2024-04-25T14:35:39.956Z

Ligabericht
Die Fans feiern ihren Kapitän Martin Wagner (mit Söhnchen Leo auf dem Arm). Fotos: Doris Leißing
Die Fans feiern ihren Kapitän Martin Wagner (mit Söhnchen Leo auf dem Arm). Fotos: Doris Leißing

Der Emsland-Messi steht in der 3. Liga

Der Abbacher Martin Wagner klettert mit Meppen nach oben. Mannheim-Fans rufen Polizei und Wasserwerfer auf den Plan.

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Die „schlimmsten 120 Minuten in meinem Fußballleben“ endeten für Martin Wagner mit der Erfüllung eines Traums. „Ich stehe mit meinem Verein in der 3. Liga“, jubelt der Bad Abbacher Kicker des SV Meppen. Mit einem 4:3 (0:0) im Elfmeterschießen über Waldhof Mannheim rücken die Emsländer in den Bezahlfußball hoch. Ihr Kapitän Wagner musste im entscheidenden Spiel wegen einer Sperre zugucken, hatte seine Teamkollegen mit einer Kabinenansprache vor der Partie aber gepusht.

„Ich gehe mit meinem Team als Kapitän in die 3. Liga – Wahnsinn!“ Martin Wagner

Was seit Mittwochabend in Meppen los ist, lässt sich ein wenig mit der Euphorie um den Zweitliga-Aufstieg des SSV Jahn Regensburg vergleichen. Am Tag nach dem Rückspiel gegen Mannheim fuhren die Spieler in einem Autokorso vom Stadion zum Marktplatz. Der Bürgermeister bat zum Eintrag ins Goldene Buch und dann gab’s Party, Party, Party. „Am Freitag fliegen wir alle für zwei Tage auf Mallorca“, sagte Wagner unserem Medienhaus kurz vor der Abreise.


Mitspieler gingen im Trubel verloren

Schon die Nacht nach der Entscheidung war „verdammt kurz“, so der Abbacher, der im Aufstiegsgetümmel mit Fans auf dem Rasen einzelne Mitspieler gar nicht wieder fand. „Es waren knapp 14000 Zuschauer dabei. Ich weiß nicht, wie viele voller Begeisterung auf den Platz gestürmt sind.“ Die Mannheimer Anhänger sorgten derweil für einen Einsatz einer Hundertschaft an Polizei. Sie wollten über den Zaun klettern. Die Einsatzkräfte brachten einen Wasserwerfer in Stellung. „Es war schon ein bisschen komisch, das zu sehen. Aber es beruhigte sich nach dem Aufmarsch der Polizisten rasch.“ Der Wasserwerfer konnte unverrichteter Dinge abziehen.

Bis es mit der Party losging, erlebten Zuschauer und die beiden Teams ein dramatisches Spiel. Nach einem 0:0 auswärts in Mannheim wollten auch im Rückspiel in Meppen keine Tore fallen. Zwar waren einige Chancen gegeben, unter anderem hatte der frühere SSV Jahn-Profi Francky Sembolo zwei Gelegenheiten für die Gastgeber, doch nach der regulären Spielzeit und auch nach 30 Minuten Verlängerung hatte die Nullnummer Bestand. „Während des ganzen Spiels draußen zu sitzen, war eine einzige Qual. Du kannst nichts machen“, sagt Wagner, der sich mit Gelb-Rot (45.) in Mannheim aus der Relegation verabschiedet hatte. „Ich habe mit vielen Leuten gesprochen. Auch der Kapitän der Waldhöfer, Michael Fink, meinte, dass die Entscheidung zu hart war. Ich ging beim zweiten Foul sicher ein bisschen übermotiviert zur Sache. Aber eine Verwarnung hätte es auch getan.“ In jedem Fall könne eine solche Entscheidung „eine ganze Saison kaputt machen“, sinniert der Abbacher. Die „dumme“ Relegation nach einem souveränen Meistertitel in der Regionalliga Nord stieß bei Wagner ohnehin auf wenig Gegenliebe.

„Teams wie Jahn und Lotte zeigen mit ihrem Zusammenhalt, was möglich ist.“ Martin Wagner

Das 0:0 nach 120 Minuten war erst der Aufgalopp zum eigentlichen Drama. Denn es ging ins Elfmeterschießen. Die ersten beiden Schützen beider Teams verwandelten. Dann verschoss Meppens David Vrzogic. Aber auch der nächste Waldhöfer vergab. Nach einem fehlerfreien Durchgang beider Lager legte Mirco Born für Meppen wieder vor – und der eingewechselte Sebastian Gärtner scheiterte am Pfosten. „Bei aller Freude tut es mir für meinen Ex-Verein Mannheim leid. Der Klub ist zum zweiten Mal in Folge in dieser Relegation rausgeflogen“, konnte Wagner die Enttäuschung seiner früheren Kollegen nachvollziehen.


Maradonna kickte in Meppen

Dass ein Elferschießen mit Glück verbunden sei, wollte der Abbacher nicht in Abrede stellen. „Aber wir haben uns in der Summe der beiden Spiele behauptet und das zählt.“ Wagners Ansprache vor dem Rückspiel an seine Kollegen war emotional. „Ich wollte den Jungs mit auf den Weg geben, dass wir es schaffen können, wenn wir die richtige Einstellung zeigen.“ Ein wenig Urlaub gönnt sich der Mittelfeldspieler, aber bald wird er sich wieder an seinem Ausbildungsplatz zum Industriekaufmann bei der Firma Barlage einfinden. „Mein Job geht weiter, auch in der 3. Liga.“ Dass er nach nun zwölf Jahren Fußballer-Laufbahn im dritten Oberhaus steht, „ist unglaublich, unbeschreiblich“. Der 30-jährige Kicker zählt schon ein gutes Dutzend Einsätze in der Drittklassigkeit, damals war es mit Hessen Kassel aber die Regionalliga. „Ich bin zuversichtlich, dass wir bestehen können. Wir sind als Team eine Einheit, ähnlich wie der Jahn oder Lotte. Unsere Mannschaft hat Qualität, sicher brauchen wir noch die eine oder andere Verstärkung.“ Mirco Born (Sandhausen) und Keeper Benjamin Gommert (Lübeck) verlassen den Verein.

Mitte Juni wird der Aufsteiger in die Vorbereitung zur 3. Liga gehen. „Wir sind zurück auf der großen Bühne“, so Wagner. Zuletzt kickte Meppen vor 17 Jahren drittklassig. Der Verein hat reiche Tradition, im Stadion spielte vor 35 Jahren der große Diego Maradonna, es war seiner erster Auftritt mit dem FC Barcelona überhaupt. Einen Maradonna haben sie nicht in Meppen, aber einen Emsland-Messi. „Bald führe ich mein Team als Kapitän in die 3. Liga – ein Wahnsinn!“

Aufrufe: 03.6.2017, 09:00 Uhr
Martin RutrechtAutor