2024-05-24T11:28:31.627Z

Ligabericht
Isabell Kerschowski, Foto: Uli Herhaus
Isabell Kerschowski, Foto: Uli Herhaus

Lob und Lehrstunde vom VfL Wolfsburg

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In der Frauenfußball-Bundesliga unterliegt Bayer 04 Leverkusen dem amtierenden Triple-Sieger VfL Wolfsburg mit 0:4. „Sie haben eine junge Mannschaft, die sehr guten Fußball spielt” lobte Wolfsburgs Trainer Ralf Kellermann.

Stellvertretend für ihre Kolleginnen von Bayer 04 Leverkusen gab sich Isabell Kerschowski vor dem Spiel am Sonntagnachmittag gegen den VfL Wolfsburg selbstbewusst. Kerschowski, sonst Leverkusener Kapitänin, konnte selbst nicht mitwirken. Wegen einer Grippe hatte sie das Training in der vergangenen Woche verpasst. „Angst vor Wolfsburg” — immerhin amtierender Triple-Sieger — „nein, wieso?”, fragte sie, als sie in zivil in Richtung Stadion schlenderte und argumentierte: „Beim letzten Heimspiel gegen Potsdam waren wir ja auch die bessere Mannschaft, aber Potsdam hat eben die Erfahrung, um alle Chancen zu nutzen.”

Kerschowskis Zusammenfassung der 1:5-Niederlage vor drei Wochen gegen Turbine Potsdam hätte auch als präzise Prognose für die erste Halbzeit gegen Wolfsburg dienen können. Leverkusen machte ein passables Spiel, hatte mehr Ballbesitz kombinierte bis in die gegnerische Hälfte gefällig — doch Tore machten ausschließlich die Gäste, und zwar vier aus vier Chancen. „Leverkusen war spielerisch sehr gut, doch das Toreschießen war einfach. Das war ein Geschenk für uns”, sagte Wolfsburgs Trainer Ralf Kellermann hinterher.

Nicht einmal zwei Minuten waren vor rund 500 Zuschauern gespielt, da hebelten die Wolfsburgerinnen die weit aufgerückte Leverkusener Abwehr mit einem simplen langen Ball in den Strafraum aus: Innenverteidigerin Marisa Ewers stand falsch, sodass Nationalspielerin Alexandra Popp ungestört auf Zsanett Jakabfi querlegen konnte. Jakabfis ersten Schuss parierte Bayer-Torhüterin Lisa Schmitz noch, beim Nachschuss war sie machtlos. „Wir haben vor langen Bällen gewarnt und gleich beim ersten machen wir einen entscheidenden Fehler”, analysierte der Leverkusener Trainer Thomas Obliers. „Das ist natürlich mehr als ärgerlich.”

Bei ungemütlich kühlen Temperaturen und zugigem Wind im Ulrich-Haberland-Stadion war Bayer nach dem frühen Nackenschlag die aktivere Mannschaft, doch die Geschehnisse glichen verblüffend der Niederlage gegen Potsdam: Bayer war zu naiv, um den VfL ernsthaft zu gefährden. Beispielhaft war das 0:2 nach 18 Minuten: Isabell Linden erkämpfte sich in der gegnerischen Hälfte einen Freistoß, die Ausführung von Carolin Simon war durchaus passabel, Wolfsburgs Torhüterhin Almuth Schult parierte. Doch das allzu behäbige Umschaltspiel der Gastgeberinnen ermöglichte der Wolfsburgerin Anna Blässe ein müheloses Solo auf der rechten Außenbahn. Blässes Flanke war zwar zu lang, doch weil niemand der inzwischen nach hinten geeilten Linksverteidigerin Simon zurief, dass in ihrem Rücken weit und breit keine Gegenspielerin zu sehen war, klärte sie ohne Not zur Ecke. Lena Gößling flankte, Nadine Keßler verlängerte mit dem linken Fuß am kurzen Pfosten — und es stand 2:0.

„Noch einmal überraschen”, so hatte Bayer die Ankündigung für das Spiel im Stadionmagazin betitelt, in Anlehnung an das 2:2 in Frankfurt vor vier Wochen, bei dem die Leverkusenerinnen in der Bundesliga zuletzt einen Punkt holten. Anstatt dessen bezahlten sie noch einmal Lehrgeld: Popp köpfte einen Eckstoß von Verena Faißt ins Netz und kurz darauf zirkelte Faißt selbst einen Freistoß aus 20 Metern in den Winkel — nach einer halben Stunde stand es 4:0 und das Spiel war entschieden. „Wir waren gnadenlos effektiv”, sagte Kellermann, „es ist ganz bitter für uns gelaufen”, ergänzte sein Gegenüber. Obliers schlich nach 45 Minuten mürrisch in die Kabine, hinterher gab er zu: „Nach der ersten Halbzeit waren wir alle demoralisiert, ich auch.”

Doch die Leverkusenerinnen wahrten ihr Gesicht, ließen zwar im zweiten Spielabschnitt noch einige Chancen zu, hätten aber mit etwas Glück durch Isabelle Linden und die auf der rechten Seite sehr aktive Nina Claassen zumindest den Ehrentreffer erzielt. Allerdings zielte Linden zweimal zu hoch und Claasens versuchten Schlenzer aus zehn Metern wehrte die Schult ab.

Neben einer Lehrstunde in Sachen Effektivität, gab es vom Gegner aber nach dem Spiel auch Lob für die Leverkusenerinnen. „Sie haben eine junge Mannschaft, die sehr guten Fußball spielt”, sagte Kellermann und fügte mit Nachdruck hinzu: „Leverkusen wird keine Probleme bekommen.” Nach nun vier Spielen gegen die vier besten Mannschaft der Liga (Frankfurt, Potsdam, München, Wolfsburg), würde Bayer nun wieder Gegner auf Augenhöhe erwarten, sagte der Wolfsburger Coach, der vom Weltfußballverband FIFA jüngst zur Wahl des Frauenfußballtrainer des Jahres nominiert wurde - so jemand muss es wissen: „Sie werden bald wieder punkten.”

Da musste selbst Obliers am Sonntagabend grinsen, was nach seiner schlechten Laune 45 Minuten zuvor wie ein Wunder erschien, und sagte: „ Ich mache mir keine Sorgen. Den einen oder anderen Punkt werden wir schon noch sammeln.”

Bayer 04: Schmitz — Claasen, Prießen, Ewers (73. El-Kessem), Simon — Hendrich, Knaak, R. (66. Weber), Petzelberger, — Barth, Linden, Beck (66. Knaak, T.). Tore: 1:0 Jakabfi (2.), 2:0 Keßler (18.), 3:0 Popp (27.), 4:0 Faißt (29.).

Aufrufe: 03.11.2013, 22:08 Uhr
Kölner Stadt-Anzeiger / Sebastian FischerAutor