2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
„Ein bisschen Erholung“ wünscht sich Axel Siefert. Nach der Saison. Vorher will er nicht absteigen. | Foto: Patrick Seeger
„Ein bisschen Erholung“ wünscht sich Axel Siefert. Nach der Saison. Vorher will er nicht absteigen. | Foto: Patrick Seeger

Axel Siefert hört am Saisonende in Endingen auf - warum?

Nach sieben Jahren als Rampensau vom Kaiserstuhl hört Trainer Axel Siefert zum Saisonende beim SV Endingen auf – warum?

Nach sieben Jahren als Rampensau vom Kaiserstuhl hört Trainer Axel Siefert zum Saisonende beim SV Endingen auf – warum?
Axel Siefert ist ja nicht auf den Mund gefallen. Und deshalb wirkt die Sprechpause, die der Trainer des Verbandsligisten SV Endingen nun schon eine kleine Ewigkeit hält, umso eindrucksvoller. Dabei ist die Einstiegsfrage an diesem Morgen in einem Teninger Café ebenso simpel wie vorhersehbar: „Warum hören sie nach sieben Jahren im Erle zum Saisonende auf, Herr Siefert?“

Warum? Siefert windet sich, seine Stirn zieht Wellenlinien. Es arbeitet in ihm wie in einer Sprudelflasche, die vor dem Öffnen noch mal durchgeschüttelt wurde. Er will jetzt nichts Falsches sagen, weder über die Spieler, noch über die Verantwortlichen des SVE, den Siefert später als „gesund und administrativ sehr gut geführt“ bezeichnet. Siefert hat im Erle viel bewegt, besser, viel bewegen müssen. Und genau damit fängt das Problem an.

„Ich war sehr lange Alleinunterhalter hier“, sagt Siefert. Eben nicht nur Trainer, auch Geldbeschaffer und sportlicher Leiter. Der Chef einer in Ettenheim ansässigen Spezialreinigungsfirma mit 200 Mitarbeitern, obendrein Vater von drei Töchtern im Alter zwischen 10 und 19 Jahren, verzehrte sich für sein Baby SVE. Siefert steckte Etatrahmen und Aufwandsentschädigungen für die erste Mannschaft ab, er führte die Personalgespräche, holte Zugänge, warb um das Bleiben von Leistungsträgern und legte anderen einen Wechsel nahe. Siefert übernahm Vorstandsaufgaben, weil der Posten im Spielausschuss entweder unbesetzt war oder von Leuten mit wenig Präsenzzeit auf dem Fußballplatz bekleidet wurde. „Diese megawichtige Position hat im Verein immer gefehlt“, sagt Siefert.

Was die Situation zusätzlich erschwert, ist „das Mentalitätsproblem bei den Jungen“, wie es Siefert ausdrückt. Er gibt zu, dass er von der Einstellung mancher Spieler in vielen Momenten dieser Spielzeit enttäuscht war. „Da fehlt’s vorne und hinten. Ein Großteil der Mannschaft verhält sich nicht so, wie es der Leistungsbereich Verbandsliga einfordert.“ Wenn für den Geburtstag der Freundin das Training sausen gelassen wird, einer fast eine Woche fehlt, weil er zu einem Spiel des FC Bayern nach München fährt, ist das mit Sieferts Selbstverständnis in der Mannschaftssportart Fußball nicht vereinbar. Klar, Schule und Beruf hätten bei Amateuren immer Vorrang. „Doch die Identifikation mit dem Sport und dem Verein stimmt zum Großteil nicht mehr“, hat der 47-jährige A-Lizenz-Trainer erkannt.

So kam eins zum anderen. Weil Vertragsgespräche an ihm hängen blieben, hätte er zu vielen Spielern sagen müssen, dass es nicht mehr geht in der kommenden Runde. Siefert rang mit sich, diskutierte mit seiner fußballverrückten Familie und entschloss sich Mitte März, sein Amt im Erle zum Saisonende zu räumen.

Sehr, sehr schwer sei ihm das gefallen. Der Verein ist ihm ans Herz gewachsen. Als Siefert 2010 vom FV Herbolzheim an den Kaiserstuhl kam, fand er einen „Riesenjahrgang mit vielen eigenen Spielern auf Verbandsliga-Niveau“ vor. Auf Anhieb glückte als Landesligameister der Aufstieg in die Verbandsliga, in dem die Endinger nur einmal (Zehnter 2014/15) nicht auf einem einstelligen Tabellenplatz landeten. „Ich musste anfangs nur Kleinigkeiten korrigieren, weil die Grundlagen schon da waren“, erinnert sich Siefert.

Das ist in dieser Runde ganz anders. Als 13. rangiert der SVE nur drei Punkte und zwei Plätze vor einem möglichen Abstiegsrang. Obwohl ein hammerharter April mit sieben Spielen in vier Wochen vor der Siefert-Elf liegt, obwohl am Samstag Titelkandidat Freiburger FC ins Erle kommt, am nächsten Mittwoch der Kaiserstuhl-Kracher im Pokal beim Bahlinger SC wartet und vier Tage später der schwere Gang zum Tabellenführer FC Denzlingen bevorsteht, bleibt der Coach optimistisch: „Wir werden den Klassenerhalt schaffen.“ Erfolgsgaranten wie Kapitän Philipp Hensle und Florian Metzinger sind wieder im Training. Und die zwei vergangenen Wochenenden ohne Pflichtspiel hätte seine Mannschaft für intensive Athletik-Einheiten genutzt. „Für uns war die spielfreie Zeit positiv“, so Siefert.

Während sein Nachfolger Bernd Lupfer schon eifrig am Endinger Kader für die nächste Saison bastelt, gibt Siefert im Hier und Jetzt Vollgas – bis zum letzten Verbandsliga-Spieltag am 20. Mai oder maximal dem südbadischen Pokalfinale fünf Tage später. Dann wird Siefert erst mal keine Vereinsmannschaft übernehmen. Nach rund 1000 Pflichtspielen in 30 Jahren bei den Aktiven braucht der gebürtige Lahrer, der im Mahlberger Ortsteil Orschweier wohnt, ein wenig Abstand, „ein bisschen Erholung, um den Akku wieder aufzuladen“, sagt er.

Einen Job als Scout kann sich Siefert gut vorstellen, vielleicht peilt er auch die Ausbildung zum Fußballlehrer an, der höchsten Trainerqualifikation im deutschen Fußball. So oder so. Die Sache mit dem runden Ball auf grünem Rechteck lässt ihn nicht los, allerdings bis auf Weiteres nicht als Rampensau zwischen Spielfeldrand, Kabinentrakt und Vereinsheim. Der dienstälteste Verbandsligatrainer wird sich an eine neue Rolle gewöhnen müssen: vom Alleinunterhalter im Erletal zum Alleinsein als stiller Beobachter.
Aufrufe: 030.3.2017, 21:05 Uhr
Matthias Kaufhold (BZ)Autor