2024-05-02T16:12:49.858Z

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Vertreter aus Politik und Sport beim Stadtgespräch (von links): Stefan Reiprich, Hans Rothammer, Jürgen Scharf, Martin Gottschalk, Joachim Wolbergs und Karsten Wettberg. F: Webel
Vertreter aus Politik und Sport beim Stadtgespräch (von links): Stefan Reiprich, Hans Rothammer, Jürgen Scharf, Martin Gottschalk, Joachim Wolbergs und Karsten Wettberg. F: Webel

Jahn Regensburg: Da geht der Punk ab

Vertreter aus Sport und Politik beleuchten vor dem Hintergrund des Stadionbaus die aktuelle Lage des Fußball-Drittligisten

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Mag die Hoffnung noch so klein sein, sie stirbt bekanntlich zuletzt. Der in akuter Abstiegsnot schwebende Fußball-Drittligist SSV Jahn Regensburg kann das Wunder Klassenerhalt immer noch packen. Diese Meinung vertraten zumindest die Teilnehmer am Podiumsgespräch „Neues Stadion: Allheilmittel für den Jahn – Stresstest für die Stadt?“ am Mittwochabend im VIP-Raum der altehrwürdigen Arena an der Prüfeninger Straße.

Freilich: Aus kaum einem sprach dabei der Brustton der Überzeugung. Trainerlegende Karsten Wettberg forderte: „Die Mannschaft muss es sportlich packen, und das ist immer noch möglich.“ Allerdings skizzierte auch er das weit realistischere Szenario Abstieg („Eine Katastrophe“, so Wettberg), und er machte den Fans für diesen Fall wenig Hoffnung auf eine baldige Wiederkehr in die Drittklassigkeit. Auf drei Jahre Regionalliga Bayern werde sich der SSV Jahn wohl oder übel einstellen müssen, prophezeite Wettberg. Nach seinen Informationen werde die „Zweite“ des FC Bayern in der kommenden Saison mit Macht nach oben streben, und bei der legendären Finanzkraft der Münchner sei gegen deren Ambitionen kaum ein Kraut gewachsen.

"Arbeiten professionell weiter"

Der SSV Jahn und das neue Stadion: Über die Chancen, Perspektiven, aber auch die Risiken diskutierten Regensburgs Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, Jahn-Boss Hans Rothammer, Wettberg und Stefan Reiprich, der als Fan-Vertreter dem Jahn-Aufsichtsrat angehört. Es moderierten Jürgen Scharf (MZ-Sportredaktion) und Martin Gottschalk (TVA). An der Frage, wie sinnvoll der Bau der 53 Millionen Euro teuren und 15 000 Zuschauer fassenden Arena ist, mühten sich alle Beteiligten gar nicht mehr ab. Wolbergs verteidigte kurz die Entscheidung, dass die Stadt den Bau des Stadions finanziert: „Das ist relativ einfach, weil der SSV Jahn nicht das Geld dafür hat.“

Trotz der aktuellen sportlichen Tristesse sieht Rothammer den Verein gut aufgestellt: „Der Jahn steht vor einer guten Zukunft, wir arbeiten professionell weiter.“ Auch Wolbergs attestierte dem Traditionsklub „sehr gute Chancen“ für die Zukunft. Reiprich klang da schon vorsichtiger, er sprach von „großen Veränderungen“, die auf den Jahn zukommen werden. Den Abstieg hat er in diese Prognose schon eingespeist. Dieser sei „wahrscheinlich unvermeidlich“, klagte er.

Wolbergs erneuerte sein Credo: „Profifußball ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit einer Stadt.“ Obwohl ihm viele geraten hätten, sein Engagement beim Jahn nach der Wahl zum Oberbürgermeister zu beenden, halte er daran fest. Rothammers Hoffnung: Mit dem neuen Stadion verdoppeln oder verdreifachen sich die Erlöse aus der Vermarktung. Er unterstrich überdies: „Wir sind mit dem Mietvertrag fürs neue Stadion sehr zufrieden, es ist ein sehr fairer Vertrag.“ Es hätte aus seiner Sicht auch keinen Sinn ergeben, den Jahn finanziell zu strangulieren, und dann stünde das Stadion leer.

Auch die oft gestellte Frage nach möglichen Konzerten und anderen Open-Air-Veranstaltungen kam aufs Tapet. „Ab Juli alle zwei Tage Metallica“, witzelte Wolbergs und unterstrich seine Einschätzung: „Das ist ein Fußballstadion.“ Aber Veranstaltungen wie ein Katholikentag würden von der Stadt natürlich ins Kalkül gezogen, ebenso Konzerte. Das neue Stadion biete überdies Tagungsmöglichkeiten, wie sie in Regensburg noch nicht vorhanden gewesen seien. „Natürlich, der Gedanke an die Regionalliga nervt mich. Aber wir bauen ein Fußballstadion für 40 Jahre. Ich bin grundsätzlich Optimist“, fügte der Oberbürgermeister hinzu.

Deutlich auseinander gingen die Prognosen, was die Aufenthaltsdauer des SSV Jahn in der Viertklassigkeit anging. Von Wettbergs düsterer Prophezeiung wollte Wolbergs nichts wissen. Der Wiederaufstieg sollte innerhalb von ein oder zwei Jahren möglich sein, meinte er. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte keine Angst vor der Regionalliga“, sagte Reiprich. Auch er schätzt die Gefahr eines längeren Regionalliga-Aufenthalts als groß ein.

Etwas vage blieben die Aussagen zu einer zentralen Personalie: der des stark in der Kritik stehenden Sportchefs. Aber sowohl aus Rothammers Worten als auch aus den Einlassungen von Christian Keller selbst war die Tendenz herauszuhören, die Zusammenarbeit über die Saison hinaus und selbst im Falle eines Abstiegs fortsetzen zu wollen. „Sollte der Steuermann als Erster von Bord gehen?“, stellte Keller als Frage in den Raum. Und erhielt prompt Rothammers Antwort: „Ich will, dass der Steuermann an Bord bleibt.“

Erfolgreiche Jugendarbeit

Der Jahn-Boss pries vor allem Kellers erfolgreiche Arbeit in der Jugendsparte. „Ich habe nach wie vor Lust auf die Lebensaufgabe Jahn Regensburg. Das Potenzial hier ist riesig, aber es hat lange geschlummert“, sagte Keller und erntete Applaus. „Bei Rekrutierung und Scouting müssen wir uns viel breiter aufstellen, professioneller werden“, forderte er. Auch Wolbergs gab zu verstehen, dass er Kellers Beitrag zur finanziellen Konsolidierung und seriösen Außendarstellung des früher oft als Chaos-Klub verschrienen SSV Jahn zu schätzen weiß. Keller stufte die aktuelle Mannschaft als prinzipiell drittligatauglich ein. Bei einem Abstieg wäre die Aufgabe ungleich schwieriger, da kaum ein Vertrag für die Regionalliga gilt.

Um die Frage, wie die neue Arena mit Leben erfüllt wird, macht sich Wolbergs derweil überhaupt keine Sorgen: „Da wird’s richtig brummen, da geht der Punk ab.“ Und er ist weiterhin überzeugt: „Die Regensburgerinnen und Regensburger wollen in ihrer überwältigenden Mehrheit das Stadion.“ Infrastruktureinrichtungen einer Stadt gegeneinander auszuspielen, mache ohnehin keinen Sinn. Wolbergs Fazit: „Es ist eine kluge Investition.“

Aufrufe: 03.4.2015, 17:04 Uhr
Heinz GläserAutor