2024-05-02T16:12:49.858Z

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Teamarzt Thomas Herzig (Mitte) und Physiotherapeut Günter Schröder behandeln VfL-Spieler Marcel Kandziora.
Teamarzt Thomas Herzig (Mitte) und Physiotherapeut Günter Schröder behandeln VfL-Spieler Marcel Kandziora.

Meller VfL-Arzt Herzig bei der Arbeit gegen Rostock

Wachsamer Blick, fixe Diagnose

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Wenn Fußball-Drittligist VfL Osnabrück spielt, fiebert Thomas Herzig wie viele andere auch mit. Doch der 47-Jährige aus Melle ist anders angespannt als die Fans der Lila-Weißen. Er ist der Mannschaftsarzt des VfL. Wir begleiteten ihn zu einem Heimspiel.

Der langjährige VfL-Mannschaftsarzt Dr. Peter Ettinger holte Dr. Herzig vor elf Jahren ins Funktionsteam. Herzig hat früher selbst Fußball gespielt und interessiert sich seit jeher für den VfL. Ohne diese persönliche Begeisterung geht es wohl nicht. ,,Es ist immer viel Herzblut dabei", sagt der Arzt, der eine Praxis für Allgemeinmedizin in Buer hat. Er sitzt bei den Heim- und bei fast allen Auswärtsspielen am Spielfeldrand.

Eine Stunde vor Anpfiff der Partie gegen Hansa Rostock trifft er an der Osnatel-Arena ein, schaut nach angeschlagenen Spielern und präpariert sie für ihren Einsatz. Auch beim Warmmachen ist er stets ansprechbar. An diesem 3. Mai gibt es vor der Partie nicht viel zu tun, Herzig plaudert mit einem anwesenden Notarzt. Nach einem letzten Gang in die Kabine geht es raus aufs Feld. Herzig nimmt Platz auf der Bank, einen Defibrillator, Eis-, Tape- und Notfallkoffer für den medizinischen Ersteingriff vor sich, Physiotherapeut Günter Schröder und die Ersatzspieler neben sich. Das Trainergespann sitzt derweil auf Stühlen neben der Bank.

In der ersten Viertelstunde passiert aus Arztsicht nicht viel. Herzig bejubelt die VfL-Führung und beklatscht gelungene Aktionen. Dann ist Konzentration gefragt: In der 16. Spielminute bleibt Marcel Kandziora am Boden liegen. Herzig und Physiotherapeut Schröder greifen nach ihren Köfferchen und rennen aufs Feld. Der VfL-Spieler liegt vor dem Hansa-Fanblock und muss sich Schmähgesänge anhören. Herzig fragt nach den Schmerzen und untersucht die Verletzung im Schnellverfahren, um seine Einschätzung nach wenigen Sekunden an die Trainer zu melden, die dann eventuell einen Wechsel vorbereiten müssen. Kandziora hat einen Schlag gegen das Knie bekommen. Herzig und Schröder kühlen die Stelle mit Eis und geleiten den Spieler an den Feldrand. Kandziora kann weitermachen. Herzig und Schröder gehen um den Platz herum zur Bank zurück.

Immer, wenn ein VfL-Spieler gefoult wird, guckt Herzig genau hin. Es ist ein über die Jahre geschulter Blick, der kleinere Blessuren von ernsthaften Verletzungen unterscheiden kann. ,,Ich kann das Spiel auch genießen, muss aber immer wachsam sein, um die wenigen Situationen, die kribbelig sind, sofort zu erkennen. Manchmal ist es schwierig zu differenzieren, gerade bei Kopfverletzungen ist oberste Vorsicht geboten", betont Herzig später.

Er erinnert an den dramatischen Unfall im Zweitligaspiel in Cottbus vor einigen Jahren, als VfL-Stürmer Flamur Kastrati nach einem Kopfballduell bewusstlos zu Boden ging und nach zwölfminütiger Behandlung durch Herzig und Cottbuser Kollegen vom Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht wurde. ,,Das war eine schwierige Situation. So etwas prägt einen."

In der Halbzeitpause des Hansa-Spiels geht der Mediziner mit in die Kabine. In manchen Fällen bespricht er mit dem Trainer, ob ein angeschlagener Spieler ausgetauscht werden muss. Das ist gegen Rostock aber nicht der Fall. Im Profifußball ,,diskutieren" Trainer und Ärzte gelegentlich über den Gesundheitszustand von Spielern. ,,Doch letztlich hat der Arzt die medizinische Verantwortung. Und das muss auch so bleiben", sagt Herzig mit Blick auf die jüngsten Vorfälle um den langjährigen FC-Bayern-Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der nach Meinungsverschiedenheiten mit Trainer Pep Guardiola zurückgetreten war.

Einige Minuten nach Wiederanpfiff liegt Marcos Alvarez am Boden. Herzig ist bereit zu helfen. Doch die Situation bereinigt sich von alleine, der Mannschaftsarzt setzt sich zurück auf die Bank. Als der VfL um die 60. Minute zweimal die Latte trifft, ärgert sich Herzig kurz über die vergebene Doppelchance, treibt sein Team aber sofort wieder motivierend an. Manchmal müsse man sich auch ein wenig bremsen, gesteht Herzig nach Spielschluss lachend, damit der Fan im Mannschaftsarzt nicht zu sehr durchkomme.

In der 73. Minute bittet erneut Alvarez um Hilfe. Das Einsatzduo sprintet herbei, Herzig führt die schnelle Erstuntersuchung durch, kühlt das Sprunggelenk, geleitet den Spieler zum Feldrand, reicht ihm die Trinkflasche. In diesem Fall wechselt Coach Maik Walpurgis den Verletzten aus. Osnabrück gewinnt das packende Spiel letztlich mit 1:0, nach dem Schlusspfiff klatscht sich der Arzt mit Spielern und Betreuerstab ab. Dann kümmert er sich um den doppelt getroffenen Kandziora, den er noch auf dem Rasen an der Hand verarztet. Auch für einen Plausch mit dem Ex-Osnabrücker und heutigen Rostocker Trainer Karsten Baumann bleibt später Zeit.

Die Spielbilanz aus Arztsicht: Es gab unterdurchschnittlich viel zu tun. Einige VfL-Spieler erlitten kleinere Blessuren. Nach einem Sturz auf die Hand trug Kandziora eine dicke Prellung davon. Nach Herzigs eingehender Untersuchung muss die Hand später jedoch nicht geröntgt werden. Nach dem Spiel erstellt der Arzt gemeinsam mit Physiotherapeut Schröder den weiteren Behandlungsplan für die Angeschlagenen um Alvarez und Kandziora, der sich ja zudem das Knie verdreht hatte.

Unter der Woche falle die eigentliche Arbeit an, sagt Herzig. Schröder, der jeden Tag beim Team ist, Herzig und die weiteren Kollegen aus dem Behandlungsteam des VfL stimmen sich eng ab. Die gute Zusammenarbeit im medizinisch-therapeutischen Bereich sei das A und O. Herzig sieht seine Aufgabe vor allem darin, die Behandlung der Profis zu koordinieren und sie zu den richtigen Kollegen zu schicken.

,,Bei der Vielfalt der Verletzungen heute kann der Teamarzt nicht alles abdecken. Aber ich weiß, wo die Spieler die nötige Versorgung bekommen." Da reist ein Spieler auch schon mal zu einer Sprunggelenks-Operation nach Bayern. Überhaupt schätzt der Meller den Austausch mit den Kollegen anderer Vereine, den er gerade auch bei den Auswärtsfahrten pflegt. ,,Von diesen Kontakten profitieren alle, vor allem die Patienten."

Aufrufe: 021.5.2015, 08:00 Uhr
Meller KreisblattAutor