2024-06-14T14:12:32.331Z

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Fühlen sich bei Ballsport Eversburg wohl: Samuel Wida (links) und Ahmed Mohamed Abdallah.
Fühlen sich bei Ballsport Eversburg wohl: Samuel Wida (links) und Ahmed Mohamed Abdallah.

Über den Fußball in die Gesellschaft

Ballsport Eversburg: Zwei Flüchtlinge kicken in 1. Kreisklasse mit - "Nur Gewinner"

Während ganz Deutschland derzeit hitzig über die Flüchtlingspolitik diskutiert, zeigt Ballsport Eversburg, wie einfach Integration sein kann: Seit einigen Monaten kicken hier die Flüchtlinge Samuel Wida und Ahmed Mohamed Abdallah beim Aufsteiger in der 1. Kreisklasse Osnabrück-Stadt mit. Probleme gibt es keine. Im Gegenteil: Sportlich wie auch menschlich zeigen sich beide als absolute Bereicherung.
Initiator der ganzen Geschichte ist Marcel van Deyk. Der 27-jährige studierte Erziehungswissenschaftler ist ehrenamtlich bei der Caritas tätig und arrangierte mit seinen Kollegen Melanie Krüger und Werner Mosel im Januar einen Fußballtreff für Flüchtlinge. „Das Westwerk hat die Hallenzeiten besorgt, und wir fingen an, einmal die Woche in der Halle zu kicken“, erklärt van Deyk. Nach dem Winter wechselte die Gruppe zu Ballsport. Seit April kommen an jedem Freitag bis zu 40 Flüchtlinge auf die Anlage am Barenteich.

In dieser Flüchtlingsgruppe starteten auch Samuel Wida und Ahmed Mohamed Abdallah. Beide sind 2011 aus ihren von Bürgerkriegen erschütterten Heimatländern geflohen. Der 27-jährige Abdallah kam aus Somalia in die Niederlande. Mit seinem letzten Geld hatte er sich ein Flugticket gekauft. Familie und Freunde ließ er zurück.

In den Niederlanden verbrachte er zwei Jahre in einem Flüchtlingsheim, ehe er nach Deutschland kam. Hier wohnt er seit einem Jahr und acht Monaten im Flüchtlingshaus „An der Petersburg“ und wartet auf sein Asylverfahren. „Wir leben mit vier Leuten in einem Raum. Es sind zwar zu viele Menschen in dem Haus, aber die Stimmung ist friedlich“, erzählt Abdallah.

Seit Januar in Deutschland ist der 19-jährige Samuel Wida. Wie Abdallah hat er vor vier Jahren Familie und Freunde zurückgelassen, um aus dem Südsudan zu fliehen. Über den Sudan, Tschad, Niger und Algerien führte es ihn nach Marokko. „Mal fuhren wir mit dem Bus. Stieg die Gefahr, erwischt zu werden, gingen wir zu Fuß – teilweise auch tagelang durch die Wüste“, berichtet Wida von seiner Odyssee. Aus Marokko ist er mit dem Boot nach Südeuropa gekommen.

Die Reise auf dem Meer bezeichnet er als das Schlimmste, was er bisher erlebt habe – zu viele Menschen und ständige Todesangst. Während er von der Bootreise erzählt, verschwindet erstmals das Lachen in seinem Gesicht.

Die erste Station in Deutschland war Berlin, bevor er im März schließlich nach Osnabrück kam und hier nun mit 400 anderen Flüchtlingen in der Kaserne an der Landwehrstraße in Atter lebt. Er teilt sich nur mit einer weiteren Person einen Raum. „Privatsphäre gibt es trotzdem nicht“, schränkt Wida ein, weiß aber durch Erzählungen anderer Flüchtlinge, dass er in einer der besseren Unterkünfte lebt.

Neben der zweimal wöchentlich stattfindenden Sprachschule ist für die beiden der Fußball nun der Lebensmittelpunk. Nachdem sie einige Male bei der Flüchtlingsmannschaft waren, lud van Deyk sie zum Training von Ballsport ein: „Sie trainieren dreimal die Woche, dazu kommt ein Spiel. Diese Regelmäßigkeit ist für die Integration sehr wichtig.“ Für die Flüchtlinge ist es zudem wie eine Auszeit vom tristen Alltag. „Sonst liegt man den ganzen Tag viel rum und wartet, dass die Zeit vergeht“, schildert Wida. Abdallah stimmt ihm zu: „Es macht super viel Spaß in dieser Mannschaft. Alle haben uns toll aufgenommen.“

Für Ballsport erwiesen sich der Südsudaner und der Somalier als großer Gewinn. Abdallah stabilisiert die Abwehr, Wida (3 Tore, 2 Vorlagen aus 3 Spielen) sorgt für Furore. Dabei spielen beide erstmals in einem Vereinsteam. In ihren Heimatländern kickten sie lediglich ab und an auf der Straße. „Meistens gab es dafür keine Möglichkeit“, sagt Abdallah.

Auch menschlich seien die Flüchtlinge eine absolute Bereicherung, pflichtet Verteidiger Sebastian Spaan bei: „Sie sind lustig und zuverlässig, beleben die Stimmung.“ Beobachtet man Wida auf dem Platz, fällt einem das stete Lachen im Gesicht auf. Er scheint sich in Deutschland wohlzufühlen. Sein größter Wunsch: „Ich möchte in Deutschland bleiben.“

Ballsport zeigt einen einfachen Weg der Integration auf. Zeigt, dass Fußball verbindet. „Mir ist doch völlig egal, woher mein Passgeber kommt oder welche Hautfarbe er hat“, sagt Spaan. Der kürzeste Weg in die Gesellschaft sei der Sportverein. Dabei will er mit seiner Mannschaft nicht als gutherzig angesehen werden: „Wir wollen lediglich Vorreiter sein und zeigen: Es gibt dabei nur Gewinner.“
Aufrufe: 05.9.2015, 10:58 Uhr
Lennart Albers / Neue Osnabrücker Zeitung Autor