2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht

Mit Charakter und Willen

Verlinkte Inhalte

Die SV Drochtersen/Assel hat ihre Tabellenführung in der Fußball-Oberliga Niedersachsen auf vier Punkte Vorsprung ausgebaut, weil die Konkurrenz patzte. 80 Minuten lang sieht es so aus, als würde auch Gastgeber D/A gegen den abstiegsbedrohten SV Teutonia Uelzen patzen. Vor allem die ganz schwache erste Halbzeit lässt bei den 500 Fans im Kehdinger Stadion wenig Hoffnung auf Besserung zu. Doch im Fußball gibt es „zum Glück zwei Halbzeiten“, wie D/A-Vorsitzender Rigo Gooßen nach dem 2:1-Sieg bemerkt. Und: „Eine Spitzenmannschaft muss auch mal solche Spiel gewinnen“, wie Doppeltorschütze Finn-Patrick Gierke klarstellt.

Die Selbstverständlichkeit, die Souveränität und das Selbstbewusstsein eines Tabellenführers, eines Favoriten und einer Spitzenmannschaft lässt die SV Drochtersen/Assel in der ersten Halbzeit des Heimspiels gegen den Tabellen-13. SV Teutonia Uelzen komplett vermissen. Beide Mannschaften zelebrieren ein 45-minütiges Kick-and-Rush-Festival; lange, hohe Bälle im Minutentakt, wie sie vielleicht noch in den unteren Spielklassen Englands gespielt werden. Der abstiegsbedrohte Außenseiter wählt die spielzerstörerische Variante als probate und zulässige Methode, um den spielstärkeren Favoriten eben nicht ins Spiel kommen zu lassen. Die Drochterser verhindern allerdings ihr eigenes Spiel selbst, weil sie ihr Heil ebenso fast ausschließlich in lang geschlagenen Flanken in die Spitze suchen. Diese finden aber fast ausschließlich die hellwachen und aggressiv agierenden Teutonia-Verteidiger – die, na klar, den Ball abermals auf die lange Reise schicken. Eine dieser Reisen endet schon nach zehn Minuten im erhofften Ziel, als Uelzens Daniel Maass schneller schaltet als die aufgerückten D/A-Verteidiger und sich Torhüter Christoffer Schellin zu spät fürs Rauskommen entscheidet: 0:1.

Überhaupt die Gedankenschnelligkeit und Spritzigkeit. Diese Voraussetzungen einer Spitzenmannschaft lässt D/A in Halbzeit eins ebenso vermissen. Die Drochterser lassen sich simple Zuspiele ablaufen, werfen Einwürfe dem Gegner in den Fuß und haben bei Angriffsaktionen eklatante Abstimmungsprobleme. Trainer Enrico Maaßen erklärt sich die Müdigkeit mit dem Sonntag, eigentlicher Ruhetag. „Wir hatten zuletzt am Sonntag immer unseren Regenerationstag, darauf stellt sich der Körper ein.“ Es war erst das zweite Spiel nach der Winterpause und der Vorbereitung. Maaßen schätzt sich nach dem Sieg auch glücklich, dass D/A das Glück eines Tabellenführers hold ist während der ersten Halbzeit: Ein anderer Schiedsrichter hätte das unabsichtliche Handspiel Thomas Johrdens nach einer Flanke von Lukas Hertting und/oder das Einsteigen von Sören Behrmann gegen den einschussbereiten Benjamin Tillack vielleicht mit Elfmeter bestraft. „Dann wäre das Spiel wohl anders verlaufen oder ausgegangen“, mutmaßt Maaßen.

Aber Maaßen kann sich auch glücklich schätzen, dass er eine Truppe zusammen hat, „die nicht nur zusammenhält, wenn es gut läuft, sondern auch zusammenrückt, wenn es nicht so gut läuft“. In der zweiten Halbzeit habe die Mannschaft ihren Charakter gezeigt. Zwar haben die Drochterser nach dem Seitenwechsel immer noch Probleme, ihr spielerisches Potenzial auszuschöpfen. Doch der Favorit bestimmt nun zunehmend das Spielgeschehen und setzt Teutonia stetig mehr unter Druck. Vor allem Jannes Elfers und Nico Mau zeigen ungemeine Präsenz und treiben D/A nach vorn. Allerdings bleiben klare Torchancen gegen die aufopferungsvoll kämpfenden Gäste Mangelware. Zehn Minuten vor Spielende erobert dann Jan Felix Anders nach einem Eckball tatsächlich mal einen der sogenannten zweiten Bälle – auf die Maaßen so großen Wert legt, die seine Mannschaft in diesem Spiel aber stoisch vernachlässigt – und legt ab auf Gierke, der humorlos abzieht. Der Ausgleich ist große Erleichterung und wird ausgiebig bejubelt. Doch nun ist die Spitzenmannschaft, die Gierke nach dem Spiel zitiert, erwacht. D/A gibt sich nicht zufrieden, drückt weiter und weiter und wird belohnt. Kein kopfloser, sondern mal ein gefühlvoller langer Ball von Mau hinter die gegnerische Abwehr wird von Alexander Neumann zielstrebig Richtung Tor geführt und dann perfekt quer gespielt. Gierke muss nur noch einschieben und ist, „klar wie Kloßbrühe“, so Gooßen, der Spieler des Tages. Und Gierke sieht sich als Teil einer „Spitzenmannschaft“ – die Charakter gezeigt hat und dazu das nötige Glück hat in diesem schweren Spiel, gegen diesen „unangenehmen Gegner“. Geschafft. Tabellenführung ausgebaut.

Aufrufe: 08.3.2015, 23:13 Uhr
Jan BröhanAutor