Mit dem Genießen ist das so eine Sache. Dazu aufgefordert hatte Dragan Misetic seine Spielerinnen vor dem Pokalspiel, war in der ersten Hauptrunde mit dem SC Sand doch ein Bundesligist zu Gast bei den Fußballfrauen des 1. FC Nürnberg. „Da ist es doch für viele vielleicht das einzige Mal in ihrer Karriere, dass sie gegen einen Erstligisten spielen“, meinte der Trainer.
Mit der Andeutung von Genuss war es nach der ersten Minute allerdings schon vorbei, als Kim Urbanek beim ersten Angriff am rechten Flügel nahezu ungestört war, es auch im Strafraum an Platz nicht mangelte, ihre Flanke aber an Freund und Feind vorbei ins Leere ging. Diese erste Chance war zugleich auch der letzte erfolgversprechende Nürnberger Angriff. Was danach beim 0:9 (0:5) folgte, war eine Lehrstunde von 90 Minuten Dauer.
Dass die Clubfrauen sich nach Kräften wehrten, läuferisch und kämpferisch alles versuchten, macht die Erkenntnis von Misetic nicht besser. Wie alle der immerhin 250 Zuschauer hatte er erkannt, „dass unsere Grenzen aufgezeigt wurden, in allen Belangen ein klarer Unterschied zu sehen war.“ Einbahnstraßenfußball heißt so etwas im Fußballer-Deutsch. Der Gegner ließ kaum Zeit zum Durchatmen, geschweige denn zum Genießen, zumal Gästetrainer Niko Koutroubis mit seiner Aussage, er sei etwas enttäuscht von der Leistung seiner Mannschaft, „denn das können wir deutlich besser“, noch zusätzlich Salz in die Club-Wunden streute.
Natürlich ist ein 0:9 im ersten Moment eine riesige Enttäuschung, dafür gibt es jedoch ein ganzes Bündel an Erklärungen - und sie betreffen weniger den Club als einen Gegner, der als Bundesliga-Aufsteiger ein ganz anderes Konzept verfolgt bei seinen Ambitionen, „so schnell wie möglich nichts mit dem Abstieg zu tun zu bekommen“ (Koutroubis). Mit diesen Vorstellungen sind sich Sand und der Regionalligist Nürnberg noch einig, damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten jedoch. Der Gast aus dem Südbadischen setzt mit einem Durchschnittsalter von über 27 Jahren auf Erfahrung und auf viele Spielerinnen aus dem Ausland. Sieben standen in der Anfangsformation, auffällig dabei vor allem die italienische Stürmerin Ilaria Mauro. Die Bundesliga ist für sie mit ihren Erfolgen auf internationaler Ebene interessant, wird als Begründung angeführt, über die finanziellen Mittel nicht geredet. Der Aufstieg gelang mit einem imponierenden Durchmarsch ohne Niederlage in Liga zwei, in sieben Vorbereitungsspielen wurde noch kein Gegentor kassiert, zuletzt Zweitligist Hoffenheim II, im Vorjahr Meister der Regionalliga, 7:0 abgefertigt.
Dieses Ergebnis relativiert das Nürnberger 0:9 ein bisschen, denn hier setzt man auf dem Weg, den Frauenfußball hoffähiger zu machen und mittelfristig den Zweitliga-Aufstieg anzupeilen, vorrangig auf Talente aus dem eigenen Nachwuchs. Knappe 20 Jahre betrug das Durchschnittsalter. Und über Geld redet man durchaus.
Wenn man sparsam damit umgeht, reicht es, um die Saison für alle Mannschaften, also auch die Juniorinnen als Faustpfand für die Zukunft, solide zu finanzieren. Darum hat Trainer Misetic keineswegs Unrecht mit seiner Feststellung, er könne seiner Mannschaft keinen Vorwurf machen - trotz des 0:9.
„Wir können besser spielen“, das weiß er. Und das weiß hoffentlich auch bald wieder die Mannschaft - trotz des 0:9. Denn anders als bei den Männern hat der Pokal bei den Frauen noch längst keine eigenen Gesetze, ist der Unterschied im Leistungsvermögen zwischen erster und dritter Liga enorm. Athletischer, technisch besser, schneller mit dem Kopf und damit auch mit den Füssen. „Wir haben zu spüren bekommen, was uns noch fehlt“, zog eine Spielerin hinterher die Lehren für die Mannschaft.
Kein Grund also länger Trübsal zu blasen, denn künftig bewegt man sich wieder auf bekanntem Terrain und gewohntem Niveau. „In der Regionalliga sieht alles ganz anders aus“, weiß auch Sands Trainer, ist ihm das Potenzial der Nürnberger nicht verborgen geblieben. Den ersten Beweis kann der Frauen-Club zum Regionalliga-Start mit dem Heimspiel gegen Calden am 7. September antreten. Ein schöner Anlass, um das gründlich verdorbene Genießen nachzuholen.