2024-05-17T14:19:24.476Z

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Fußball verbindet: Torwart Rudin Corbaxhi (mit Handschuhen) und Adamou Cissé (Vierter von links) im Kreise der Mannschaft des SV Viktoria Ahlen-Steinbild. Foto: Dirk Hellmers
Fußball verbindet: Torwart Rudin Corbaxhi (mit Handschuhen) und Adamou Cissé (Vierter von links) im Kreise der Mannschaft des SV Viktoria Ahlen-Steinbild. Foto: Dirk Hellmers

SV Ahlen-Steinbild hilft Flüchtlingen bei Integration

Training als Deutschstunde

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Kluse. Der SV Viktoria Ahlen-Steinbild hat zur neuen Saison Zuwachs erhalten. Die Sportler haben sechs Flüchtlinge aufgenommen. Bei dem Fußball-Trio hat es mittlerweile den Segen vom Niedersächsischen Fußball-Verband (NFV) in Form einer Spielberechtigung gegeben.

,,Ich wollte wieder Fußball spielen", sagt Rudin Corbaxhi. Gleich am zweiten Tag nach seiner Ankunft im Mai lief der Albaner zum Sportplatz. Er stand ohne Schuhe am Zaun und beobachte das Treiben auf dem Rasen.

Der erste Schritt war schnell getan. Torwart-Trainer Wolfgang Buehring holte ihn auf den Platz. ,,Unabhängig davon, ob sie nachher bleiben dürfen oder nicht, so lange sie hier sind, müssen wir uns um sie kümmern", sagt Buehring.

Corbaxhi entpuppte sich als Torhüter - ein Glücksfall für den Verein. ,,Bei uns im Verein streiten die sich sogar schon um ihn", verweist Buehring auf den personellen Notstand zwischen den Pfosten. Der Albaner, der in Griechenland studierte und von dort nach Deutschland floh, spielt in offiziellen Partien der 2. Mannschaft (4. Kreisklasse) und hilft bei den Alten Herren aus.

Ganze Familie im Verein

Fußballschuhe hat er mittlerweile auch. ,,Wenn was fehlt, dann fragen wir im Verein", sagt Buehring. Gerne erzählt er dabei die Geschichte einer anderen albanischen Flüchtlingsfamilie, die ebenfalls in Kluse lebt. Für die neunjährige Tochter haben die Mitglieder des Vereins eine Geburtstagsfeier organisiert. ,,Die Frauen haben Torten gebacken und die Kinder haben Geschenke mitgebracht." Ob die Präsente gebraucht oder neu waren - das sei erst mal egal gewesen. ,,Das Mädchen ist mit nur einem Teddy hier angekommen".

Auch sie und ihre Eltern wurden im Sportverein aufgenommen. Mutter und Tochter gehen gemeinsam zum Zumba. Der Vater hilft als Übungsleiter beim Tischtennis. Die Tochter wird von Marianne Kruth-Heege regelmäßig zur Leichtathletik-Trainingsstunde mit nach Dörpen genommen. Dort hat die Viktoria eine Spielgemeinschaft mit Blau-Weiß Dörpen. ,,SV steht für Sportverein und nicht nur für Fußball", sagt Buehring.

Jeden Tag fünf neue Wörter

Für die neuen Bewohner des Ortes ist der Sportverein auch eine Chance. ,,Wir können hier Deutsch sprechen", sagt Adamou Cissé. Der 44-Jährige von der Elfenbeinküste ist bereits seit 2012 in Deutschland. Er hat mittlerweile in Bremen geheiratet, wird das Emsland bald verlassen und zu seiner Frau in die Hansestadt ziehen - und darf in Deutschland bleiben.

Solange Cissé noch da ist, hilft er dabei, Hamad Mahjub und Hassan Hussein zu integrieren. Beide kommen aus dem Sudan und sind erst seit wenigen Monaten im Ort. ,,Ich habe damals jeden Morgen fünf neue Worte gelernt, das sind 150 im Monat", sagt Cissé. Wenn das Trio nun untereinander spricht, soll deutsch geredet werden.

Im Verein fühlen sie sich mittlerweile gut aufgenommen, sehen sich als Teil der Mannschaft. ,,Wir waren sogar mit beim Schützenfest", sagt Cissé. Nur, wenn sie raus gehen und sich unter die Deutschen mischen, würde die Integration klappen, sagt der Ivorer.

Kommunikation beim Fußball klappt

Heiner Pieper, Spielführer der ersten Herrenfußballmannschaft, sieht keine Probleme mit den Neuankömmlingen. ,,Beim Training ist es gut, wenn wir ein paar mehr sind", sagt er. Beim Fußball gebe es keine Sprache. Allerdings sei es auch manchmal bei taktischen Übungen nicht ganz so leicht - wenn es beispielsweise um neue Spielzüge geht. Aber jede weitere Trainingseinheit ist zugleich Sprachunterricht. Zusätzlich besuchen die Neu-Emsländer in Papenburg einen Sprachkursus des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Es gibt auch Schattenseiten

Aber nicht alles ist so unproblematisch, wie es auf dem Fußballplatz geschildert wird. Vor ein paar Wochen hatte ein Asylbewerber in Kluse einen Landsmann mit einem Messer verletzt . ,,Zu dem hatten wir nie Kontakt", sagt Buehring. Nicht immer reiche ein Ball aus, um eine Verbindung aufzubauen.

Eine weitere Schwierigkeit sei, dass die einheimischen Sportler selbst bislang noch keine Erfahrung mit der Integration und den Behörden haben. ,,Wir sind selbst noch in der Lernphase." Buehrings Wunsch wäre ein kleines Heftchen - am besten in deutsch und in der Landesprache der Flüchtlinge, in denen die wichtigsten Infos stehen.

Zum Beispiel die Beantragung der Spielerpässe hätte anfangs wegen sprachlicher Barrieren für Verzweiflung gesorgt. Im zweiten Anlauf mit mehr Informationen ging dann alles problemlos innerhalb von zwei Wochen beim NFV über die Bühne. Unterstützung gibt es auch beim Kreissportbund. ,,Aber wir mussten uns die Infos zusammentragen", klagt Buehring, auch wenn sämtliche Behörden hilfsbereit gewesen seien.

Stören würden ihn viele Kleinigkeiten. ,,Woher bekommt man Übersetzer?", fragt Buehring. Das Problem habe er bei einem Arztbesuch mit einer Flüchtlingsfrau gehabt. Die Behandlung sei an der fehlenden Kommunikation fast gescheitert.

Deshalb und wegen der Perspektive will Rudin Corbaxhi so schnell wie möglich die deutsche Sprache lernen. ,,Nur wenn ich deutsch kann, kriege ich hier eine Arbeit", weiß er. Sein Abschluss als Bauingenieur ist hier nicht gültig. Von seinem wenigen Geld zahlt er jeden Monat eine Busfahrkarte, um zu den Deutschkursen des DRK zu kommen. Ob er dauerhaft bleiben darf, steht in den Sternen.

Aufrufe: 021.8.2015, 08:40 Uhr
Ems-Zeitung/Dirk HellmersAutor