2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Zahlreiche Regländerungen gibt es in der Saison 2016/2017. F: Rinke
Zahlreiche Regländerungen gibt es in der Saison 2016/2017. F: Rinke

Sinnvolles, Erschwerendes, Irrelevantes

Schiedsrichter-Obmann Keller unterteilt die 95 Regeländerungen im Fußball in drei Kategorien, ist aber überwiegend zufrieden

In seinem Kern ist Fußball ein simples Spiel: Der Ball muss ins Tor, so einfach ist das. Vergleichsweise kompliziert ist das Regelwerk, das auf allen Plätzen der Welt gilt. Zum 1. Juni gab es satte 95 Änderungen – die hält Michael Keller „teilweise für sinnvoll, teilweise wird es komplizierter“. Vieles, so der Obmann der Schiedsrichtergruppe Backnang, ist für den normalen Fan auch irrelevant, oder es handelt sich nur um neue Formulierungen.

Eigentlich kennt die Jagd nach dem runden Leder nur 17 Regeln, die sich mit Aspekten wie dem Spielfeld und dem Ball, mit Standardsituationen wie Freistößen, Eckbällen und Strafstößen oder mit dem Abseits beschäftigten. Das klingt wenig, täuscht allerdings gewaltig, denn alle Regeln haben verschiedene Unterpunkte. Das Regelheft, das der DFB herausgibt, hat deutlich über 100 Seiten. Das macht deutlich, wie viel sich ein Referee merken muss und wie wohlfeil es ist, die Spielleiter als Sündenböcke für Niederlagen abzustempeln. Zuletzt hatte sich das International Football Association Board vorgenommen, die Regularien zu entrümpeln und an manchen Stellen sinnvoller zu gestalten. Die obersten Regelhüter schafften es, „die Gesetze des Spiels“ um ungefähr 10 000 Wörter zu kürzen. Zudem einigten sie sich auf 95 Änderungen – mehr waren es in den vergangenen 130 Jahren nie. Darüber, dass die Schiedsrichter einen Vorteil mit nur noch einem ausgestreckten Arm anzeigen dürfen, um ihnen das Rennen zu erleichtern, freuen sich nur die Unparteiischen selbst, der Rest wird es ihnen gönnen. Dass die Mittellinie zur neutralen Zone erklärt wurde, klingt sehr politisch, war aber nötig, weil ihr Status in Abseitsfragen nicht eindeutig geklärt war. Fortan gilt: Berührt ein Spieler bei einem Konter die Mittellinie und noch nicht die gegnerische Hälfte, steht er nicht im Abseits.

Unterhosen sollen gleich sein

Stark nach Aktionismus riecht es dagegen zum Beispiel, wenn niedergeschrieben wird, dass sichtbare Unterhosen bei allen Teamkollegen dieselbe Farbe wie die Hose und Tapes, mit denen der Schienbeinschoner befestigt wird, dieselbe Farbe wie die Stutzen haben müssen. Hier ist der Punkt erreicht, an dem in Kicker-Kreisen oft gelästert wird, ob die einmal jährlich tagende Expertenrunde von Langeweile geplagt wird. Einspruch, grätscht Michael Keller dazwischen. Der Obmann der 150 Mitglieder (120 Aktive) zählenden Backnanger Schiedsrichtergruppe hat „grundsätzlich Vertrauen in die Regelhüter und ich denke nicht, dass sie etwas tun, nur um etwas zu tun. Sie machen sich schon Gedanken“. Eine Änderung, die der von der SG Sonnenhof Großaspach stammende Referee für sinnvoll hält, ist die, die auch vielen Fans bei der Europameisterschaft in Frankreich auf Anhieb ins Auge stach: „Der neue Anstoß ist eine gute Sache.“ Musste die Kugel seither auf alle Fälle nach vorne in des Gegners Hälfte gespielt werden, sind nun alle Richtungen gestattet. „Das nimmt Konfliktpotenzial beim Anpfiff raus“, freut sich Keller und beklagt, dass seiner Zunft in der Vergangenheit Pingeligkeit vorgeworfen wurde, wenn sie die alte Regel durchsetzten.

Freistoß nach Abseitsstellung

Für gelungen hält der Obmann auch die Klarstellung, was passiert, wenn Personen das Spielfeld betreten, die dort nichts verloren haben. Unterbrochen wird nur, wenn die Person in das Spiel eingreift und beispielsweise ein Tor des Rivalen verhindert. Den bislang immer vorgesehenen Schiedsrichterball gibt es nur noch, wenn es eine „Drittperson“ war, bei allen Teamoffiziellen, Ersatzspielern, ausgewechselten oder ausgeschlossenen Akteuren gibt es Elfmeter oder direkten Freistoß. „Ich hatte diesen Fall zwar noch nie, aber das ist sinnvoll“, begrüßt Keller die Verschärfungen. Nun aber zur Kritik an „zwei Änderungen, die es für den Schiedsrichter komplizierter machen und für Diskussionsstoff sorgen werden“. Da wäre die Frage, wo der Freistoß nach dem Abseitspfiff ausgeführt wird. Nämlich nicht mehr dort, wo der im Abseits befindliche Stürmer bei der Ballabgabe stand, sondern dort, wo dieser aktiv wurde. Dadurch kann etwas passieren, was bislang unmöglich war: Läuft der Angreifer aus einer Abseitsposition zurück, gibt’s einen Freistoß in der eigenen Hälfte. Keller rechnet mindestens mit stiller Verwunderung, eher mit lautem Protest.

Dreifachbestrafung

„Man wollte Sinnvolles tun, hat es aber komplizierter gemacht“, sagt der Obmann zur Antwort der Regelhüter auf die jahrelange Diskussion um die sogenannte Dreifachbestrafung. Fürs Verhindern einer klaren Torchance im eigenen Strafraum mittels Notbremse gab es bisher neben einem Elfmeter immer eine Rote Karte und eine Sperre, egal ob es ein böses oder ein harmloses Vergehen war. Nun gilt: War der Ball das klare Ziel der Attacke, zückt der Referee nur Gelb. Wenn nicht, und das ist auch bei Trikotzupfen der Fall, bleibt es bei Rot. „Das ist extreme Auslegungssache und hat viel mit der Position des Schiedsrichters zu tun“, gibt Keller zu bedenken und hätte einen anderen Ansatzpunkt gewählt: „Es wäre sinnvoll gewesen, die Sperren bei harmlosen Vergehen wegzulassen.“ Anders sah es das International Football Association Board – und dessen Wort ist Gesetz.

Aufrufe: 07.7.2016, 09:00 Uhr
Backnanger Kreiszeitung / Steffen GrünAutor