2024-05-02T16:12:49.858Z

Spielvorbericht
Wenn Derby ist, ist volles Haus garantiert. Wie beim Hinspiel, dass der SV 03 mit 2:0 für sich entschied F: Kölmel
Wenn Derby ist, ist volles Haus garantiert. Wie beim Hinspiel, dass der SV 03 mit 2:0 für sich entschied F: Kölmel
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Derby im „schwäbischen Dundee“

Landesliga (3): TSG Tübingen - SV 03 Tübingen (So.,15 Uhr) - Ein Derby ist immer etwas besonderes, so auch das Tübinger Nachbarschaftsduell zwischen der TSG und dem SV 03. Beide Stadien sind dabei nur ein „Muggaseggele“ voneinander entfernt, eine Konstellation, die Fußballfreunde nur aus dem schottischen Profifußball kennen. Dort sind die Rivalen Dundee FC und Dundee United ebenfalls Türnachbarn. Ein FuPa-Rückblick auf die Tübinger Punktspielduelle seit 1961.

Das Tübinger Stadtderby kann zwar nicht mit so renommierten Vorbildern wie Schalke gegen Dortmund oder Fürth gegen Nürnberg mithalten, bietet dafür einen ganz besonderen Reiz: beide Stadien trennt nur ein Steinwurf, was aus einem Auswärtsspiel einen Auswärtsgang macht. Und auch die derzeitige Tabellensituation dürfte dem Derby Brisanz verleihen. Die TSG Tübingen empfängt als Tabellenführer den Nachbarn und Tabellendritten SV 03 Tübingen. Das Hinspiel am 25. September entschied der SV 03 vor 700 Zuschauern mit 2:0 für sich.

„Beim Derby willst Du nicht nur, dass Deine Mannschaft gewinnt! Du willst auch, dass die andere Mannschaft verliert!“ Mit diesen Worten wird Journalist und Fußballhistoriker Hardy Grüne zitiert, und Unrecht hat der Experte nicht. Wenn es zum Derby kommt, dann sind da mehr als „nur“ 90 Minuten Fußball.

Das Tübinger Nachbarschaftsduell ist dabei kein alteingesessenes Derby. Der Sonntag sieht erst das 22. Ligaduell zwischen beiden Nachbarn. In der Spielbilanz führt der Traditionsclub SV mit 10 Siegen und 35:24 Toren gegenüber fünf TSG-Siegen und sechs Unentschieden. Die TSG darf sich dafür den Zuschauerrekord an die Fahnen heften, als 2.000 Fußballbegeisterte 1977 den Auftakt zur vormaligen Schwarzwald-Bodensee-Liga verfolgten.

Die Punktspielhistorie fing dabei in bescheidenerem Rahmen der A-Klasse Alb (entspricht der heutigen Bezirksliga) an. Am 24. September 1961 empfing Aufsteiger TSG den Platzhirsch SV 03, der damals seine Heimat noch nicht in der Europastraße hatte. Diese Partie entschieden die Gelb-Roten mit 4:0 für sich, und auch das Rückspiel am 11. März 1962 blieb mit 3:1 beim SV.

Am 19. September 1965, SV Tübingen war frisch aus der 2. Amateurliga abgestiegen, kam es erneut in der A-Klasse zum Duell. Wieder hatte zunächst die TSG Heimrecht, doch diesmal blieb man mit 2:1 Sieger. Auch das Rückspiel beim SV 03 entschieden die Rot-Weißen für sich und strichen mit 2:0 die Punkte ein.

In der darauffolgenden Saison kam es bereits am 2. Spieltag zum Derby, der SV gewann im eigenem Geläuf mit 2:0 und entschied auch das Rückspiel bei der TSG mit 2:1. In den 1960er Jahren galt offenbar die Regel: wer die erste Partie gewinnt, gewinnt auch das Rückspiel.


Ein Jahrzehnt verging, ehe beide Mannschaften wieder gegen Punkte spielten, und diesmal war es sogar ein Spiel der 3. Liga. Gleich am 1. Spieltag der 1. Amateurliga Südwürttemberg (bis 1974 bekannt als Schwarzwald-Bodensee-Liga) traf Neuling TSG auf den SV 03 Tübingen. Eigens für das Auftaktderby wurden bei der TSG neue Stehwälle errichtet, um eine größere Zuschauermenge unterbringen zu können. Eine weise Entscheidung: 2.000 Zuschauer sahen am 13. August 1977 einen deutlichen 3:1-Erfolg der 03er. Dabei gab sich SV-Trainer Walter Böll vor der Partie noch bescheiden: „Zweifellos erwarten die Zuschauer von uns mehr als von der TSG. Dennoch wäre ich mit einem Unentschieden durchaus zufrieden.“ Für die Schützlinge von TSG-Kollege Rainer Willfeld waren die Gelb-Roten schlicht zu clever und routiniert. SV-Neuzugang Dreher überwand noch in der ersten Spielhälfte TSG-Keeper Steinhilber zweimal, ehe in der zweiten Spielhälfte zwei Elfmeter den 1:3-Endstand festigten.

„Das 1:3 des Hinspiels möchten wir unbedingt korrigieren, zumal wir seither einiges dazugelernt haben“, ließ Rainer Willfeld vor dem Rückspiel am 11. Dezember 1977 verkünden. Und tatsächlich gingen die unbekümmert aufspielenden Nachbarn in der 23. und 27. Spielminute vor 700 Zuschauern durch Schmid und Groß mit 2:0 in Führung. Rechtzeitig vor dem Seitenwechsel gelang Groß noch der Anschlußtreffer für den SV. Erlösung gelang den Hausherren jedoch erst in der 88. Minute durch einen von Schmitt verwandelten Strafstoß, so dass sich die 03er noch mit einem Punkt glücklich schätzen durfte.

Ein Jahr später fand das bislang einzige Tübinger Verbandsligaderby statt. Beim SV 03 gab es vor 1.000 Zuschauer nur ein ermüdendes 0:0, was dafür sorgte, dass Bundesligaschiedsrichter Horst Joos der beste Akteur auf dem Rasen war. Das Rückspiel im Februar 1979 erlebten hingegen „nur“ 900 Fans. Bereits 5 Minuten nach Anpfiff brachte Lengerer Außenseiter TSG in Führung, ehe der frisch eingewechselte Kurt Hohloch in der 75. Minute noch den Ausgleich und die Tabellenführung für den SV 03 Tübingen sicherte.

Anschließend dauerte es 13 Jahre, bevor ein Punktspiel der beiden Nachbarn angepfiffen werden konnte. 250 Zuschauer verfolgten am 18. November 1992 das Bezirksligaduell beim SV 03. Die Hausherren, seit 13 Spielen ungeschlagen, erlebten dabei als Tabellenführer ein Debakel. In der 40. Minute attackierte Dietmar Dublasky im eigenen Strafraum von hinten TSG-Spielertrainer Wolfram Bauer, und Christoph Schröder verwandelte den fälligen Elfmeter zum Führungstor. In der 2. Hälfte überlupfte Bauer aus 25 Metern SV-Towart Sindek und in der 58. Minute konterte Tobias Weber die SV im Alleingang aus und erzielte den 3:0-Endstand für die TSG.

Das Rückspiel am 16. Mai 1993 stand ganz im Zeichen der kurzfristigen Trainerentlassung bei Tabellenführer SV 03. Der Vorstand entzog Lothar Baumbach überraschend das Vertrauen, doch auch mit Heinz Steidinger auf der Trainerbank blieb der SV beim Tübinger Freibad Sieger. 2:1 hieß es für die Gelb-Roten, die durch Doppelschlag von Sorgius früh in Führung gingen. In der zweiten Halbzeit spielte die TSG groß auf, aber mehr als der Anschlußtreffer durch Kovar gelang den Platzbesitzern nicht.

Mit Unglück behaftet war das 13. Punktspielderby. Während alle Spiele im Bezirk Alb am 5. Dezember 1998 durch die starken Schneefälle schon im Vorfeld abgesagt wurden, sollte das Bezirksligaduell im Stadion des SV 03 als einzige Partie durchgeführt werden. Schiedsrichter Sascha Rauter aus Dietersweiler rutsche jedoch bei der Hinfahrt bei Schopfloch mit dem Auto in den Straßengraben. Eiligst wurde mit Walter Hermes aus Dornstetten ein Ersatzschiedsrichter gefunden – der besah sich den Platz und erklärte ihn für Unbespielbar. Auch der Nachholtermin im Februar wurde von Eis und Schnee verhindert, so dass erst am 7. April 500 Zuschauer zum Genuss des Derbys kamen. Die TSG „reiste“ dabei als Tabellenführer zum direkten Verfolger SV, wo Staffelleiter Siegfried Krauß „eine sehr ruhige und angenehme Atmosphäre“ vorfand. 03-Akteur Stefan Rilling fiel dabei doppelt auf: zum einen gelang ihm in der 37. Minute der einzige Treffer des Tages, zum anderen verabschiedete er sich in der 52. Minute nach einem Foul an Argirios Pinakdis vorzeitig vom Spiel.

Bereits zwei Monate später kam es zum Rückspiel bei der TSG, die Punktgleich aber mit dem Nachbarn auf Platz 2 der Bezirksliga lag. 700 Zuschauer und ein komplettes Schiedsrichtergespann brachten etwas Landesliga-Atmosphäre in den vorletzten Spieltag. Im Tor der Nulldreier glänzte in der 1. Hälfte zunächst Gero Sindek mit zwei Paraden als einzigen Höhepunkt. Das Tor des Tages fiel unmittelbar nach Wiederanpfiff. Frank Leukart, eigentlich für die Abwehr bei 03 zuständig, köpfte in der 46. Minute den Ball in die Maschen von TSG-Keeper Hoß, womit die Gelb-Roten durch die Tordifferenz praktisch ihr Meisterstück machten.

2001 folgte die TSG in die Landesliga nach und gleich der 1. Spieltag führte beide Mannschaften beim Aufsteiger zusammen. Vor 400 Zuschauern, worunter 300 Zahlende, spielte zunächst nur Rot-Weiß. Auch SV-Trainer Peter Biesinger gestand ein: „Wir waren eigentlich nur 15 Minuten auf dem Platz“ - die letzte Viertelstunde nämlich. Allerdings ging der erste Treffer im 21. Jahrhundert zugunsten der Nulldreier in die Annalen ein: nach 18 Minuten schob Guiseppe Perrino den Ball den Hausherren in die Maschen.Postwendend erfolgte der Ausgleich durch Dieter, und Ardijan erhöhte in der 48. Minute auf 2:1. In der 90. Minute wurde TSG-Torhüter Jochen Bodamer noch bezwungen. Nach einem Zuspiel von Perica Lekavski gelang es Sezgin Yildiz, den 2:2-Ausgleich zu markieren.

Auch beim Rückspiel am 24. November 2001 gab es keinen Sieger, wo nur 300 Zuschauer das Landesligaderby verfolgten. Nach zwei Minuten ging die TSG nach einer Ecke durch Thomas Bauer in Führung, die von Jürgen Höritzer in der 24. Minute egalisiert wurde, wodurch es beim gerechten Unentschieden blieb.

Ebenfalls mit einem Unentschieden endete das Landesligaduell am 9. November 2002 vor nur noch 250 Zuschauern. Sönmez Kaplan attackierte in der 20. Minute 03-Akteur Christian Müller im Strafraum, und Schiedsrichter Silberbauer aus Zuffenhausen zeigte auf den Punkt. Martin Wagner verwandelte souverän. Kurz vor dem Pausentee versorgte Spielertrainer Wolfram Bauer seinen Bruder Thomas mit einer Flanke, die er mit dem Hinterkopf zum TSG-Ausgleich verlängerte. In der zweiten Hälfte hätte Mesut Kul seine TSG deutlich in Front schießen können, scheiterte aber mit Großchancen in der 49., 50. und 69. Minute. In der 84. Minute oblag es daher seinem Teamgefährten Özkan Kaplan, einen Foulelfmeter zum 2:1 zu setzen, und erst in der 88. Minute gelang Daniel Wespel der Ausgleich. Wespel war es auch, der vier Minuten vorher den Elfmeter verschuldet hatte.

Beim Rückspiel war es dann soweit: nach elf Jahren konnte die TSG wieder einen Sieg über den SV 03 bejubeln. Immer noch seit 1992 am Ball: Spielertrainer Wolfram Bauer, der mit dem 3:1-Sieg auch den Klassenerhalt seiner Mannschaft sichern konnte. Mann des Tages hingegen war TSG-Schlußmann Jochen Bodamer, der sein erstes Saisonspiel machte und die Nachbarn mit seinen Paraden zur Verzweiflung brachte. Vor 300 Zuschauern brachte Toni Anic die TSG beim SV in Führung, den der kurz zuvor eingewechselte Kai Amann in der 64. Minute auf 2:0 ausbaute. Kocher, davor schon mit einer Großchance an Bodamer gescheitert, verkürzte zwar in der Schlußphase auf 1:2, doch Mesut Kul sorgte in der 88. Minute für den 3:1-Auswärtssieg der TSG.

Gastgeschenke gab es bei der Auseinandersetzung am 12. Oktober 2003. Der heimische SV 03 Tübingen holte sich aus Standardsituationen einen 4:0-Sieg, während im Gegenzug die TSG zwei Elfmeter versemmelte. Fehlt als Gastgeschenk nur noch, dass wir dem SV einen Kasten Bier in die Kabine stellen resümierte anschließend TSG-Co-Trainer Peter Kovar.

Ehe das Tübinger Nachbarschaftsduell für 12 Jahre aus dem Punktspielbetrieb verschwand, verabschiedete sich die TSG mit einem 2:1 im Rückspiel vor 350 Zuschauern. Für die Mannschaft von Wolfram Bauer war der Erfolg vom 18. April 2004 darüberhinaus der erste Saisonsieg seit 7. September 2003. Trotz Rückstand - Kocher brachte den SV in der 52. Minute in Führung - bäumte sich die TSG noch auf. Sönmez Kaplan und Bodo Braun heißen die Torschützen des bis dato letztem TSG-Triumphes.

Für die Nulldreier wird es schwer, wie im Hinspiel jubeln zu dürfen. F: Kölmel
Für die Nulldreier wird es schwer, wie im Hinspiel jubeln zu dürfen. F: Kölmel

12 Jahre gingen ins Land, ehe beide Mannschaften wieder um Punkte stritten. Das Hinspiel entschied Aufsteiger SV 03 Tübingen durch Tore von Ersah Öztürk und Felix Müller mit 2:0 für sich. Für das Rückspiel am Sonntag hat die TSG eine Gewissheit: im 21. Jahrhundert hat noch keine Mannschaft beide Spiele in einer Saison gewonnen, so dass der SV - statistisch betrachtet - nur auf ein Unentschieden hoffen darf. Aber damit wäre man auf der gelb-roten Straßenseite beim Tabellenführer gewiss nicht unglücklich.

Nach 21 Punktspielen seit 1961 sieht es im Tübinger Derby folgendermaßen aus:

10 x siegte der SV 03
5 x jubelte die TSG
6 Partien endeten Unentschieden.

35:24 lautet die Torbilanz zugunsten des SV 03.

Aus Sicht der bisherigen 10 Heimspiele der TSG Tübingen ist die Bilanz dergestalt:

2 Siege, 3 Unentschieden, 5 Niederlagen; 12:19 Tore.

Aufrufe: 06.4.2017, 11:15 Uhr
Hansjürgen JablonskiAutor