2024-05-02T16:12:49.858Z

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Die Truppe des SV Sulzburg ist aller Niederlagen zum Trotz ein eingeschworener Haufen. | Foto: Matthias Konzok
Die Truppe des SV Sulzburg ist aller Niederlagen zum Trotz ein eingeschworener Haufen. | Foto: Matthias Konzok

SV Sulzburg ist Südbadens erfolgloseste Fußballmannschaft

Niederlagenserie bedroht nicht die Existenz +++ Großer Zusammenhalt im Team +++ Seit eineinhalb Jahren keinen Punkt

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Chronische Erfolglosigkeit begleitet sie, die Fußballer des SV Sulzburg. Seit fast eineinhalb Jahren hat die Mannschaft in der untersten Spielklasse, der Kreisliga B, keinen einzigen Punkt mehr geholt. Sulzburg hat die zweifelhafte Ehre, unter der längsten Durststrecke im südbadischen Fußball zu leiden. Doch während andernorts solch eine Bilanz womöglich die Existenz des Vereins bedrohen würde, zeichnet sich beim SVS ein überraschendes Bild: Die Stimmung in der Mannschaft ist gut – und lockt sogar andere Spieler an.

Es ist ein sonniger Herbstsonntag in Sulzburg. Die fast kahlen Laubbäume werfen ihre Schatten auf den Rasen. Wanderer genießen das kleine, ruhige Idyll im Sulzbachtal. Plötzlich brüllt es über den Platz: „Jawohl, gut so!“ Kevin Boehringer feuert seine Teamkollegen an. Es läuft die 88. Minute und der SV Sulzburg liegt mit 1:3 gegen die SpVgg. Untermünstertal II zurück. Für das Schlusslicht ist die Partie verloren, zu dominant sind die Gäste geworden. Auch im elften Saisonspiel geht der SVS leer aus. Auch gegen den Vorletzten ist ein Punktgewinn am Ende nicht drin. Frust? Ärger? Nein. Stattdessen treibt Verteidiger Boehringer seine Teamkollegen weiter an, feiert sie ab – für eine erfolgreiche Grätsche.

Das Wort "aufgeben" existiert nicht

Das Wort „aufgeben“ ist im Sulzburger Sprachschatz nicht vorhanden. Auch nach 37 Spielen nicht. 37 Niederlagen am Stück. Der letzte Punktgewinn datiert vom 1. Juni 2014, ein 4:0-Erfolg zum Saisonabschluss über den FC Steinenstadt. Seitdem steigt in Sulzburg nur eines: das Gegentorkonto.

„Es macht Spaß“, sagt Steffen Keller nach dem Schlusspfiff gegen Untermünstertal. Spaß? Aus dem Munde eines der Sulzburger Torhüter? Spaß, nachdem die Mannschaft zuvor in fünf Spielen 45 Gegentore kassiert hat? „Die Mannschaft hält zusammen, egal wie es steht“, erklärt der 18-Jährige. Sein Bruder, der andernorts kickt, hat ihn schon mal gefragt: „Warum machst du das?“ Keller erklärt, dass ihm die Mannschaft in Sulzburg besser liege. Der Druck, jedes Mal gewinnen zu müssen, sei nicht da. Stattdessen rückt für Keller ein weitaus wichtigerer Aspekt in den Vordergrund: „Es ist der Spaß am Spiel, das Gemeinschaftsgefühl.“

Kameradschaft und Zusammenhalt zeichnen das Team aus

Keller bringt den besonderen Geist beim SVS auf den Punkt. Das bestätigen auch Andreas Köhler und Luciano Sverko. Die beiden stehen an der Spitze des Vereinsvorstandes. Kameradschaft und Zusammenhalt zeichne das Team aus. „Sonst hätten wir das nicht eineinhalb Jahre durchgehalten“, sagt Köhler, erster Präsident. Auch die funktionierende Vorstandschaft ist ein weiterer Faktor. Die Trainingsbeteiligung beim B-Ligisten ist hoch, von 16 Spielern berichtet Köhler. Eine Quote, auf die manch anderer Klub neidisch wäre. Auch drei Flüchtlinge konnte der Verein in die Mannschaft integrieren. Die ausgezeichnete Kameradschaft hält nicht nur den Laden zusammen, sie dient auch als Werbemittel. Eigene Akteure erzählen Fußballern von der besonderen Gemeinschaft. Das überzeugt. „Es kommen sogar Spieler zu uns in Probetraining“, ist auch Vizepräsident Sverko durchaus erstaunt. Kürzlich waren zwei Akteure beim SVS, die aus dem höherklassigen Bereich kommen. An Masse fehlt es dem SV Sulzburg nicht, trotz ausbleibenden Erfolgs. Schrauben müssen die Verantwortlichen letztlich an der Qualität.

Keine einfache Aufgabe für die Verantwortlichen, die ihrem Klub die Treue halten. „Ich war dabei, als es gut gelaufen ist. Dann gehe ich jetzt auch nicht von Bord“, sagt Köhler. „Ich bin überzeugt, dass auch wieder bessere Zeiten kommen.“ Derzeit spürt der SVS auch die geburtenschwachen Jahrgänge, zudem kommen die guten Nachwuchsspieler nicht direkt nach Sulzburg zurück. In der E-Jugend stellt der Verein noch eine eigene Mannschaft, ab der C-Jugend ist er in einer Spielgemeinschaft mit dem SV Ballrechten-Dottingen und dem Staufener SC organisiert. Beide Klubs sind im Aktivenbereich höher angesiedelt als Sulzburg, sind zunächst reizvoller für die jungen Talente, die sich dort beweisen möchten. Obgleich Köhler die gute Zusammenarbeit in der Spielgemeinschaft betont.

„Wir lassen den Verein nicht untergehen.“ Trainer Ingo Füchter

Die Infrastruktur spielt beim SVS auch eine Rolle. Neben dem Rasenplatz gibt es nur einen schmalen Streifen Hartplatz. Rings um Sulzburg sprießen hingegen Kunstrasenplätze aus dem Boden. Das kann heutzutage schon bei den jüngsten Kickern den Ausschlag geben, während früher der Zuspruch zum eigenen Klub noch größer war. „Es sind nicht die besten Voraussetzungen“, weiß auch Ingo Füchter. Erst in der vergangenen Woche hat er den Trainerposten beim SV Sulzburg übernommen. „Aber mit diesen Verhältnissen gab es hier ja auch schon bessere Jahre“, will er den Misserfolg nicht an der Infrastruktur festmachen. 2000 und 2006 stieg Sulzburg in die Kreisliga A auf, erreichte sogar das Bezirkspokalfinale. Füchter war dabei. Nun betreut er die erste Mannschaft. Es gibt leichtere Aufgaben. „Wir lassen den Verein nicht untergehen“, sagt er und zeigt sich kämpferisch.

Der Weg zurück zum Erfolg könnte schnell bewältigt werden – nehme man Geld in die Hand. „Wir investieren aber nicht in die Mannschaft“, stellt Sverko klar. Und Köhler ergänzt: „Wir fahren ganz gut so. Der Verein steht auf gesunden Füßen.“ Gekaufter Erfolg wäre nicht nachhaltig und würde dem SV Sulzburg seinem Herzen berauben: Die Kameradschaft ginge kaputt. Sie ist aber nicht nur auf dem Platz die Lebensgrundlage. Mit vier, fünf Festivitäten im Jahr finanziert der Verein seinen Spielbetrieb – beispielsweiseallen voran die kostenintensive Rasenpflege. „Da helfen die Jungs und Trainer alle mit“, lobt Köhler.

Hohe Trainingsbeteiligung trotz fehlenden sportlichen Erfolgs

Beeindruckt ist auch Füchter von seiner Truppe. „Ich muss vor ihr den Hut ziehen.“ Die Trainingsbeteiligung ist hoch, die Spieler diszipliniert. Nun will Füchter Grundordnung reinbringen und langfristig eine Mannschaft entwickeln, die im Mittelfeld der Kreisliga B spielen kann. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Torhüter Keller beginnt dabei jede Partie mit demselben Ziel: zu Null spielen. Bei allem Spaß – der Ehrgeiz ist vorhanden. Dass die Sulzburger Torhüter besonders im Fokus stehen, ist ihm sogar recht. „Mir persönlich macht es Spaß. Man ist im Spiel drin und steht nicht nur hinten drin“, freut er sich über die Beschäftigung.

Es ist auch diese Einstellung, die dem SV Sulzburg die Bewunderung anderer Mannschaften beschert. Tapfer kämpfend, nie aufgebend. Auch gegen Untermünstertal liefert die Elf einen leidenschaftlichen Auftritt ab, verliert dabei jedoch nie ihre ganz eigene Art und Weise. Gegenseitige Beleidigungen, weil es nicht läuft? Fehlanzeige. Sie schreien sich nicht an, sie feuern sich an. Immer wieder muntern sie sich gegenseitig auf, auch wenn die Kräfte schwinden. Eine eingeschworene Einheit.

„Der SV Sulzburg lebt“, blickt Köhler zufrieden drein. Der Verein lebt dabei nicht vom Erfolg, sondern von seiner Gemeinschaft. Und so werden sich die Mannen auch beim nächsten Spiel bei der SpVgg. Buggingen/Seefelden wieder in jeden Schuss werfen und grätschen, egal wie es steht.

Aufrufe: 010.11.2015, 16:50 Uhr
Matthias Konzok (BZ)Autor