Fünf Wochen lang ist der Fürther Fußballtrainer Toni Winkler mit seinem dreiköpfigen Team durch das Land gereist, das gerade dabei ist, in fußballerischer Hinsicht aufzurüsten. Die Chinese Super League, das Pendant zur deutschen Bundesliga, machte in den vergangenen Transferperioden vor allem durch die Verpflichtung von Stars auf sich aufmerksam.
Dabei gaben die Vereine im vergangenen Winter mehr Geld aus als die der englischen Premier League. „Da wird sich was tun“, weiß der 60-jährige Winkler und meint damit auch die erst im November beschlossene Kooperation zwischen dem Deutschen Fußballbund (DFB), der Deutschen Fußball- Liga (DFL) und dem Verband Chinas. Auch die deutsche und die chinesische Regierung haben sich auf eine Zusammenarbeit für die nächsten fünf Jahre geeinigt.
Dass gerade Winkler sich auf die Spuren des spannendsten Projekts in der momentanen Fußballwelt machen darf, ist seiner Vita geschuldet: Der gebürtige Wilhelmsdorfer gilt als absoluter Fachmann. Als Torhüter hatte er großen Anteil am Aufstieg des TSV Vestenbergsgreuth bis in die Bayernliga, saß beim 1.FC Nürnberg auf der Bank und ließ die aktive Karriere bei der SG Quelle Fürth ausklingen.
Als Trainer stand er beim BSC Erlangen, 1.SC Feucht und im Juniorenbereich der Sp Vgg Greuther Fürth an der Seitenlinie. Seine letzten beiden Stationen waren die Sportfreunde Laubendorf und die Frauenmannschaft des Kleeblatts. Derzeit ist er im „Bund deutscher Fußballlehrer“ und im Trainerstab der U16 der SpVgg.
Und nun war er für das „Deutsche Fußball-Internat“ in Bad Aibling (DFI) in China. Nach dieser Reise sieht er im Konstrukt der ersten chinesischen Liga lediglich „ein Geschäft“, das als Zugpferd zwar gut geeignet sei. „Für die Langfristigkeit benötigt man aber unbedingt eine Basis.“ An dieser Stelle setzt die Arbeit seines Teams an.
Der Fußball ist auch wegen des Engagements der Regierung an Kindergärten, Schulen und Universitäten angekommen. „Die Fußballbegeisterung ist durchaus zu spüren“, berichtet Winkler. Doch reicht die Begeisterung alleine nicht aus. Fehlende Infra- und Verbandsstrukturen sowie wenige Wettbewerbe sind die größten Probleme bei der Entstehung eines organisierten Fußballbetriebs in diesem riesigen Land. Zwar besäße nahezu jede Schule einen Fußballplatz, doch seien die nicht mit dem zu vergleichen, was hierzulande als Fußballplatz gilt.
„Ein Platz mit Rasen ist die Ausnahme – und dann ist das auch kein Rasen, wie wir ihn kennen. Die kunstrasenähnlichen Beläge sind hart wie Beton. Die Größe der Felder ist schlichtweg vom Platz abhängig, der zur Verfügung steht“, beschreibt Winkler. Zudem kämen einige Jugendliche mit Jeans zum Training, Umkleidekabinen seien oft nicht vorhanden. Als Schiedsrichter fungieren die Trainer, und Vereinsorganisationen seien ebenfalls nicht gegeben.
Das muss nicht überall so sein: Die Unterschiede innerhalb Chinas sind groß. Die Stadt Ürümqi mit 2,6 Millionen Einwohnern in der Provinz Xing Jiang im Nordwesten des Landes ist für Winkler und sein Team, das vor Ort ständig von Übersetzern begleitet wurde, ein positives Beispiel für die Entwicklung einer fußballerischen Infrastruktur.
„Dort haben wir noch relativ viel Struktur vorgefunden. Verbandsähnliche Organisationen und von Schulen veranstaltete Wettbewerbe im Jugendbereich beispielsweise“, sagt er und schränkt gleichzeitig ein. „Das ist nicht der Normalfall.“ Auch das sportliche Niveau ist für Winkler ausbaufähig. „Vereinzelt waren Jungs dabei, die es hier vielleicht in der Landesliga oder der Bayernliga schaffen würden.“
Auffällig sei gewesen, dass die Jugendlichen im technischen Bereich und der Ballbehandlung Anlagen gezeigt haben, die durchaus für eine „gute technische Grundausbildung“ sprechen. „Wo es erhebliche Probleme gibt, ist vor allem das taktische Verständnis – das geht gegen Null – oder beim Passspiel und beim Torabschluss“, schätzt er den fußballerischen Stand ein. Mit dem ersten Besuch in China solle neben dem sportlichen auch das organisatorische Wissen vermittelt werden.
„Es ging uns zunächst einfach darum, zu erklären, wie der Sport in Deutschland organisiert ist, und einen Überblick zu geben. Stützpunktsysteme, Verbandsstrukturen, Trainingsmethoden, Spieler- und Trainerausbildung – wir wollen unser theoretisches und praktisches Knowhow weitergeben“, fasst er die Arbeit vor Ort zusammen. Nicht zuletzt durch seine Tätigkeiten beim „Bund deutscher Fußball- Lehrer“ und am Nachwuchsleistungszentrum des Kleeblatts ist er mit den organisatorischen und didaktischen Entwicklungen im modernen Fußball vertraut.
Als Entwicklungshilfe möchte Winkler die Arbeit jedoch nicht verstanden wissen. Systeme seien nicht übertragbar – auch China müsse seinen eigenen Weg finden. „Dabei wollen wir einfach helfen.“ Hilfreich sei dabei, dass sich die chinesischen Verantwortlichen des eigenen, geringen Niveaus bewusst und für jede Information dankbar seien. „Der Weg in China ist grundsätzlich der richtige. Die Kombination aus Interesse, Begeisterung und der politischen und finanziellen Förderung ist eine gute Voraussetzung.“ Jener Besuch in China war für Winkler nur der Anfang. 2017 möchte der pensionierte Verwaltungswirt wieder dorthin reisen und die Zusammenarbeit stärken. „In einem zweiten Schritt soll es dann konkreter werden. Trainer- und Spielerausbildungen vor Ort, Kooperationsverträge und letztendlich auch das Scouting auf diesem neuen Markt werden in Zukunft in Angriff genommen“, blickt er voraus und freut sich auf die „beiderseitige Bereicherung, die die Sprache Fußball leisten kann“.