2024-05-10T08:19:16.237Z

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Trotz gefüllter Ränge auf der Tribüne: Viele Kickers-Fans blieben am Samstag der Reutlinger Kreuzeiche fern.
Trotz gefüllter Ränge auf der Tribüne: Viele Kickers-Fans blieben am Samstag der Reutlinger Kreuzeiche fern.
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Nur wenig Wohlfühlfaktor im roten Nest

Reutlingen macht blau - Kickers gewinnen an der Kreuzeiche, aber nicht alle Fans fühlen sich dort heimisch

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Gerne sind sie nicht in Reutlingen. Daraus machen die Fans des SV Kickers kein großes Geheimnis. Megafonansage eines blau-weißen Fan-Einpeitschers kurz vor Spielbeginn: "Ich weiß, dass ihr alle kein Bock habt, in Reutlingen zu spielen. Aber kommt zu uns rüber und unterstützt die Jungs!"

Gerne sind sie nicht in Reutlingen. Daraus machen die Fans des SV Kickers kein großes Geheimnis. Megafonansage eines blau-weißen Fan-Einpeitschers kurz vor Spielbeginn: "Ich weiß, dass ihr alle kein Bock habt, in Reutlingen zu spielen. Aber kommt zu uns rüber und unterstützt die Jungs!"

Gerd Andrae, Fanbeauftragter des Drittligisten von der Stuttgarter Waldau, räumt nach dem Schlusspfiff ein: "Die Fans haben die neue Heimat noch nicht so gut angenommen. Viele kommen aus Prinzip nicht nach Reutlingen."

Ohne Frage: der vorübergehende Stadionumzug wegen des Tribünenneubaus im Stuttgarter Gazi-Stadion auf der Waldau ist eine außergewöhnliche Situation für die Fans der Stuttgarter Kickers. Man sagt oft, Heimat sei kein Ort, sondern ein Gefühl. In diesem Falle muss dieser Satz umgeschrieben werden. Für die Kickers-Fans wird Reutlingen immer auch ein Ort bleiben. Ein Ort, der mit vielen Erinnerungen an brisante Derbys gegen den heimischen SSV Reutlingen verbunden ist. An der Kreuzeiche wurde man als "Blauer" über Jahre nur angefeindet. Und nun, plötzlich, ist man zu Hause bei Feinden. Im Nest des roten Erzrivalen.

2765 zahlende Zuschauer haben den Kickers-Auftakt am Samstag an der Kreuzeiche verfolgt, davon rund 200 Fans aus Regensburg. Der Klub aus Stuttgart-Degerloch kalkuliert mit einem Saisonschnitt von rund 3500 Besuchern. Insgesamt war die Besucherzahl also enttäuschend. Auch wenn das von den Verantwortlichen am Ende keiner so recht zugeben wollte. Kickers-Sportdirektor Michael Zeyer, der bereits vor mehr als zehn Jahren als Zweitliga-Spieler des MSV Duisburg in Reutlingen aufgelaufen war, sagte: "Es liegt an uns, dass es noch mehr Zuschauer werden. Wir wollen vor allem noch mehr Reutlinger zum Drittligafußball locken." Pressesprecher Hans-Georg Felder hielt fest: "Das Wichtigste am heutigen Tag ist, dass alles ruhig geblieben ist."

Vor der Partie gab es noch Befürchtungen, dass Fans der Reutlinger "Szene E" mit Fangruppierungen der Kickers aneinandergeraten könnten. Denn bis heute verbindet die Anhänger der beiden Klubs nun wirklich keine innige Liebe. Dementsprechend groß war auch das Polizeiaufgebot am Samstag. Polizisten auf Pferden und in Kleinbussen bestimmten das Bild vor dem Reutlinger Kreuzeiche-Stadion. Doch Ausschreitungen blieben vorerst aus. Alle Shuttle-Busse aus Stuttgart und Reutlingen konnten problemlos fahren: "Heute blieb es ruhig. Gegen Hansa Rostock oder Dynamo Dresden könnte das aber schon ganz anders aussehen", sagte ein Kickers-Fan im improvisierten Fanblock auf der Haupttribüne.

Wie kam die Heimspiel-Premiere grundsätzlich bei den Kickers-Fans an? Andreas Beck aus Stuttgart war begeistert: "Die Perspektive von der Haupttribüne ist gigantisch. Man sieht endlich mal alles. In unserem alten Stadion hat man immer nur stückchenweise gesehen." Seine Lebensgefährtin Dagmar Sonnenberg sagte: "Die Sitzplätze in Reutlingen sind für Rentner. Das Polizeiaufgebot ist nicht wirklich gastfreundlich. Insgesamt ist es hier okay. Aber wir gehen auch gerne wieder."

Andere Fans übten noch schärfere Kritik. Klare Worte waren beim Dialog mit Steffen Lohfink aus Ludwigsburg zu vernehmen: "Wie gefällt es ihnen hier in der neuen Heimat?" - "Soll ich ehrlich sein?" - "Immer." - "Es ist alles total unorganisiert. Die Anreise, das Parken, der Ticketverkauf. Niemand konnte mir sagen, wo es Familientickets gibt. Und die Stimmung ist insgesamt deutlich schlechter!"

Zumindest sportlich konnten die Kickers gegen den SSV Jahn Regensburg wirklich alle Fans überzeugen. Nach einem 0:1-Rückstand spielte das Team von Trainer Horst Steffen groß auf, zeigte phasenweise schönen Kombinationsfußball und gewann am Ende mit 3:1. Sandrino Braun setzte mit einem herrlichen Treffer zum 3:1 aus 25 Metern das Highlight des Tages. Just jener Braun, der beim Auftakt-1:2 in Wiesbaden noch völlig frei aus vier Metern vorbeigeschossen hatte.

Der Auftakterfolg erleichtert nun auch die Arbeit von Markus Buchmann. Der Kickers-Vermarktungschef steht derzeit in Kontakt mit Firmen aus der Region Reutlingen, um neue Sponsorenverträge und Kooperationen abzuschließen. Buchmann: "Wir wollen die Region Reutlingen stärker an die Stuttgarter Kickers binden. Wir sind familiär, ein Verein zum Anfassen."

Aufrufe: 05.8.2014, 09:46 Uhr
SüdwestpresseAutor