Der rasante Aufstieg gefällt nicht allen: Sieben Brasilianer und nur zwei Deutsche machten auf dem Weg den Weg frei in einer Fußballvariante, die in Deutschland umstritten genug ist und um Aufmerksamkeit und Akzeptanz ringen muss. Im Hintergrund lockt immer noch der Hallenkick mit der Bande und jetzt diese Art der Entwicklungshilfe für Deutschland aus der Ur-Futsal-Nation des fünffachen Weltmeisters? „Ihr macht unsern Sport kaputt“, sangen die Schwerter Fans öfter wiederkehrend.
Dabei hatte Florian Riesewieck (29), bis vor zwei Jahren selbst am Ball, die Besonderheit der Schwerter Fanszenerie noch gelobt, die sich „selbstironisch und augenzwinkernd“ Hoolspfosten nennt, „auch wenn alle sehr positiv sind und nichts mit Hooligans zu tun haben. Ein Satzungselement ist zum Beispiel, nicht gegen etwas, sondern für das eigene Team zu sein. Das wird auch in der Regel durchgehalten“, sagt Riesewieck vor dem Spiel. Diesmal nicht ganz. „Aber es wirkt ziemlich professionell, wenn da zig Leute mitfahren, im Fall Regensburg 500, 600 Kilometer.“
Lucas Kruel und Oliver Vogel, der bei einem mehrjährigen beruflich bedingten Aufenthalt in Australien seine Futsal-Leidenschaft entdeckte und Kruel kennenlernte, versuchen, ihren Lieblingssport in Deutschland anzuschieben. Mit den Juniors haben die Regensburger schnell auch ein eigenes Jugendteam gegründet, das mit Leistungsvergleichen jedes Mal fix ins Programm integriert ist.
Die Mädchen und Jungs fiebern mit und lernen in jungen Jahren von den brasilianischen Vorbildern, die dem Nachwuchs mit viel Herzlichkeit begegnen. „Sie spielen mit einer inneren Begeisterung für das Team“, spürt auch Norbert Lieske. Dem Präsidenten des Muttervereins der Jahn-Drittligafußballer kamen die dynamischen Futsaler vor zwei Jahren gerade recht, um den ohne Wettkampfsport vor sich hindümpelnden SSV Jahn 1889 etwas aufzupeppen.
Jetzt kämpfen die Futsaler des SSV Jahn 1889 mit jedem Erfolg mehr auf der nationalen Bühne mehr gegen Missgunst, vielleicht Neid. Niemand zuvor hatte so ein Team auf die Beine stellen können. Kruel, Freund und Fitnesstrainer von Bayern-Star Douglas Costa und selbst mal Futsal-Profi, hatte seine Kontakte. Mit Rafinha unterstützt ein zweiter Spieler des FC Bayern das Projekt, das jetzt für Furore sorgt und am 15. April mit dem Heimspiel gegen die Futsal-Macht Hamburg Panthers, den deutschen Dauer-Meister, ein noch größeres Spiel vor der Brust hat.
Kruel selbst kann die Diskussion nur schwer nachvollziehen: „Deutsche oder Brasilianer – es ist doch egal, wo jemand herkommt: Wir sind alle gleich. Das habe ich von meiner Familie gelernt“, sagt der 26-Jährige. „Als ich hier anfing, war Futsal klein. Um ihn größer zu machen, musst du Leute herbringen, die Futsal besser machen. Das ist es. Es geht nicht um Nationalität. Ich stecke mein Geld und meine Zeit rein und die Leute erzählen so einen Blödsinn.“ Der Spielertrainer des SSV Jahn 1889 wirbt um Unterstützung: „Ich rede nicht von Geld. Mal eine Übernachtung oder eine Einladung zum Mannschaftsessen“ – das ist es, was der Brasilianer vermisst.
Futsal ist ein in Deutschland noch kleines Spiel mit großen Emotionen. Lucas Kruel, bisweilen durchaus hitzköpfig, aber stets auf das Spiel fokussiert, ist das beste Beispiel. Die Spiele um die deutsche Meisterschaft präsentieren Futsal auf einem neuen Niveau. Die Tore und das Spielfeld hat der Futsal vom Handball, Fouls werden gezählt wie beim Basketball und die Variante des fliegenden Torwarts erinnert an Eishockey. Die Härte am Samstagabend in Regensburg tat das auch. Von wegen körperlos: Das Duell gegen Schwerte zeigte, das Futsal sehr wohl auch eine Kontaktsportart ist.
„Stimmt, es ging zur Sache. Es wurde viel mehr das Blocken forciert“, sagt Florian Fromholzer über das Spiel. „Die Schiedsrichter haben es aber weitestgehend laufen lassen. Das ist anerkannt und üblich.“ Fromholzer ist einer der deutschen Spieler im Team. „Nächstes Jahr Nationalspieler“, feixt Teamkollege Luis Gustavo, kurz Alemao, der „Deutsche“ genannt, im Vorbeigehen. „Die Fans oder Funktionäre, die das anfeinden, müssen selber wissen, was ihre Meinung dazu ist“, sagt Fromholzer. „Ich bin froh, dass ich von den Brasilianern lernen kann und mit ihnen zusammenspielen darf. Es ist teilweise eine Sprachbarriere da, aber auf dem Platz versteht man sich, egal, ob der der portugiesisch, deutsch oder englisch redet.“ Der SSV Jahn 1889 wird noch länger für Emotionen sorgen. Die Diskussionen über Futsal auch.