2024-06-19T10:33:50.932Z

FuPa Portrait
Im Trikot des Berliner AK legte Lennart diese Saison stark los - bis er sich Sprunggelenk verletzte. Mal wieder. Foto: imago
Im Trikot des Berliner AK legte Lennart diese Saison stark los - bis er sich Sprunggelenk verletzte. Mal wieder. Foto: imago

Lennarts Karriere ist wirklich Hartmann

Das frühere Talent von Hertha BSC kickt inzwischen beim Berliner AK. Immer wieder hieß es für ihn: Verletzt, abgeschoben, aussortiert

Wenn Lennart Hartmann mit seinen Krücken im Wedding nahe des Schäfersees von der Reha nach Hause humpelt, nimmt kaum einer Notiz von ihm. Mancher wird sagen, irgendein Hobby-Kicker, der sich verletzt hat. Einer von vielen, die es trotz Talents im Fußball doch nicht geschafft haben. Lennart Hartmann hat richtig viel Talent. Aber beim Verteilen muss der Fußball-Gott einen Pech-Uhu auf der Schulter gehabt haben.

Im Alter von 17 Jahren 4 Monaten und 14 Tagen wurde er im August 2008 beim 2:0 von Hertha in Frankfurt nach 67 Minuten eingewechselt und ist bis heute der jüngste Spieler, der jemals für Hertha in der Bundesliga spielte. „Da steht man an der Seitenlinie und denkt, hey, jetzt bist du da, wo du hin wolltest. Dafür hast du dich von klein auf beim Training geschunden, auf viele Dinge verzichtet“, erinnert sich der 22-Jährige.

Mit Lucien Favre hatte er einen Trainer, der große Stücke auf ihn hielt. Aber die nächsten Bundesliga-Minuten ließen wegen einer Leisten-OP und Problemen an der Hüfte ein Jahr auf sich warten. Kaum war Hartmann endlich wieder richtig fit, musste sein Förderer Lucien Favre gehen – und Friedhelm Funkel wurde Trainer.

Doch der sortierte erst einmal die jungen Spieler aus. Nach dem Abstieg trainierte Hartmann wieder bei den Profis. „Aber Markus Babbel hat mir gesagt, dass er mich nur auf der Position von Raffael sieht, meine Chance dadurch gering ist“, so Hartmann, der es deshalb in Kanada bei Vancouver versuchte. Hartmann: „Ich dachte, schöne Stadt, dort lässt es sich leben. Aber nach zwei Wochen Training war mir das als Fußballer zu wenig. Vancouver habe ich nicht mal gesehen, weil wir irgendwo in der Wüste im Trainingslager waren.“

Dann sagte er Gladbachs Amateuren ab. Hartmann: „Ich war ja schon Profi. Aber der Schritt zurück, wäre wohl mein Glück gewesen. Denn drei Monate später kam Lucien Favre nach Gladbach.“

So ging es im Sommer 2011 nach Aachen in die Zweite Liga. Hartmann: „Weil es sportlich nicht lief, wurde auch dort der Trainer gewechselt. Und es kam ausgerechnet Friedhelm Funkel. Was habe ich nur getan, dass ich gleich zweimal diesen Trainer hatte? Wie in Berlin wurde ich ohne Begründung zur Zweiten geschickt.“

Wenn er über diese Zeit spricht, spürt man in jedem Wort immer noch tiefen Seelenschmerz. Hartmann: „Irgendwann war es so schlimm, dass ich mir sogar psychologische Hilfe holen wollte. Ich hatte keine Lust zum Aufstehen, war nicht mehr ich. Fremde Stadt ohne Familie, ohne Freunde. Ich hatte auch sonst keinen, mit dem ich mich austauschen konnte. Die Fußballkumpels waren bei den Profis und hatten einen ganz anderen Rhythmus. Mein Training begann erst abends, irgendwo auf dem Dach eines Parkhauses. Aachens Zweite spielt ja nur in der 5. Liga.“

Weil er seelisch immer mehr in sich zusammenfiel, sollte er für paar Tage nach Berlin fahren. Hartmann: „So schnell saß ich noch nie im Auto und war weg. Nur musste ich irgendwann zurück. Eigentlich will ich immer schnell ankommen. Aber die Fahrt nach Aachen hätte auch 13 Stunden dauern können.“

Bei Drittligist Babelsberg fand der gebürtige Berliner wieder in die Spur. „Ich stand sogar kurz vor einem Wechsel zu einem Zweitligisten. Aber ein Riss des Deltabandes im rechten Sprunggelenk machte alles zunichte.“

Jetzt spielt er für den Berliner AK in der Regionalliga – und schaut derzeit wieder nur zu. Hartmann: „Dieses Mal habe ich mir das Deltaband im linken Fuß gerissen. Selbst der Doc schüttelte fassungslos den Kopf. So eine Verletzung ist höchst selten. Aber ich ziehe sie mir gleich zwei Mal in einem Jahr zu.“

Wenn Hartmann darüber spricht, kämpft in seinen Augen schon der neue Lebensmut gegen die Traurigkeit – und ist klar auf der Siegerstraße. Hartmann: „Als ich seelisch am Boden war, hat mir meine Oma ein Buch geschenkt. ,Nachspielzeit – eine unvollendete Fußballkarriere’, geschrieben von einem Bayern-Spieler, dem es ähnlich ging wie mir. Erst habe ich das Buch zur Seite gelegt, weil ich dachte, es zieht mich noch weiter runter. Aber dann las ich es doch und habe sehr viele Parallelen gesehen.“

Obwohl es bei Spielen von Hertha vor dem Fernseher immer noch wehtut, fühlt er sich inzwischen auch ohne großen Fußball wohl. Hartmann: „Irgendwann habe ich mich gefragt: Brauche ich das alles? Oder kann ich auch im normalen Leben glücklich sein?“ Die Antwort lautet: Ja! Hartmann ist seit Dienstag Jura-Student an der FU!

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Aufrufe: 08.10.2013, 21:36 Uhr
Berliner-KURIER.de / RENÉ MILLERAutor