2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
Gerade in der Nordeifel stehen Kunstrasenplätze hoch im Kurs, da sie die witterungsbedingten Wettbewerbsnachteile der Eifeler Clubs im Winterhalbjahr ein wenig zu drosseln vermögen. Auch der Fußballnachwuchs weiß die Vorzüge des künstlichen Belags bereits zu schätzen, wäre aber von einer möglichen Gefährdung auch besonders betroffen.Fotos: Heiner Schepp
Gerade in der Nordeifel stehen Kunstrasenplätze hoch im Kurs, da sie die witterungsbedingten Wettbewerbsnachteile der Eifeler Clubs im Winterhalbjahr ein wenig zu drosseln vermögen. Auch der Fußballnachwuchs weiß die Vorzüge des künstlichen Belags bereits zu schätzen, wäre aber von einer möglichen Gefährdung auch besonders betroffen.Fotos: Heiner Schepp

Kunstrasenplätze: Alles im grünen Bereich

Marktführer Polytan, der auch fast alle Eifeler Spielfelder gebaut hat, gibt Entwarnung. Roetgen geht dennoch auf Nummer sicher

In den vergangenen Tagen sind viele Fußball-Amateurspiele in den Niederlanden ausgefallen, weil die dortigen Vereine sich um die Gesundheit ihrer Spieler sorgen: Granulate auf Kunstrasen sollen möglicherweise krebserregend sein, wie Wissenschaftler in der niederländischen TV-Sendung „Zembla“ erklärt haben. In der Nordeifel sehen die Kommunen als Eigentümer der Platzanlagen und die Klubs als Nutzer das Thema etwas gelassener – auch, weil die in Bayern sitzende Firma Polytan, die fast alle Kunstrasenplätze in Monschau, Roetgen und Simmerath gebaut hat, zum wiederholten Mal auf die Unbedenklichkeit ihrer eingebauten Materialien verwiesen hat.

Es war schon ein gehöriger Schrecken, der auch durch die deutschen Sportvereine ging, als die Boulevardpresse vergangene Woche von den Vorfällen im Nachbarland berichtete, wo infolge des Fernsehberichts Fußballspiele abgesagt und sogar abgebrochen wurden, weil die Vereinsverantwortlichen das dargestellte Gesundheitsrisiko nicht mittragen wollten. Auch in Deutschland tauchen immer wieder mal Verdachtsmomente gegen die bei Kunstrasenplätzen verbauten Materialien auf, bereits vor zwölf Jahren berichtete die ARD-Sendung „Kontraste“ darüber, dass Gummi-Granulate in der Füllschicht von Kunstrasen krebserregende Stoffe, sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), enthalten.

„Granulate qualitätsüberwacht“

In der Nordeifel wird aktuell auf sieben Kunstrasenplätzen Fußball gespielt und anderer Sport getrieben (siehe Box). Laut Nachfrage unserer Zeitung wurden mit Ausnahme des Kleinspielfeldes in Kalterherberg, das in Eigenleistung gebaut wurde, alle Plätze von der Firma Polytan gebaut. Das Unternehmen aus dem oberbayrischen Burgheim war nach den TV- und Presseberichten in den vergangenen Tagen vielgefragter Ansprechpartner jener Vereine, die einen Polytan-Kunstrasen auf ihrem Sportgelände ausgerollt haben. „Mit großem Interesse haben auch wir die Veröffentlichungen in den Medien der vergangenen Tage verfolgt, in denen ein Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen von Sportlern und dem Material SBR durch Hautkontakt hergestellt wird“, sagte Friedemann Söll, Mitglied der Geschäftsleitung bei Polytan, am Montag unserer Zeitung. Als SBR werden Altreifen-Granulate bezeichnet, die zum Beispiel in Kunstrasen als Einfüllmaterial verwendet werden können, um gute sporttechnische Eigenschaften zu erzielen. In Deutschland gebe es, im internationalen Vergleich, einen hohen Standard für Kunstrasenplätze. Die Mehrzahl aller Kunstrasenplätze werde mit eigens gefertigten, neuen elastischen Qualitäts-Granulaten verfüllt. „Als marktführendes Unternehmen berät Polytan seine Kunden seit vielen Jahren, EPDM-Granulate als Einfüllmaterial mit deutschem Ursprung zu verwenden. EPDM-Granulate erfüllen nicht nur in höchstem Maße sowohl die sportspezifischen Eigenschaften als auch die Anforderungen für den Schutz von Mensch und Umwelt, sondern auch die Anforderungen der europäischen Spielzeugnorm EN 71-3. In diesen EPDM-Granulaten sind die diskutierten PAK-Werte teilweise unterhalb der Nachweisgrenze“, erläuterte der Geschäftsführer. Nur auf Kundenwunsch bzw. durch Vorgaben in Ausschreibungen installiere Polytan auch alternative, zertifizierte Einfüllgranulate (auch SBR). Alle Granulate würden jedoch „durch die RAL-Gütegemeinschaft extern qualitätsüberwacht und erfüllten grundsätzlich alle gesetzlichen Anforderungen“, sagt Friedmann Söll.

Deutlich wird der Experte beim Vergleich mit den Kunstrasenplätzen im Nachbarland: „In den Niederlanden ist die Systembauweise grundlegend anders als in Deutschland. Diese Plätze haben in der Regel keine elastischen Unterbauten und benötigen daher deutlich mehr Gummi-Granulate im Kunstrasen – etwa 15 bis 18 kg pro Quadratmeter gegenüber 4 bis 5 in Deutschland. Bei unseren Nachbarn wird daher aus Preisgründen in der Regel auf SBR-Granulate zurückgegriffen. So kommt es, dass es in Holland kaum Plätze gibt, die mit EPDM-Granulaten verfüllt sind“, stellt Söll klar.

Der Polytan-Sprecher möchte das Thema keineswegs herunterspielen, hält aber auch fest: „Wenngleich die aktuellen Medienberichte mögliche Zusammenhänge zwischen SBR und Krebserkrankungen herstellen, müssen wir in dieser Diskussion ebenfalls akzeptieren, dass in mehr als 45 wissenschaftlichen Studien aus dem In- und Ausland in dieser Frage kein Zusammenhang hergestellt werden konnte.“

Auch aufgrund der Aussagen von Polytan betrachtet man in den Kommunen die Sache derzeit noch recht gelassen. „Wir sehen aufgrund des Gutachtens von Polytan im Moment keine Veranlassung, etwas zu unternehmen“ – es seidenn, wir erhielten Kenntnis, dass es auch nur den Hauch einer Gefährdung für die Menschen gäbe, die dort Sport treiben“, sagte der neue Beigeordnete der Gemeinde Simmerath, Bennett Gielen. Ähnlich sieht es Hermann Mertens bei der Stadt Monschau: „Wir werden sicherlich keinen Sportplatz aufgrund dieser Berichte sperren“, sagte der allgemeine Vertreter der Bürgermeisterin. Die Aussagen von Polytan liegen zwar auch der gemeinde Roetgen vor, dennoch hat man sich dort entschieden, die drei Plätze – zwei in Rott, einer in Roetgen – prüfen zu lassen. „Der Aufwand ist überschaubar; da gehen wir lieber auf Nummer sicher“, sagte Dirk Meyer vom Bauamt am Montag. Den Auftrag dazu wird die Firma BGU in Stolberg diese Woche erhalten, die „zeitnah, das heißt innerhalb von 24 Stunden nach Auftragserteilung, Proben an den drei Plätzen nehmen“ wird, so Geschäftsführerin Dr. Gabriele Dieken. Die Proben würden an ein akkreditiertes Prüflabor geschickt und innerhalb von drei Tagen auf ihren PAK-Wert überprüft, so die Expertin, die feststellt: „Bis zum nächsten Wochenende hat die Gemeinde Roetgen Klarheit.“

Für deutsche Firma entschieden

Als 2006 der Platz in Konzen gebaut wurde, war man auch drauf und dran, den günstigeren Anbieter aus den Niederlanden zu beauftragen. „Wir haben uns dann aber doch für die deutsche Firma entschieden“, erinnert sich Martin Krings, einer der führenden Ehrenamtler beim Sportplatzbau des TV. Auch Hermann Koll von Hansa Simmerath glaubt nicht, dass vom recht neuen Platz an der Sekundarschule Gefährdungen ausgehen. „Wenn man früher nach Regenschauern auf die ersten Kunstrasenplätze ging, roch es immer extrem nach alten Autoreifen. Das haben wir hier in Simmerath nie gehabt. Deshalb verlassen wir uns da auf die Aussagen von Polytan“, so der 2. Vorsitzende und Leiter der Fußballabteilung.

Der Ball wird also auch nächstes Wochenende wieder rollen in Simmerath und Eicherscheid, Konzen und Kalterherberg, in Rott und Roetgen.

Kunstrasenplätze in der Nordeifel

Bisher wenige verlässliche Studien zum Thema

Die ersten Kunstrasenplätze in der Nordeifel wurden in der Gemeinde Roetgen gebaut. Der Platz des FC Roetgen wurde 2002 eingeweiht, musste aber 2014 wegen erheblicher Abnutzungserscheinungen bereits komplett saniert werden.

Der Platz des SV Rott folgte 2003 und wurde zehn Jahre später durch ein Kunstrasen-Kleinspielfeld ergänzt. In den Eifeler Nachbarkommunen wurde man wenig später aktiv und baute Plätze in Eicherscheid (2005) und Konzen (2006), beide ebenfalls mit Polytan. 2013 folgten dann noch der Trainingsplatz in Kalterherberg und der Platz an der Sekundarschule in Simmerath, ehe 2014 der FC Roetgen den runderneuerten Kunstrasen der neuesten Generation einweihte.

Martin van den Berg, Toxikologe der Uni Utrecht, hält die zehn Jahre alten niederländischen Untersuchungen, nach denen die Belastung durch sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) auf den Feldern unbedenklich sei, für überholt. „Wenn man sich die Konzentrationen heute anschaut, dann liegen die zehn bis 100 mal zu hoch. Das ist ein großes Problem, denn dann darf man eigentlich nicht mehr mit den Stoffen in Berührung kommen.“ Diese Stoffe kann der Mensch entweder über die Atemwege als Feinstaubpartikel oder über die Haut, zum Beispiel bei Verletzungen, aufnehmen. Das Granulat wird verwendet, um die Spieleigenschaften des Rasens zu verbessern.

Das deutsche Umweltbundesamt kennt das Problem und verweist auf eine EU-Verordnung, die Ende vergangenen Jahres in Kraft trat. Die EU legte damit die Grenzwerte für zugängliche Kunststoff- oder Gummiteile von Erzeugnissen fest: Produkte mit einem Gehalt von mehr als einem Milligramm PAK pro Kilo sind seitdem verboten.

Es gibt bislang wenige verlässliche Studien zu dem Thema. In einer vielbeachteten Studie des Schweizer Umweltbundesamts von 2006 gefunden heißt es, „dass Kunstrasen mit Gummigranulat aus Altreifen kein spezielles Gesundheitsrisiko darstellen, das vom Feinstaub oder den PAK ausgehen würde.“
Die Menge der Stoffe, die ein Spieler während seiner Aktivität auf einem Kunstrasenplatz mit Gummigranulat aufnehmen würde, sei deutlich unter den Maximalwerten, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgibt, heißt es da. (Quelle: WDR)

„Wenn man früher nach Regenschauern auf die ersten Kunstrasenplätze ging, roch es immer extrem nach alten Autoreifen. Das haben wir hier in Simmerath nie gehabt.“

- Hermann Koll, Hansa Simmerath

Aufrufe: 019.10.2016, 21:00 Uhr
Heiner Schepp | AZ/ANAutor