2024-05-02T16:12:49.858Z

Aufreger der Woche
F: Rodzinski So reich gesegnet mit Jugendspielern wie die Profiteams vom SV Wehen Wiesbaden und FSV Frankfurt sind nur wenige Teams aus der Region.
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Leserbrief zum Thema Punktabzüge wg. fehlenden Unterbau

Leserbrief von Peter Brandner (SC Neukirchen) zum Artikel über Punktabzüge in den Verbandsklassen wegen fehlender Jugendspieler +++

Beim Thema Punktabzüge wegen fehlender Jugendspieler und Unterbau gab es in den letzten Wochen einen großen Aufschrei und Unverständnis bei vielen Vereinen und Verantwortlichen. Kritisiert wird unter anderen, dass die Regel zu einem Zeitpunkt greift, nachdem noch viele Jugendspiele angesetzt sind und dass Jugendarbeit in der Vergangenheit unzureichend gewürdigt wird. Manche Vereine sind zudem aufgrund der Einwohnerzahl im Ort schon benachteiligt und nicht in der Lage die Regel zu erfüllen. Wir haben einen Leserbrief von Peter Brandner (Jugendleiter SC Neukirchen) erhalten.

Zunächst unterstelle ich dem Hessischen Fußballverband mit dem §27 seiner Spielordnung die Absicht, den Jugendfußball fördern zu wollen. Hier fordert der Verband von allen Vereinen ab der Gruppenliga einen entsprechenden Unterbau an Reserve- und Jugendmannschaften. Auf den ersten Blick müssten alle Jugendleiter diese gut gemeinte Absicht unwidersprochen mittragen. Betrachtet man allerdings einige aktuelle Konsequenzen, dann entstehen doch beträchtliche Zweifel an der Stimmigkeit und Nützlichkeit dieser Regelung. So meldet das Internet-Fußballportal FuPa.net am 28.05.2016, dass alleine in der Region Kassel 16 Vereine wegen der Nichterfüllung der „Unterbau-Regel“ mit Geldstrafen und Punktabzügen sanktioniert werden. Das Beispiel des auch betroffenen Gruppenligisten SG Immichenhain/Ottrau zeigt, welche nahezu grotesken und kaum nachvollziehbare Folgen ein gut gemeinter, aber schlecht gemachter „Jugendschutz“ bewirken kann. Der Gruppenliga Aufsteiger (GL 1/ Kassel) erspielte sich mit 40 Punkten sportlich den sicheren Klassenerhalt – gäbe es da nicht noch die 3 Punkte-Bestrafung gemäß §27SpO! Lediglich der Umstand, dass auch beim direkten Tabellennachbarn ebenfalls 3 Minuspunkte verbucht wurden, verhinderte das nachträgliche Abrutschen auf einen abstiegsgefährdeten Tabellenplatz! Dabei ist gerade bei dem erwähnten Verein die hervorragende Jugendarbeit in der Vergangenheit die Grundlage für den aktuellen sportlichen Erfolg. Die momentane Gruppenliga-und Reservemannschaft rekrutiert sich nachweislich zu über 80% aus Spielern der eigenen Jugendspielgemeinschaft! Folgerichtig und mit einer gewissen Verzweiflung stellt man sich hier die berechtigte Frage: „Ist unsere langjährige und engagierte Jugendarbeit tatsächlich bestrafungswürdig?“

Ergänzend sei erwähnt, dass in der Gemeinde Ottrau (Einwohnerzahl ca. 2250) ungefähr 25% aller Jungen der entsprechenden Jahrgängen in den gemeldeten Jugendmannschaften aktiv Fußball spielen. Diese Quote reicht für die Verbandsauflagen allerdings nicht aus – aber wie viele Großvereine in den Ballungsgebieten können eine ähnliche Relation vorweisen?

Ein ungläubiges Kopfschütteln aller Betroffenen ruft eine weitere Bestimmung des hier kritisierten Paragraphen hervor. Hat ein Verein die geforderte Anzahl an Jugendlichen erfüllt, so muss jeder Spieler bis zum 15. Mai der laufenden Spielserie mindestens 10 Pflichtspiele nachweisen, um die erwähnte Bestrafung der 1. Mannschaft zu verhindern. In der Spielserie 2015/16 sind nach diesem Stichtag im Jugendbereich noch insgesamt 27 Pflichtspiele angesetzt, die gar nicht mehr in die Wertung fallen können!

Wie absurd ist eine Stichtagsregelung, die den vom eigenen Verband terminierten Jugendspielbetrieb in dieser Weise außer Acht lässt?

Abschließend sei noch auf einen Punkt hingewiesen, der allen Vereinen im Einzugsgebiet von Großvereinen das Erreichen der Mindestspielerzahlen noch zusätzlich erschwert. In den hochgepriesenen DFB-Stützpunkten wird dem talentierten Nachwuchs oft bereits im D-Jugendalter ein Vereinswechsel

empfohlen, der ihnen sicherstellt zukünftig durchgängig wenigstens auf Gruppenliganiveau spielen zu können. In der Konsequenz bricht bei den abgebenden Heimatvereinen der Unterbau im Jugendbereich qualitativ und zahlenmäßig weiter ein.

Die dargestellten Probleme zum gut gemeinten aber zum Teil schlecht gemachten §27SpO verlangen dringende Korrekturen. Nur so kann der Hessische Fußballverband sicherstellen und demonstrieren, dass man jetzt und zukünftig sehr wohl auch Fußballvereine aus kleinen Gemeinden in den Spielklassen ab der Gruppenliga willkommen heißt. Eine gute Gelegenheit bietet der 33. Ordentliche Verbandstag am 18.06.2016 in Grünberg – ich wünsche den Verantwortlichen in diesem Zusammenhang gute Beschlüsse!

Peter Brandner (Jugendwart SC Neukirchen)

Aufrufe: 02.6.2016, 07:04 Uhr
Florian DiehlAutor