2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Einst Liga-Alltag, duelliert sich Kickers Offenbach aktuell nur in Freundschaftsspielen
Einst Liga-Alltag, duelliert sich Kickers Offenbach aktuell nur in Freundschaftsspielen

Thema ,"OFC-Insolvenz" soll vom Tisch

RL SÜDWEST: +++ Lauterbacher Dirk Lünzer in Verwaltungsrat der Offenbacher Kickers berufen +++ „Trage VfL Lauterbach immer im Herzen“ +++

Offenbach/Lauterbach. Eintracht Frankfurt ist die Nummer eins im hessischen Fußball, was sich nicht nur im aktuellen Höhenflug in der DFL-Bundesliga widerspiegelt. Die Frage nach der Nummer zwei ist schwieriger zu beantworten. Zwar stehen mit dem FSV Frankfurt und dem SV Wehen-Wiesbaden zwei Drittligisten sportlich über den Offenbacher Kickers, doch in der allgemeinen Wahrnehmung ist der ehemalige DFB-Pokalsieger noch immer die klare Nummer zwei im Hessenland. Auch im Vogelsberg erfreut sich der OFC großer Beliebtheit, was sich auch in der jüngsten Mitgliederversammlung des aktuell in der Regionalliga Südwest beheimateten Traditionsvereins zeigte. Karl Peppel aus Maar wurde für 40 Jahre Mitgliedschaft bei den Rot-Weißen geehrt – und mit Dirk Lünzer ein gebürtiger Lauterbacher in den Verwaltungsrat der Kickers aufgenommen.

Wir haben mit dem ehemaligen Vorsitzenden des VfL Lauterbach unter anderem über sein neues Ehrenamt geredet.

Herr Lünzer, Sie sind – neben Ulrich Bruns, Jörg Briel und dem Offenbacher Oberbürgermeister Horst Schneider – von der Mitgliederversammlung als neue Mitglieder in den Verwaltungsrat der Offenbacher Kickers berufen worden. Was hat Sie dazu bewogen, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen?

Durch meine persönliche Verbundenheit zu Markus Weidner, der seit einem Jahr Schatzmeister des OFC ist, hatte ich die Gelegenheit, die Arbeit des neuen Präsidiums kennenzulernen. Der Ansatz, den Verein komplett zu entschulden, neue greifende Strukturen im Geschäftsbetrieb zu implementieren und endlich Ruhe in das Umfeld zu bringen, hat mir imponiert. Durch meine Erfahrungen in der Vereinsarbeit, und besonders wohl durch meine Leidenschaft und Kompetenz im Bereich Fußball, wurde ich von den OFC-Verantwortlichen gebeten, mich einzubringen. Der Verwaltungsrat wird in Zukunft eng mit dem Präsidium zusammenarbeiten, eine große, aber auch spannende Aufgabe für uns alle. Es ehrt mich, dabei zu sein. Die Kickers sind einfach ein „verrückter“ Club mit einem gewaltigen Potenzial. Alleine die fantastische Fankultur und die Tradition der Kickers und des Bieberer Berges, um nur einige Dinge zu nennen, zeichnen den Verein aus wie kaum einen anderen.

Wie gestaltet sich diese Tätigkeit und was sind Ihre genauen Aufgaben, was sind die Herausforderungen?

Die genauen Aufgaben und Themenfelder im VR (Verwaltungsrat, Anm. d. Red.) werden erst in den kommenden Tagen gemeinsam mit dem Präsidium besprochen. Die finanzielle Situation des Vereins ist weiterhin prekär, aber es gab in den letzten Wochen sehr fruchtbare Gespräche mit Gläubigern. Wie auf der JHV (Jahreshauptversammlung) vergangenen Montag den Mitgliedern vorgestellt, haben wir jetzt die Möglichkeit, den Verein zu entschulden und Einigungen mit den Hauptgläubigern herbeizuführen. Neben dem Verzicht von einigen Gläubigern und dem finanziellen Engagement von Verantwortlichen, wurden nun auch die Mitglieder gebeten, einen „freiwilligen“ Teil dazuzugeben, um die aktuelle Aktion „Entschuldung JETZT“ erfolgreich werden zu lassen. Allein 48 Stunden nach dem Aufruf an der JHV kamen bereits 16 000 Euro an Spenden zusammen. Die Verantwortlichen sind guter Dinge, bald die Möglichkeit zu haben, ruhig und transparent arbeiten zu können, um das Thema „OFC-Insolvenz“ ein für alle Mal vom Tisch zu haben.

Der OFC ist durch den inzwischen zurückgezogenen Insolvenzantrag mit einer Neun-Punkte-Belastung in die Regionalliga-Saison gestartet: Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Saisonverlauf?

Der OFC hat eine junge, hungrige Truppe, bei der es richtig Spaß macht, sie spielen zu sehen. Olli Reck als Trainer macht einen super Job und ich bin mit dem sportlichen Verlauf der Saison zufrieden. Natürlich fehlt noch ab und an die Abgeklärtheit, die Cleverness, aber das ist bei einer so unerfahrenen Mannschaft völlig normal. Dafür geben sie niemals auf und sind bissig, das mag ich – und natürlich auch Tausende von Fans im Stadion oder am OFC-Fanradio. In der Halbzeitpause 0:2 hinten zu liegen (gegen Ulm vor zwei Wochen), um dann in der 91. Minute das 3:2-Siegtor durch einen Traumfreistoß zu schießen – genau das ist der OFC! Emotionen pur, da bebt der Berg! Wichtig ist es, frühzeitig nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Ich bin aber guter Dinge, dass am Ende dieser Saison ein Platz im oberen Drittel erreicht wird, um dann in Saison 2017/18 ganz oben anzugreifen.

Besteht die Hoffnung, dass der Neun-Punkte-Abzug „gelöscht“ wird?

Die Hoffnung ist selbstverständlich da, besonders, weil es durch den Rückzug der Insolvenz keine Rechtsgrundlage mehr für einen Neun-Punkte-Abzug gibt. Hier sind Rechtsspezialisten an der Reihe, dies genau zu prüfen. Es wird sich zeigen, inwieweit der Punktabzug gerechtfertigt ist oder ob sie uns wieder gutgeschrieben werden. Wann es da zu einer abschließenden Entscheidung kommt, kann ich aber nicht sagen.

Bis vor etwas mehr als anderthalb Jahren fungierten Sie als Vorsitzender des VfL Lauterbach, haben – gemeinsam mit Steffen Stenger – neben zahlreichen infrastrukturellen Dingen dafür gesorgt, dass dem LA-Turnier neues Leben eingehaucht wurde. Inwieweit verfolgen Sie noch das Geschehen bei Ihrem Heimatverein?

Wer mich kennt, der weiß, dass ich den VfL Lauterbach immer im Herzen trage. Selbstverständlich verfolge ich das Geschehen dort weiterhin und bin im Austausch mit einigen Vertrauten. Nachdem wir jahrelang daran gearbeitet haben, das Sportlerheim zu renovieren und behindertengerecht auszubauen, um es dann als zentrale Heimat des Gesamtvereins zu nutzen, tat es natürlich besonders weh, Bilder des ausgebrannten Sportlerheims zu sehen.

Wie bewerten Sie – mit entsprechendem zeitlichen Abstand – Ihren Rückzug und die Entwicklung des Vereins, der in der Vergangenheit über sehr viele Jahre vornehmlich durch Ihren Vater geprägt wurde?

Es steht mir nicht zu, als VfL-Mitglied öffentlich die Entwicklung des Vereins über den Zeitpunkt meiner Vorstandschaft hinaus zu bewerten. Der VfL war für mich immer mehr als nur die erste Fußballmannschaft, die sich gerade auf dem Weg Richtung Kreisoberliga befindet. Steffen Stenger und ich haben in 2009 den Verein übernommen und maßgebliche positive Veränderungen herbeigeführt. Uns war es immer wichtig, den Verein langfristig auf gesunde Füße zu stellen, und einer der aktivsten Vereine der Region zu sein. Das ist uns recht gut gelungen: Neben der Neuausrichtung des LA-Turniers, dem Umbau des Sportlerheims, den neuen Verträgen mit der Stadt Lauterbach und der Etablierung der Behindertensportgruppe, haben wir Meilensteine gesetzt für die Zukunft. Das ist alles, was zu tun war, und wir sind stolz drauf, auch wenn es unglaubliche, persönliche Ressourcen in Anspruch nahm. Die Basis wurde somit gelegt und es besteht jetzt die Option für unsere Nachfolger, dort anzuknüpfen. Mit etwas Abstand bin ich dankbar dafür, dass auch ich, so wie es Familientradition im Hause Lünzer ist, dem Verein für mehrere Jahre etwas zurückgeben konnte. Ich freue mich schon jetzt auf die VfL-Festwoche und vielleicht auf ein großartiges Fußballspiel im Rahmen des anstehenden 100-jährigen Jubiläums des Vereins in 2019, bei dem ich gerne als Gast dabei sein werde.



Aufrufe: 08.11.2016, 08:00 Uhr
Kai Kopf (Lauterbacher Anzeiger)Autor