2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Auf Florian Fromholzer (re.) und sein Jahn-Futsal-Team wartet eine große Aufgabe. F: Würthele
Auf Florian Fromholzer (re.) und sein Jahn-Futsal-Team wartet eine große Aufgabe. F: Würthele

Die Aufregung einer ganz neuen Welt

Mit dem SSV Jahn 1889 könnte ein Futsal-Team aus Regensburg dafür sorgen, dass Deutschland in eine neue Dimension vordringt.

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Oliver Vogel tippt sich die Aufregung mit Facebook-Posts weg. Nur zwischendrin schaut er ungläubig und immer wieder auf das in Nyon versammelte „Who is who“ seiner Sportart im europäischen Vereins-Futsal um sich herum. Vogel murmelt so etwas wie „Wahnsinn“ oder „unglaublich“ und haut weiter in die Tasten. Das reichhaltige Mittagsmenü im traumhaft gelegenen Uefa-Hauptquartier in der Schweiz direkt am Genfer See ignoriert der 47-jährige Abteilungsleiter der Futsaler des SSV Jahn 1889 Regensburg jedenfalls geflissentlich – die Aufregung lässt nur ein paar Häppchen Obstsalat zu.

Oliver Vogel ist immer nervös: Egal, ob im regulären Ligaspiel der Regionalliga ein 25:3-Kantersieg folgt oder im K.o.-Modus um die deutsche Meisterschaft ein Erfolg gegen den Rekordsieger im Penaltyschießen. Diesmal aber hat der Regensburger, der in seinen Tagen in Australien mit Futsal infiziert worden war, allen Grund zur Aufregung: Vogel ist Teil einer Auslosung mit Rekordbeteiligung von 56 Teams aus 52 Ländern und vor der Rekordkulisse von 90 Gästen in Nyon. In drei Runden mit Viererturnieren werden ab August die vier Teilnehmer für das Endturnier im April 2018 gesucht.

Deutschland ist ein Futsal-Nachzügler, immer noch. Was anderswo schon lange professionell gespielt wird, steckt hierzulande in den Kinderschuhen. Das erklärt auch, wie es möglich ist, dass sich der SSV Jahn 1889 mit glücklichen personellen Fügungen und reichlich Unterstützung aus dem Futsal-Ursprungsland Brasilien innerhalb von nur zwei Jahren als deutscher Meister in den erlauchten Kreis einer Elite gespielt hat, die immerhin seit 2001 die höchste Vereinstrophäe auf europäischer Ebene kürt.

Knapp vorbei an Zypern

Deutschland steht mit einem Koeffizienten von 2,084 auf Position 29 und landete im Topf fünf der Teams von Position 24 bis 31 in dieser Nationen-Rangliste. Mit Famagusta hatte sich Oliver Vogel Zypern unter den acht potenziellen Veranstaltern als Wunschziel ausgeguckt. „Da war ich noch nicht.“ Das ausgeklügelte Uefa-Lossystem vermasselte diese Tour aber schnell. Und doch: „Yes“, murmelt der eifrig mitnotierende Oliver Vogel, als die spanische Torwart-Legende Luis Amado (41), der vor vier Jahren seine Karriere beendete und beim Futsal-Cup-Rekordsieger Inter FS in Madrid inzwischen Jugendarbeit macht, als vierte Mannschaft das Los mit „seinem SSV Jahn 1889“ aus Topf fünf fischt und an Position eins der Gruppe D zuordnet. D bedeutete S wie Schweden als Reiseziel vom 22. bis 27. August.

Genauer gesagt, die 35 000-Einwohner-Stadt Uddevalla, die 85 Kilometer nördlich von Göteborg liegt und mit Martin Dahlin auch einen in der Fußball-Bundesliga bestens bekannten schwedischen Nationalspieler hervorbrachte. Daneben geht es gegen Konkurrenz aus Andorra (FC Encamp) und San Marino (SS Tre Fiori FC). Klingt machbar.

Da ist es erlaubt, ein Auge auf Runde zwei zu werfen, in der es ebenfalls nach Skandinavien ginge – in die 5000-Einwohner-Gemeinde Sievi in Finnland, wo beim Turnier von 10. bis 15. Oktober neben dem finnischen Gastgeber und den Belgiern aus Halle-Gooik auch der Beste der Gruppe A mit Teams aus London, Dublin und Lynx/Gibraltar warten würde. Unrealistisch ist es nicht, auch diese Runde zu überstehen. Als erster deutscher Vertreter hatte das vor einem Jahr Regensburgs Meister-Vorgänger aus Hamburg, den der SSV Jahn 1889 im Halbfinale ausgeschaltet hatte, geschafft und erst in der Eliterunde der besten 16 Teams Europas mit drei klaren Niederlagen punktlos den Einzug in die Endrunde verpasst. Noch so ein deutsches Abschneiden und der nächste Meister könnte vielleicht in die Regionen der Gesetzten vordringen.

Alle Brasilianer kommen wieder

Eine Messlatte für Lucas Kruel und Co. wird genau das werden. Der 27-jährige Brasilianer, der im Brotberuf als Personaltrainer für Bayern-Stars wie Rafinha, Thiago und Immer-Noch-Bayer Douglas Costa sein Geld verdient, ist neben Vogel die zweite Säule der Jahn-Futsaler. Wer die möglichst doppelte Skandinavien-Tour bestreitet, ist offen. Fakt ist nur: „Alle Spieler, die wir am Ende im Kader hatten, kommen auch wieder“, sagt Oliver Vogel über das Aufgebot von Torwart Raul über Luis „Alemao“ Gustavo bis Marquinhos. Mögliche Transfers können noch bis Anfang August getätigt werden.

Anders als im Vorjahr wird das Team auch schon eingespielt in die Regionalliga gehen, die für den SSV Jahn 1889 am 16. September in Nürnberg beginnt und am 30. September das erste Heimspiel in der Zehnerliga gegen Stockstadt bringt, in der mit Aufsteiger Deisenhofen noch ein vierter bayerischer Teilnehmer (neben dem Oberpfalz-Rivalen aus Wackersdorf) Aufnahme gefunden hat. Dann werden Vogel und Co. als Gastgeber in einer Halle spielen, die schon in den K.o.-Spielen Schauplatz der Siege gegen Holzpfosten Schwerte und die Hamburg Panthers im Viertel- und Halbfinale war. „Wir haben die Zusage, dass wir alle Heimspiele in der städtischen Halle Nord in der Isarstraße austragen können“, sagt Oliver Vogel.

Doch bis dahin zählt erst einmal der Uefa-Futsal-Cup, die Champions League. Der Abteilungsleiter, der sich heuer auch noch über die Meisterschaft der U12-Juniors mit Trainer Marc Schmidt freute und die Gründung einer U15 vorantreibt, war beileibe nicht der einzige, den die Aufregung einer ganz neuen Futsal-Welt erfasst hatte. Das letzte Los ist gerade gezogen, da meldete sich ein skandinavisches Fachblatt zum sofortigen schriftlichen Interview. Und zuhause in Regensburg werden noch während Vogels 668 Kilometer langen Auto-Rückfahrt aus der Schweiz die ersten Flüge nach Göteborg gebucht.

Aufrufe: 08.7.2017, 09:00 Uhr
Claus WotrubaAutor