2024-05-10T08:19:16.237Z

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Beim 1. FC Nürnberg soll die U23 weiterhin bestehen bleiben. F: Zink
Beim 1. FC Nürnberg soll die U23 weiterhin bestehen bleiben. F: Zink

"Spieler vier Jahre zu testen, ist zu lang"

Club kann sich Leben ohne U23-Pflicht vorstellen +++ Zietsch plädiert für U21

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Rudi Völler war der Erste, der es öffent­lich aussprach: Im deutschen Profifuß­ball wollen einige Clubs offenbar ihre Nachwuchsarbeit neu strukturieren. Vor allem soll die Pflicht zu einer U23-Mannschaft abgeschafft werden. Beim 1. FC Nürnberg hat man durch­aus Sympathien für den Vorstoß. Rudi Völler will also die Zukunft des deutschen Fußballs abschaffen. So kann man das, was Völler jetzt gesagt hat, zunächst durchaus verste­hen. So muss und darf man das aber nicht verstehen.

Rudi Völler war jener Teamchef, der die Nationalmannschaft zur Jahr­tausendwende durch — aufgeheitert durch die Teilnahme im WM-Finale 2002 — Jahre voller Trübsal und Bitter­keit führen musste, eben weil kein talentierter Nachwuchs zur Hand war. Jetzt, zu einer Zeit, da sich der deutsche Fußball vor Talenten kaum retten kann, hört man wieder von Rudi Völler.

Der ist längst Sportdirektor bei Bayer Leverkusen. Bei einem Verein, der in den vergangenen Jahren so her­vorragenden Fußball-Nachwuchs aus­gebildet hat, dass das ganze Land davon profitierte. Der Bundesliga-Aufstieg des 1. FC Nürnberg 2009, zum Beispiel, war ja auch deshalb möglich, weil mit Stefan Reinartz und Marcel Risse zwei Leih-Talente aus Leverkusen mithelfen durften. Zwei Hochbegabte waren das, die damals noch nicht gut genug waren für die Leverkusener Bundesliga-Mann­schaft, aber schon unterfordert in Bay­ers zweiter Mannschaft, der U23. Diese U23, seit langem Pflicht für jeden deutschen Profi-Verein, will Völ­ler nun abschaffen. So hat er es gegen­über Sport Bild Plus gesagt. Wer in diesem Vorstoß nun einen Angriff auf Fußball-Deutschland wittert, liegt falsch — sagen sie zumindest unter anderem beim 1. FCN.

Chandler als Beispiel

Martin Bader jedenfalls, der Sport­direktor, reagiert recht entspannt. Wenn die Profi-Vereine sich darauf einigen, dass die bisher bestehende und die U23 betreffende Muss-Bestim­mung in eine Kann-Bestimmung umgewandelt wird, ist das kein Pro­blem, sagt Bader. So ähnlich sieht das auch Rainer Zietsch, der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) beim Club. Für Vereine wie Leverku­sen, glaubt Zietsch, macht eine Mann­schaft, die, wie derzeit, in der Regio­nalliga spielt, einfach keinen Sinn mehr. "Die statten ihre Top-Talente mit langfristigen Verträgen aus und verleihen sie gleich in die 2. Liga“, sagt Zietsch. So wie damals eben Risse und Reinartz, die in Nürnberg den Erwachsenenfußball kennenlern­ten.

In Nürnberg, das sagen Zietsch und Bader, würde man natürlich die zweite Mannschaft nicht abschaffen. Stattdessen soll sie etwas jünger wer­den, eine U21, die sozusagen als nächste Jahrgangsstufe an die A-Ju­gend anschließt. "Spieler vier Jahre zu testen, ist zu lang“, sagt Zietsch. Soll heißen: Wer es als 21-Jähriger nicht in die Bundesliga schafft, dem gelingt das auch als 23-Jährigem nicht mehr. Beim Club gibt es dafür gute Beispiele: Timothy Chandler und Philipp Wollscheid waren unter 21, als sie sich einen Platz in der ersten Mannschaft erspielten.

Kostengründe, sagt Zietsch, wür­den bei dieser Überlegung keine Rolle spielen. Die Regionalliga ist für den Club, der auch dafür das Frankensta­dion anmieten muss, zwar ein Kosten­faktor, aber, sagt Zietsch, "ich glaube nicht, dass die U23 zu teuer ist“. Für Zietsch sollte es auch der Anspruch einer Nürnberger U21 sein, in der Regionalliga zu spielen.

Sollte alles so kommen, wie von Völ­ler und offenbar auch einigen anderen Vereinen gewünscht, ändert man beim Club also die Strukturen — aller­dings behutsam. Ein Vorteil des Kon­strukts mit der U23, findet Zietsch, ist es auch, dass Akteure aus dem Profi-Team dort Spielpraxis sammeln kön­nen, etwa nach Verletzungen oder wenn sich sonst kein Platz findet in der Bundesligamannschaft.

Gefährlich, sagt Zietsch, wäre es nur, wenn ein Großteil der Vereine ir­gendwann zu der Überzeugung kom­men würde, gänzlich auf einen Unter­bau zu den Profis verzichten zu kön­nen. Also auch jene Clubs, die nicht in der Lage Leverkusens sind, ihre talen­tierten Fußball-Azubis im Profi-Be­reich unterbringen zu können. Ein wenig Zeit, um den Übergang vom Jugend- in den Erwachsenenfußball zu schaffen, brauchen die jungen Spie­ler nämlich trotzdem. "Jeder“, sagt Zietsch, "muss mit dieser Regel, falls sie denn zustande kommt, verantwort­lich umgehen.“ Es geht schließlich um die Zukunft des deutschen Fußballs.

Aufrufe: 012.3.2014, 10:42 Uhr
Fadi Keblawi (NN)Autor