegen einer Rückenverletzung verpasste.

Der Amerikaner ist davon überzeugt, dass die Mannschaft auch die restlichen drei Regionalligapartien gegen Hessen Kassel (Mittwoch, 18 Uhr), Kickers Offenbach und den SC Freiburg II gewinnen kann, „wenn Organisation und Konzentration stimmen“. Gut sei ein frühes Tor, „dann kontrollieren wir die Partie“. Gerät der BSC indes in Rückstand wie gegen Homburg (1:3), klaffen große Lücken in der Defensive. „Das passiert echten Profiteams nicht“, weiß Gaul, der vom Niveau der Regionalliga („besser als die zweite Liga in den USA“) beeindruckt ist.

Den größten Realitätsschock erlitt er beim 2:1 im Testspiel vor der Saison gegen den Verbandsligisten Offenburger FV, der damals in der ersten Halbzeit mehr Ballbesitz hatte. „Verdammt, diese Jungs können spielen“, habe er in der Pause festgestellt. Und das in der sechsten Liga. „Da laufen bei uns drei Hundert-Kilo-Jungs in jeder Mannschaft herum.“

Kompakt: Vor dem Heimspiel gegen Kassel legt Trainer Pilipovic noch einmal die Bahlinger Marschroute fest: „Siegen, siegen und nochmals siegen – wenn wir den Klassenerhalt schaffen wollen, müssen wir in der Lage sein, etwas Außergewöhnliches zu leisten.“ Der Tabellensiebte aus Kassel spiele „ein spezielles System“ und sei „sehr offensiv ausgerichtet“. Da müsse man sehr clever agieren. Serhat Ilhan scheint seine Adduktorenprobleme überwunden zu haben, dafür ist Aslan Ulubiev angeschlagen.



Aufrufe: 010.5.2016, 22:00 Uhr
Matthias Kaufhold (BZ)Autor