2024-05-02T16:12:49.858Z

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Der Ball ist ihr Freund: Margarita Gidion im Bundesliga-Trikot der SGS Essen | Foto: Sarah Rauch
Der Ball ist ihr Freund: Margarita Gidion im Bundesliga-Trikot der SGS Essen | Foto: Sarah Rauch

Margarita Gidion: Über Schopfheim ins Abenteuer Bundesliga

Die 21-jährige Schopfheimerin spielt bei der SGS Essen in der Bundesliga

Margaita Gidion lernte beim SV Schopfheim mit den Jungs das Fußballspielen, wechselte dann zum SC Freiburg. Heute spielt die U-20-Weltmeisterin Bundesliga bei der SGS Essen im Ruhrpott.
Sturmtief „Jeanne“ hat sich dazu entschlossen, es wie aus Eimern schütten zu lassen. Draußen regiert kaltes, ungemütliches Wetter, drinnen kocht sich Margarita Gidion derweil Tee in ihrer Küche, um eine Erkältung auszukurieren. Die trainingsfreien Tage nach dem Bundesliga-Spieltag kommen wie gerufen. Denn die Mittelfeldspielerin der SGS Essen durchlebt bisher eine Saison mit Höhen und Tiefen. „In der Hinrunde lief es gut, danach schwankte meine Leistung, daran will ich arbeiten, um wieder mehr Einsatzzeiten zu bekommen“, sagt die 21-Jährige, die in Lörrach geboren wurde und beim SV Schopfheim das Fußballspielen erlernte, ehe es sie 2010 zum SC Freiburg zog.

Nachdem „Maggi“, wie sie von der ganzen Mannschaft genannt wird, 2014 vom SC nach Essen gewechselt ist, hat sie einen großen Entwicklungsschritt gemacht. 2015 zog sie mit ihren Leistungen sogar die Blicke von Bundestrainerin Silvia Neid auf sich, die sie daraufhin für den Algarve-Cup in die A-Nationalmannschaft berief. Sie debütierte im März 2015 gegen China. Es war der logische vorläufige Höhepunkt: Denn Gidion hatte zuvor ab der U15 (Debüt im April 2009) alle Auswahlmannschaften durchlaufen. 2014 gewann die Wiesentälerin den Weltmeistertitel mit der U-20-Nationalmannschaft. Gidion war eine feste Größe, sie bestritt in Kanada alle sechs Spiele.

"Maggi weiß gar nicht, was sie alles kann." Markus Högner, Trainer SGS Essen

Der Start in die Spielzeit 2015/2016 verlief für den Rechtsfuß sehr zufriedenstellend. Mitunter fehlt ihr allerdings die Konstanz, weshalb Trainer Markus Högner sie nach der Winterpause des Öfteren auf der Bank platznehmen ließ. Für Essens Co-Trainerin Kirsten Schlosser liegt das derzeitige Problem in der Doppelbelastung durch die Vereinbarung von Berufsleben (Lehre im Groß- und Außenhandel) und Fußballkarriere. „Bevor sie mit der Ausbildung angefangen hat, war ihr Kopf natürlich freier“, sagt Schlosser. Trainer Högner fügt hinzu: „Maggi weiß gar nicht, was sie alles kann. Sie zeigt es noch zu selten.“ Ihre Stärken sieht Gidion „in der Schnelligkeit und in meiner guten Schusstechnik, aber in dieser Saison habe ich leider einige Ups and Downs einzustecken“.

Mit ihrer Teamkollegin Sara Doorsoun hat eine weitere Mittelfeldspielerin der SGS den Sprung in die A-Nationalmannschaft geschafft. „Nein, ich bin absolut nicht neidisch, im Gegenteil, Sara ist eine gute Freundin und hat sich ihre Nominierungen und ihre Einsätze verdient. Ich freue mich für sie genauso wie für Lisa Weiß und gönne den beiden das total. Das gilt für jede Spielerin“, so die Antwort auf die Frage, wie sie mit Konkurrenz aus den eigenen Reihen umgeht. Für Missgunst gibt es auch keinen Grund: Gidion bewegt sich auf einem hohen Level.

Ihr Werdegang wird auch in der Heimat aufmerksam verfolgt: Beim SV Schopfheim fällt ihr Name bei fast jeder Jahreshauptversammlung. Den Grundstein für ihre sportliche Laufbahn legte sie in der Jugendabteilung des SVS, wo sie von der E- bis zur C-Jugend bei den Jungs spielte. „Wir freuen uns sehr über den Verlauf von Maggis Karriere“, sagt SVS-Jugendleiter Fritz Trefzger. „Mit dem Wechsel zur SGS Essen hat Maggi einen großen Schritt in ihrer Karriere gemacht.“ Seit 2014 veranstaltet der Club den „Maggi-Gidion-Cup“ in der Schopfheimer Friedrich-Ebert-Halle, ein Turnier ausschließlich für Frauen-Mannschaften.

Aus dem Wohnzimmerfenster fällt der Blick direkt in eine Kleingartensiedlung, darin einbetoniert ein alter, renovierungsbedürftiger Swimmingpool – ein bisschen Ruhrpott-Idylle im Essener Stadtteil Altendorf, in dem Maggi mit ihrer Teamkollegin Janina Meißner wohnt. „Wir kannten uns aus den Auswahlmannschaften in unserer Heimat schon vorher, wussten aber gegenseitig voneinander nicht, dass wir nach Essen wechseln werden. Dann haben wir uns gedacht: lass uns doch zusammenziehen.“

Gidion ist froh, dass ihre Mitbewohnerin sie im Haushalt unterstützt. „Sie putzt öfter als ich und kümmert sich um meine Wäsche, wenn ich viel unterwegs bin“, sagt sie und lacht. Von Zickenkrieg keine Spur, die beiden verstehen sich auf und neben dem Platz. „Zu Hause sehen wir uns eher selten, weil ich meistens den ganzen Tag unterwegs bin, aber ab und an laden wir ein paar Mädels aus der Mannschaft zu uns ein und machen es uns gemütlich“.

Das Leben als Sportlerin lässt nicht viel Raum für Freizeit. Um acht Uhr beginnt ihr Arbeitstag, danach geht es direkt zum Training. Die Leidenschaft zum Fußball ist es, die sie antreibt. Mit Anfang 20 sieht der Alltag vieler junger Frauen sicherlich anders aus. Ein Partyleben führt Gidion jedenfalls nicht. An der weißen Wand im Wohnzimmer über dem Fernseher hängt eine große Leinwand, die das Foto des R’n’B-Sängers Miguel schmückt („Den lieb’ ich übertrieben“), irgendwo muss auch eine Playstation sein, denn „wenn ich abends nach Hause komme, liege ich meistens nur noch auf dem Sofa und spiele eine Runde ’FIFA 16’“.

Für die deutsche Bundesliga der Männer kann sie sich nicht begeistern. „Interessiert mich nicht besonders. Ich verfolge lieber die Spiele von Real Madrid, wenn ich Zeit habe.“ Im portugiesischen Superstar Cristiano Ronaldo hat sie ihr Vorbild gefunden. „Er verkörpert für mich den perfekten Sportler.“ Bevor andere auf dem Trainingsplatz stehen, „ist er meistens schon vor Ort“. Gidion bewundere dessen „Leidenschaft und seinen Willen, immer der Beste sein zu wollen“.

"Ich glaube nicht an eine Popularität wie in den USA." Margarita Gidion

Warum sie keine Fußballerin als Vorbild hat, liegt für Gidion vor allem in der geringeren TV-Präsenz von Frauenfußball begründet. „Ich verfolge die Frauen-WM, sehe mir (die Brasilianerin) Marta gerne an, aber die Situation ist nun mal eine andere. Frauenfußball hat einfach nicht den größten Stellenwert in Deutschland.“ In den USA sei das anders: „Wenn die Portland Thorns spielen, dann sind da 20000 Leute im Stadion. Ich glaube nicht, dass unser Sport in Deutschland jemals so populär sein wird, auch wenn in der Hinsicht schon viel passiert ist, wie die Live-Übertragungen einiger Spiele auf Eurosport zeigen.“

Die Sommerpause will Gidion nutzen, um sich zu regenerieren und neu anzugreifen. „Mit einigen Spielerinnen aus der Mannschaft haben wir Urlaub geplant. Wahrscheinlich wird es Griechenland werden.“ Bei der SGS will sie eine feste Größe werden. „Ich möchte, dass der Trainer an mir nicht vorbeikommt“, sagt Gidion und ergänzt: „Das ist mein großes Ziel, mich zu einer gestandenen Spielerin zu entwickeln.“
Aufrufe: 021.4.2016, 22:00 Uhr
Sarah Rauch (BZ)Autor