2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Tomasz  Kaczmarek will die Kickers wieder zu einer guten Adresse machen. Pressefoto Baumann
Tomasz Kaczmarek will die Kickers wieder zu einer guten Adresse machen. Pressefoto Baumann

Stuttgarter Kickers: „Die Zeit in Ägypten hat mich geprägt“

Kickers-Trainer Kaczmarek im Interview

Der neue Kickers-Coach Tomasz Kaczmarek ist noch ein relativ unbekanntes Gesicht, aber das könnte sich ändern – bei der Vita des erst 32-Jährigen.

Die Stuttgarter Kickers haben einen neuen Trainer: Tomasz Kaczmarek ist noch ein relativ unbekanntes Gesicht, aber das könnte sich ändern – bei der Vita des erst 32-Jährigen. Der sagt: „Ich bin auch bereit, Risiken einzugehen.“

Herr Kaczmarek, die Schwaben gelten als bodenständiges Völkchen. Glauben Sie denn, dass Sie hierher passen? Tomasz Kaczmarek: Ja, das glaube ich schon. Ich komme aus einer großen Familie mit vier Geschwistern. Ich habe mich im Vorfeld bereits viel mit dem Kickers und den Werten des Vereins auseinander gesetzt und kann mich damit gut identifizieren.
Die Frage kam deshalb, weil Sie in Ihren jungen Jahren schon viel herumgekommen sind im Fußball – und fast einen kleinen Weltenbummler abgegeben haben.
Kaczmarek: Ich war als junger Trainer eben immer für vieles offen, es war letztlich die Herausforderung, die mich mit auf die Reise genommen hat. So hat sich die Sache mit Ägypten ergeben und später in Norwegen. Ich bin schon jemand, der bereit ist, Erfahrungen zu sammeln und Risiken einzugehen. Aber die Motivation bei meinem Werdegang lag immer in der sportlichen Aufgabe – und das ist letztlich auch der Grund, warum ich hier in Stuttgart bin.

Sie haben im Ausland lange mit dem ehemaligen US-Nationalcoach Bob Bradley zusammengearbeitet. Können Sie kurz erklären, wie es dazu kam? Kaczmarek: Ich habe an der Sporthochschule in Köln studiert und dann meine Diplomarbeit in Los Angeles bei Mark Verstegen, dem einstigen Fitnesstrainer der deutschen Nationalmannschaft, geschrieben. Und Bob war zu der Zeit Nationaltrainer der USA und quasi im Büro neben uns. Ich habe sehr schnell einen guten Draht zu ihm gefunden, und er hat mich damals zu den ersten Länderspielen mit den USA eingeladen. Der Kontakt ist auch in Deutschland immer erhalten geblieben.
Wie muss man sich das vorstellen?
Kaczmarek: Sein Sohn Michael spielte in Mönchengladbach, ich wohnte in Köln. Er kam hierher auf seinen Europareisen, um sich auf die WM 2010 vorzubereiten und Spieler zu beobachten. Dabei habe ich ihn immer mal unterstützt. Und als er dann in Ägypten anfing, hat er jemand gesucht, der in der Lage war, mehrere Facetten dieses Jobs abzudecken – so kam es zu der Zusammenarbeit. Und weil die sehr, sehr gut lief, bin ich eben auch auf die nächste Station nach Norwegen mitgegangen. Jetzt ist er bei Swansea.

Und Sie nicht? Kaczmarek: Es ist einfach so, dass ich vor zwei Jahren in Norwegen aus dem laufenden Vertrag ausgestiegen war, weil ich bei Viktoria Köln die Chance bekam, meine erste Cheftrainerstation zu übernehmen. Ich hatte mit Bob immer die Absprache, dass ich irgendwann in dieser Rolle landen möchte.

Sie sind 32, da stehen viele andere noch selbst auf dem Platz. Hat Sie eine Profi-Laufbahn als Spieler nicht gereizt?
Kaczmarek: Ich habe als junger Spieler rasch gemerkt habe, dass ich wohl als Trainer eine bessere Perspektive habe. Ich bin auch nicht der geduldigste Mensch, um mich allzu lange im Amateurbereich rumzutreiben. Ich habe mit Anfang 18 meine erste Mannschaft trainiert, das war noch parallel zu meiner Spielerlaufbahn, und habe immer das Gefühl gehabt, dass das eine Aufgabe ist, in der ich aufgehe und die für mich auch eine Perspektive hat. Also habe ich mit 23 Jahren die U 19 bei Viktoria Köln übernommen.

Bei der Viktoria hat zuletzt der Chef, Franz-Josef Wernze, gesagt, dass der Club Sie irgendwann nicht mehr halten kann, weil Sie einen Bundesligisten trainieren. Ist das auch Ihr Fernziel? Kaczmarek: Ich bin keiner, der mit langfristigen Zielen arbeitet, ich will jede Aufgabe mit voller Überzeugung angehen, aber sie auch genießen. Fußball ist ein sehr schnelllebiges Geschäft – in beide Richtungen. Ich will jetzt die Kickers wieder zu einer richtig guten Adresse machen. Denn die Voraussetzungen dafür sind in Degerloch ja vorhanden.

Was kann man denn aus den Auslandsaufenthalten für so einen Regionalligisten wie die Kickers mitnehmen? Kaczmarek: Was man als Trainer im Ausland am meisten lernt, ist Flexibilität. Es herrschen andere Sitten, es gibt andere Mentalitäten und Sichtweisen bei Spielern und Verantwortlichen. Wenn man denkt, man hat alle Lösungen parat, dann wird es nichts. Man muss offen sein, kreativ und nach Antworten suchen. Das hilft auch in der Regionalliga sehr, weil sie eine Liga ist, die ihre eigenen Herausforderungen hat.
Inwiefern? Kaczmarek: Sie ist weltweit die einzige Liga, in der keine Mannschaft direkt aufsteigt. Nehmen Sie RB Leipzig, die sind durch alle anderen Ligen marschiert, nur in der Regionalliga nicht.
Wie muss man sich die Arbeit als Fußballtrainer in Ägypten vorstellen? Kaczmarek: Grundsätzlich geht es auch dort darum, das Maximum aus seiner Mannschaft herauszuholen sowie einen Weg und eine Spielweise zu finden, die zu den Gegebenheiten passt. Die lebensprägende Erfahrung in Ägypten war, dass es die Phase mitten in der Revolution war, kurz nach dem Sturz von Mubarak im Arabischen Frühling, es gab Proteste, Militärputschs – und auf einmal wurde die Liga für anderthalb Jahre eingestellt. Trotzdem mussten wir eine Mannschaft zusammenstellen, in der sich alle komplett dem Ziel der WM-Qualifikation 2014 verschrieben. Wie die Spieler damals mit der Situation umgegangen sind, ist etwas, das mich bis heute beeindruckt.
Und Sie waren die ganze Zeit vor Ort? Kaczmarek: Ja, ich habe in Kairo gelebt, mit meiner Frau mitten in der Stadt. Ich wollte ein Gefühl für die Menschen, Kultur und Stimmung im Land haben. Es gab ja furchtbare Tage mit mehreren Hundert Toten. Das ist uns extrem nahe gegangen, und diese Erfahrungen machen Ägypten zu einer sehr speziellen Zeit in meinem Leben.

Und Ihre Frau hat nie gesagt: „Lass uns wieder nach Deutschland gehen!?“ Kaczmarek: Wissen Sie, es ist immer einfach die Koffer zu packen und zu gehen, wenn es schwierig wird. Aber ich bin der Überzeugung, dass dies der falsche Weg ist. Wenn man in einer Führungsposition ist und eine Vorbildfunktion hat, sollte man die Verantwortung bis zum letzten Tag mit allen Konsequenzen leben. Es stand nicht eine Sekunde lang zur Debatte, das Land zu verlassen. Das WM- Ziel hat den Spielern so viel bedeutet, dass wir uns nie damit beschäftigt haben.

Da klingt Ihre neue Aufgabe hier in Stuttgart fast nach einem Kinderspiel, wenn sich der Vergleich überhaupt erlaubt. Kaczmarek: Es wäre sehr naiv, im Abstiegskampf von einem Kinderspiel zu sprechen. Ich fühle mich gut vorbereitet, weil ich in meiner Karriere schon in Situationen war, in denen es darum ging, stark zu sein und Menschen zu führen. Trotzdem hat die Sache hier ihre eigene Komplexität, weil der Verein seit 15, 16 Monaten harte Zeiten durchmacht. Jetzt den richtigen Ansatz zu finden, dieser jungen Mannschaft die Stabilität zu geben, um Ergebnisse einzufahren, wird eine durchaus große Herausforderung.
Glauben Sie denn, dass Sie es als sehr junger Trainer da leichter haben oder fehlt vielleicht die Autorität? Kaczmarek: Ich habe die Mannschaft kennengelernt. Sie hat einen nachdenklichen, aber auch einen entschlossenen Eindruck gemacht, die Situation zu meistern. Abstiegskampf ist vom Kopf her mental eine Belastung. Ich glaube aber, dass meine Emotionalität und mein Wille zu kommunizieren und zu führen dabei helfen werden, die Spieler mitzunehmen. Natürlich mit der nötigen Disziplin und Konzentration, denn ohne die ist Abstiegskampf nicht möglich.

Haben Sie denn solche Werte schon in der Jugend oder im Elternhaus gelernt? Kaczmarek: Mein Vater hatte als Ingenieur die Möglichkeit, bei einem Energiekonzern einzusteigen. So kam es 1992 zum Umzug nach Deutschland. Unsere Eltern haben uns immer animiert, mutig zu sein und uns Sachen zuzutrauen, das hat mich sehr geprägt.

Persönliche Daten

Foto: © Viktoria KölnHochgeladen von: Fritz Schmitz Tomasz Kaczmarek Position: Angriff Geburtsdatum: 20.09.1984 (32) Nationalität: Größe: - Gewicht: - Profilaufrufe: 2.870 SV Stuttgarter Kickers
Regionalliga Südwest
Trainer

Trainerstationen

S S U N T P PpS Gesamt-Statistik 116 62 33 21 +131 219 1,89 16/17 SV Stuttgarter Kickers
Regionalliga SW Trainer - - - - - - - 15/16 FC Viktoria Köln
Regionalliga West Trainer 36 17 12 7 66:36 63 1,75 14/15 FC Viktoria Köln
Regionalliga West Trainer 15 10 4 1 34:11 34 2,27 11/12 Bonner SC
A-Jun.-Bundesliga Trainer 13 3 5 5 15:18 14 1,08 11/12 Bonner SC
Landesliga, St. 1 Trainer 14 6 5 3 26:17 23 1,64 10/11 Bonner SC
A-Jun.-Bundesliga Trainer 14 4 7 3 19:16 19 1,36 09/10 Bonner SC
A-Jg. Mittelrheinliga Trainer 24 22 0 2 86:17 66 2,75

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Aufrufe: 016.12.2016, 14:45 Uhr
Stuttgarter Nachrichten / Joachim KlumppAutor