2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
F: Nückel
F: Nückel

"So kann kein Trainer erfolgreich arbeiten"

KLB HOCHTAUNUS: +++ Matthias Brühl, Fußball-Abteilungsleiter des TSV 08 Grävenwiesbach, über den Rücktritt Jens Lewitzkis und das Mentalitätsproblem der Spieler +++

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Grävenwiesbach. Am vergangenen Freitag hatte Trainer Jens Lewitzki genug. Allzu oft stand der engagierte Übungsleiter beim Training des Fußball-B-Ligisten SG Mönstadt/Grävenwiesbach mit nur einer Handvoll Spieler dar. Er zog die Konsequenzen und schmiss hin. Matthias Brühl, Fußball-Abteilungsleiter beim TSV 08 Grävenwiesbach, zeigt im Gespräch mit dem Usinger Anzeiger Verständnis für die Entscheidung des Ex-Coaches, kritisiert die Mentalität der Mannschaft und spricht über den Frust engagierter Vereinsvertreter.

Haben Sie Verständis für die Entscheidung von Jens Lewitzki, als Trainer bei der SG Mönstadt/Grävenwiesbach aufzuhören?

Ja, absolut. Wenn die Trainingsbeteiligung in den letzten Monaten im Schnitt bei höchstens sechs oder sieben Spielern liegt, dann ist das nicht zufriedenstellend. Damit kann man nichts erreichen. Die Jungs kennen die Laufwege nicht, es fehlt an Kondition und den spielerischen Feinheiten. Mit einer solchen Beteiligung kann der Trainer nichts einstudieren. Vier bis fünf Spieler sind zwar immer da, aber der Rest wechselt sich bei den beiden Trainingseinheiten dienstags und donnerstags ab. Klar gibt es auch mal Tage, an denen 17 oder 18 anwesend sind. Die sind nur leider die sehr seltene Ausnahme.

Ist diese Diskrepanz zwischen den Erwartungen engagierter Trainer und der Einstellung der Mannschaft ein Grundproblem im unteren Amateurfußball?

Nach dem, was ich aus Gesprächen mit anderen Vereinen heraushöre, ist das mittlerweile ein weit verbreitetes Problem. Bei uns ist es das auf jeden Fall. Es ist hier ja nicht das erste Mal, dass ein engagierter Fußballlehrer deshalb aufhört. Auch Baris Karagöz war leider so ein Beispiel. Mit einer Truppe mit so geringer Trainingsbeteiligung kann kein Trainer erfolgreich arbeiten.

Kann man dieses Dilemma als Verein irgendwie lösen?

Diese Frage stellen wir uns auch schon seit vielen Jahren, ich kann sie bis jetzt leider weder zufriedenstellend beantworten, noch eine Lösung präsentieren. Natürlich ist es für Spieler, die zum Beispiel in Neu-Anspach wohnen oder in Frankfurt arbeiten oder studieren, nicht immer so einfach, ins Training zu kommen. Aber ein paar persönliche Belastungen muss man als Mannschaftssportler einfach in Kauf nehmen. Wir wären schon froh, wenn unsere Spieler wenigstens einmal in der Woche ins Training kämen. Am besten donnerstags, damit in der anschließenden Mannschaftsbesprechung taktische Dinge und die Aufstellung für das nächste Spiel besprochen werden können. Nur geht auch dieser Appell allzu oft ins Leere. Und ich kann ja nicht nach Neu-Anspach, Frankfurt oder wohin auch immer fahren, um die Jungs persönlich abzuholen. Es ist ein Problem der Einstellung, und daran ist für uns leider nichts zu ändern. Da ist jeder Spieler selbst gefragt.

Haben Sie trotzdem auch ein wenig Verständnis für die Spieler, denen vielleicht andere Dinge als der Fußball wichtiger sind?

Keine Frage, wir spielen in der Kreisliga B. Das Berufsleben geht immer vor. Ich kann auch nachvollziehen, dass jemand am Sonntag einmal nicht auflaufen will, weil er einen wichtigen privaten Termin hat. Und wir reden hier auch nicht über Krankheiten oder Verletzungen. Logisch, dass man dann nicht spielen kann. Aber bei uns fehlen regelmäßig viel zu viele Leute, ohne dass Verletzungen, dringende berufliche Gründe oder eben auch mal ein unverschiebbarer privater Termin ein Kommen verhindern. Und das geht einfach nicht.

Ist diese Situation für engagierte Vereinsfunktionäre nicht unglaublich frustrierend?

Es ist in der Tat sehr bitter. Manchmal herrscht bei uns absolute Ratlosigkeit. Wir haben zum Beispiel mit Holger Funk einen treuen Mitstreiter, der bei fast jedem Training und jeden Sonntag als Betreuer und Linienrichter dabei ist. Und das alles völlig ehrenamtlich. Im Unterschied zu vielen Spielern lebt er für den Fußball.

In diesem Lichte ist vermutlich auch Ihre „interne Lösung“ zu verstehen, mit der Sie die Vakanz auf der Trainerposition schließen möchten.

Genau. Denn ein externer Trainer, der entsprechende Scheine hat und unserer Mannschaft wirklich etwas beibringen könnte, hat schnell keine Lust mehr. Also bleibt nur eine interne Lösung mit jemandem aus dem Verein, der vielleicht keine Scheine hat, aber dafür weiß, dass eben keine 15 motivierten Jungs im Training sind, sondern höchstens sechs oder sieben. Der macht dann mit ihnen ein bisschen Torschusstraining oder ein paar Antrittsübungen. Erreichen können wir so nichts, obwohl wir durchaus Luft nach oben hätten. Aber so geht der Fußball zumindest weiter.



Aufrufe: 021.11.2016, 19:11 Uhr
Usinger AnzeigerAutor