Rudi Völler war jener Teamchef, der die Nationalmannschaft zur Jahrtausendwende durch — aufgeheitert durch die Teilnahme im WM-Finale 2002 — Jahre voller Trübsal und Bitterkeit führen musste, eben weil kein talentierter Nachwuchs zur Hand war. Jetzt, zu einer Zeit, da sich der deutsche Fußball vor Talenten kaum retten kann, hört man wieder von Rudi Völler.
Der ist längst Sportdirektor bei Bayer Leverkusen. Bei einem Verein, der in den vergangenen Jahren so hervorragenden Fußball-Nachwuchs ausgebildet hat, dass das ganze Land davon profitierte. Der Bundesliga-Aufstieg des 1. FC Nürnberg 2009, zum Beispiel, war ja auch deshalb möglich, weil mit Stefan Reinartz und Marcel Risse zwei Leih-Talente aus Leverkusen mithelfen durften. Zwei Hochbegabte waren das, die damals noch nicht gut genug waren für die Leverkusener Bundesliga-Mannschaft, aber schon unterfordert in Bayers zweiter Mannschaft, der U23. Diese U23, seit langem Pflicht für jeden deutschen Profi-Verein, will Völler nun abschaffen. So hat er es gegenüber Sport Bild Plus gesagt. Wer in diesem Vorstoß nun einen Angriff auf Fußball-Deutschland wittert, liegt falsch — sagen sie zumindest unter anderem beim 1. FCN.
Martin Bader jedenfalls, der Sportdirektor, reagiert recht entspannt. Wenn die Profi-Vereine sich darauf einigen, dass die bisher bestehende und die U23 betreffende Muss-Bestimmung in eine Kann-Bestimmung umgewandelt wird, ist das kein Problem, sagt Bader. So ähnlich sieht das auch Rainer Zietsch, der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) beim Club. Für Vereine wie Leverkusen, glaubt Zietsch, macht eine Mannschaft, die, wie derzeit, in der Regionalliga spielt, einfach keinen Sinn mehr. "Die statten ihre Top-Talente mit langfristigen Verträgen aus und verleihen sie gleich in die 2. Liga“, sagt Zietsch. So wie damals eben Risse und Reinartz, die in Nürnberg den Erwachsenenfußball kennenlernten.
In Nürnberg, das sagen Zietsch und Bader, würde man natürlich die zweite Mannschaft nicht abschaffen. Stattdessen soll sie etwas jünger werden, eine U21, die sozusagen als nächste Jahrgangsstufe an die A-Jugend anschließt. "Spieler vier Jahre zu testen, ist zu lang“, sagt Zietsch. Soll heißen: Wer es als 21-Jähriger nicht in die Bundesliga schafft, dem gelingt das auch als 23-Jährigem nicht mehr. Beim Club gibt es dafür gute Beispiele: Timothy Chandler und Philipp Wollscheid waren unter 21, als sie sich einen Platz in der ersten Mannschaft erspielten.
Kostengründe, sagt Zietsch, würden bei dieser Überlegung keine Rolle spielen. Die Regionalliga ist für den Club, der auch dafür das Frankenstadion anmieten muss, zwar ein Kostenfaktor, aber, sagt Zietsch, "ich glaube nicht, dass die U23 zu teuer ist“. Für Zietsch sollte es auch der Anspruch einer Nürnberger U21 sein, in der Regionalliga zu spielen.
Sollte alles so kommen, wie von Völler und offenbar auch einigen anderen Vereinen gewünscht, ändert man beim Club also die Strukturen — allerdings behutsam. Ein Vorteil des Konstrukts mit der U23, findet Zietsch, ist es auch, dass Akteure aus dem Profi-Team dort Spielpraxis sammeln können, etwa nach Verletzungen oder wenn sich sonst kein Platz findet in der Bundesligamannschaft.
Gefährlich, sagt Zietsch, wäre es nur, wenn ein Großteil der Vereine irgendwann zu der Überzeugung kommen würde, gänzlich auf einen Unterbau zu den Profis verzichten zu können. Also auch jene Clubs, die nicht in der Lage Leverkusens sind, ihre talentierten Fußball-Azubis im Profi-Bereich unterbringen zu können. Ein wenig Zeit, um den Übergang vom Jugend- in den Erwachsenenfußball zu schaffen, brauchen die jungen Spieler nämlich trotzdem. "Jeder“, sagt Zietsch, "muss mit dieser Regel, falls sie denn zustande kommt, verantwortlich umgehen.“ Es geht schließlich um die Zukunft des deutschen Fußballs.