2024-05-22T11:15:19.621Z

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Der Fall des einstigen Wilhelmshaveners Sergio Sagarzazu (am Ball, hier 2007 im DFB-Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern) beschäftigt seit Jahren die Gerichte.  Bild: Piet Meyer
Der Fall des einstigen Wilhelmshaveners Sergio Sagarzazu (am Ball, hier 2007 im DFB-Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern) beschäftigt seit Jahren die Gerichte. Bild: Piet Meyer

Langer Streit steht vor Abpfiff

Verein kämpft nächste Woche vor BGH um sein Recht +++ Der Club weigerte sich, eine Ausbildungsentschädigung zu zahlen +++ Sollte er Recht behalten, gerät die Sportgerichtsbarkeit ins Wanken

Sergio Sagarzazu lebt inzwischen 12 000 Kilometer von Wilhelmshaven entfernt im argentinischen San Juan. Dort spielt der 28-Jährige für den Fußball-Erstligisten Club Atlético San Martin in der Abwehr. Am nächsten Dienstag, 5. Juli, geht der jahrelange Rechtsstreit, den Sagarzazu einst mit seinem Wechsel aus Argentinien zum SV Wilhelmshaven ausgelöst hatte, in die nächste Runde. Denn dann verhandelt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe darüber, wie Sportgerichtsbarkeit und ordentliche Gerichte nebeneinander arbeiten können und dürfen.

Der Weltverband Fifa hatte einst bestimmt, dass der damals drittklassige Verein aus Wilhelmshaven nach der Verpflichtung von Sagarzazu Anfang 2007 rund 157 000 Euro Ausbildungsentschädigung an zwei Jugendvereine des Spielers zu zahlen habe. Der SVW weigerte sich und klagte erfolglos innerhalb der Sportgerichtsbarkeit. Parallel dazu verhängte der Norddeutsche Fußball-Verband (NordFV, der verlängerte Arm des Deutschen Fußball-Bundes, der wiederum Mitglied in der Fifa ist) diverse Strafen gegen den zahlungsunwilligen SVW.

Inzwischen in 7. Liga

Waren es zunächst Punktabzüge, griff der NordFV auf Betreiben der Fifa dann zu schärferen Mitteln: Im November 2013 wurde der damals wieder viertklassige Club mit dem Zwangsabstieg zum Saisonende bestraft. Der Mannschaft fehlte nun jede Motivation, so dass sie auch auf sportlichem Wege den Klassenerhalt verpasste. Da der Club danach keine Lizenz für die fünftklassige Oberliga erhielt, startete das Team 2014/15 in der sechstklassigen Landesliga. Aus dieser stieg die Mannschaft in der Spielzeit 2015/16 ab, so dass der SVW in der neuen Saison in der siebtklassigen Bezirksliga antritt.

Daran haben NordFV, DFB und Fifa zwar direkt keine Schuld, in Wilhelmshaven sieht man die Strafen aber als Auslöser des Abwärtstrends. Und der SVW wehrte und wehrt sich. Der Verein zog vor ordentliche Gerichte, und das Oberlandesgericht (OLG) Bremen entschied 2014, dass die Strafen zu Unrecht verhängt worden seien. „Die Höhe dieser Summe für einen Spieler, der gerade einmal 18 Monate bei uns war, haben wir immer für unverhältnismäßig gehalten“, sagte Harald Naraschewski, Rechtsanwalt und Aufsichtsrats-Vorsitzender des SVW: „Wir sind dem Gericht dankbar dafür, dass es sich in der nötigen Tiefe mit dieser Problematik beschäftigt hat.“

Das OLG begründete das Urteil nämlich mit einem Punkt, der das Funktionieren der Sportgerichtsbarkeit infrage stellt. Da Sagarzazu auch einen italienischen Pass besitzt, verstoße die Fifa-Strafe gegen europäisches Recht. Denn Sagarzazu habe das Recht, sich seinen Arbeitsplatz frei zu wählen. Wenn er aber als Säckchen mit sich herumtrage, dass ein möglicher neuer Arbeitgeber erst einmal eine hohe Entschädigung zahlen müsse, schränke ihn das eben bei der Wahl seines Arbeitsplatzes ein – kaum ein Verein könne es sich leisten, ihn einzustellen. Überspitzt gesagt, dürfe also Sportrecht nicht über ordentlichem Recht stehen.

Verbände wehren sich

Die Sportverbände wollen sich diese Autonomie aber erhalten. Der NordFV legte Rechtsmittel ein, der Fall wird nun vor dem BGH verhandelt. Bliebe es bei der Entscheidung aus Bremen, „würde es bedeuten, dass der Sportbetrieb auf internationaler Ebene künftig rechtlich durch nationale Einzelentscheidungen bestimmt würde“, erklärte Eugen Gehlenborg, Präsident des NordFV und Vizepräsident des DFB: „Dieses würde zur Handlungsunfähigkeit des internationalen Sportbetriebs führen.“

Sollte der BGH zu Gunsten des SVW urteilen, würden sich zig Fragen stellen. In welcher Liga muss der Club eingegliedert werden? Hat er das Recht auf Schadenersatz? Wenn ja, bei welchem Verband? Und wie muss die Sportgerichtsbarkeit nun organisiert werden? Davon würde wohl auch Sagarzazu im fernen Argentinien etwas mitbekommen.

Aufrufe: 030.6.2016, 11:23 Uhr
Hauke RichtersAutor