2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines

In Essen feiern die Gehörlosen ihre Premiere

Benjamin Christ zum Auftakt gegen den FC Stoppenberg II dabei

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Ein Nationalspieler in der Kreisliga C? Richtig. Benjamin Christ kann am Sonntag seine Stiefel für das Gehörlosenteam des GTSV Essen schnüren. Zum Auftakt geht´s im Essener Nord-Westen in der Kreisliga C, Gruppe 3 gegen den FC Stoppenberg II. Christ ist wie der Rest seiner Teamkollegen schwer hörgeschädigt und tritt für die deutsche Gehörlosen-Nationalmannschaft an. Der GTSV feiert seine Premiere im regulären Spielbetrieb.

Das Beispiel des GTSV kann in Essen als gelungenes Beispiel für Inklusion gelten. "Für unsere Jungs wird die Saison ein Riesen-Abenteuer", sagt Trainer Sebastian Laubner. Die Elf vom Gehörlosen- Turn- und Sportverein kann auf namhafte Spieler setzen und gilt als Favorit. Alle freuen sich, dass es endlich losgeht.

Benjamin Christ war im vorigen Jahr noch für den Bezirksligisten SuS Haarzopf aktiv und entschloss sich, zum GTSV Essen zu wechseln, für den er zuvor schon im Gehörlosenteam mitwirkte. Als Ablöse wollten die Haarzopfer lange Zeit 500 Euro vom GTSV. Ansonsten wäre Benjamin Christ bis zum 1. November für Meisterschaftsspiele gesperrt gewesen. Der GTSV hätte solange ohne seinen wohl besten Spieler auskommen müssen.

Doch kurz vor dem Meisterschaftsauftakt gegen Stoppenberg II einigten sich beide Vereine, so dass Benjamin Christ auflaufen kann. Die Partie um 11 Uhr auf der Karnaper Lohwiese wird für den GTSV zum ersten echten Prüfstein. "Dann werden wir sehen, wo wir stehen und ob alle Vorschusslorbeeren berechtigt waren", sieht auch Trainer Laubner die Partie als echte Standortbestimmung. Der FC Stoppenberg II war im vorigen Jahr lange Zeit ungeschlagen und scheiterte im Aufstiegsrennen denkbar knapp am ESC Preußen II. Laubner glaubt, dass sein Team nichts geschenkt bekommt: "Im Gegenteil: Gegen uns werden sich alle Gegner erst recht ins Zeug legen."

GTSV als schlafender Riese

Der GTSV gilt unter Fachleuten als schlafender Riese. Nico Müller etwa hat in der vorigen Spielzeit noch für die Ballfreunde Bergeborbeck in der Kreisliga A gespielt. Benjamin Christ, sein Bruder Marc Christ und Kolja Weiße sind mit dem deutschen Gehörlosen-Nationalteam bei der EM in Hannover im Juni Fünfte geworden. GTSV-Trainer Laubner, der im Gegensatz zu seinen Spielern nicht hörgeschädigt ist, will erst fünf oder sechs Spiele abwarten, bevor er sich in seiner Zielsetzung festlegen will. "Auf jeden Fall finden viele positiv, dass wir die Herausforderung gesucht und uns angemeldet haben", meint Laubner.

Das war gar nicht so leicht. Spieler Benjamin Christ stellte die Weichen, am offiziellen Spielbetrieb teilzunehmen. Etliche Umstellungen sind erforderlich. So müssen Schiedsrichter bei GTSV-Spielen eine Fahne statt einer Pfeife benutzen, um sich bei den Kickern verständlich zu machen. Ein Hörverlust von mindestens 50 Prozent ist erforderlich, um beim GTSV zu spielen. Rund 250 Mitglieder zählt der Klub in 15 verschiedenen Sportabteilungen und hat in der Gehörlosenliga bereits vier Deutsche Meisterschaften gefeiert. Im Training verständigt sich Laubner teilweise mit Silmutan-Übersetzungen in Gebärdensprache. "Aber ich beginne ab September einen eigenen Kurs", so Laubner.

Doppelbelastung Gehörlosenliga?

Am Samstag, dem 29. August startet in der Gehörlosen-Regionalliga West mit der Partie gegen den GSV Bielefeld in der Gruppe 2 der normale Meisterschaftsbetrieb. Ob die Doppelbelastung aus zwei Spielen am Wochenende nicht zu viel wird? "Das werden wir sehen. Wir haben einen großen Kader", hofft Trainer Laubner, dass dies nicht zum Stolperstein wird. Nach zwei Jahren Pause war der ehemalige Trainer von SuS Haarzopf bereit für das "Projekt GTSV". Er sei hungrig auf eine neue Aufgabe gewesen, deswegen sei er sich mit dem GTSV auch schnell einig gewesen. Das Gehörlosenteam trainiert montags und freitags auf dem Aschenplatz beim FC Karnap.

Laubner ist gespannt auf die Saison. Vor allem die Spiele gegen das als Sozialprojekt gestartete Team von RWE III reizen ihn: "Die Idee finde ich super von RWE." Nach einer gelungenen Vorbereitung setzte es für den GTSV am Mittwochabend im letzten Test gegen den C-Ligisten Winfried Huttrop eine 2:6-Pleite. Verpatzte Generalprobe, gelungene Saison?

Aufrufe: 013.8.2015, 10:20 Uhr
Manfred KühnappelAutor