2024-05-02T16:12:49.858Z

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Ein letztes Mal Auge in Auge gegenüber: Die Mannschaft von Holstein Kiel trauert um Roland Reime, dessen Bild während der Trauerminute auf der Video-Leinwand im Stadion erscheint (Bild oben). Einige Fans haben in den vier Stunden zwischen der Todesnachricht und Spielbeginn ein Transparent mit der Aufschrift „Rest in Peace, Roland Reime“ gebastelt.Lühn/Stieh
Ein letztes Mal Auge in Auge gegenüber: Die Mannschaft von Holstein Kiel trauert um Roland Reime, dessen Bild während der Trauerminute auf der Video-Leinwand im Stadion erscheint (Bild oben). Einige Fans haben in den vier Stunden zwischen der Todesnachricht und Spielbeginn ein Transparent mit der Aufschrift „Rest in Peace, Roland Reime“ gebastelt.Lühn/Stieh

Holstein Kiel trauert

Präsident Roland Reime ist tot / Schweigeminute beim Spiel gegen Magdeburg

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Stadionsprecher York Lange ist in Kiel normalerweise um keinen Spruch verlegen. Am Sonnabend jedoch erstickten Tränen kurz vor Spielbeginn die traurige Botschaft, die noch nicht jeder im Stadion kannte: Roland Reime, seit 2007 Präsident bei Holstein Kiel, ist am Freitag wenige Tage vor seinem 72. Geburtstag nach kurzer schwerer Krankheit verstorben. „Mach’s gut, Roland“, schickte Lange einen abschließenden Gruß gen Himmel.

Die Zuschauer wussten nicht so recht, ob sie ihrer Trauer nun durch eine Minute des Schweigens oder einen anhaltenden Applaus Ausdruck verleihen sollten. Am Ende wurde es eine Mischung aus beidem – und beide „Hälften“ dokumentierten den Respekt, den wohl jeder Holsteiner dem langjährigen Vereinsboss entgegen brachte.

„In so vielen gemeinsamen Jahren ist Roland Reime mir ans Herz gewachsen, und das geht sicher vielen anderen im Verein auch so“, sagte Holsteins Geschäftsführer Wolfgang Schwenke und blickte im prall gefüllten Stadion um sich: „Das hier, diese Atmosphäre hätte ihm gefallen.“

Schwenke saß acht Jahre mit Reime im Präsidium des Vereins und muss nun gemeinsam mit seinem im Vorjahr installierten Kollegen, Sportchef Ralf Becker, den Verein als Vizepräsident vorübergehend auf allen Ebenen repräsentieren. „Roland Reime war eine Galionsfigur unseres Vereins“, würdigte Aufsichtsrat Gerhard Lütje, der auch ein persönlicher Freund Reimes war, den Verstorbenen. „Auch wenn die Entscheidungen im Wesentlichen von den Hauptamtlern getroffen wurden, hat sein Wort immer Gewicht gehabt.“ Über eine Nachfolgeregelung habe man bei Holstein noch nicht nachgedacht, sagte Pressesprecher Wolf Paarmann. „Roland Reime war für uns der beste Präsident, und keiner von uns hätte sich vorstellen können, ihn nicht mehr in dieses Amt zu wählen.“

Reime, in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 in Hamburg geboren und dort aufgewachsen, hatte sich beruflich einen Namen als Vorstandsvorsitzender der Provinzial-Versicherungen gemacht. Im Sport hatte er als Beiratsmitglied beim damaligen Fußball-Zweitligisten Preußen Münster und den Handballern des THW Kiel gewirkt, ehe der damals 62-Jährige im Sommer 2007 das Präsidentenamt bei Holstein übernahm. Er führte den Verein jahrelang als einziger Ehrenamtler neben zwei hauptamtlichen Präsidiumskollegen immer souverän – in schweren Stunden wie beim Abstieg 2010 oder bei der Trennung vom mit viel Vorschusslorbeeren geholten Trainer Falko Götz. Aber eben auch bei den Erfolgen wie den Drittliga-Aufstiegen 2009 und 2013, dem Erreichen des DFB-Pokal-Viertelfinals 2012 oder der Teilnahme an der Zweitliga-Relegation 2015.

Ein wichtiges Augenmerk bei seiner Tätigkeit legte Reime immer auf die Außendarstellung des Vereins – und zwar nicht nur im Scheinwerferlicht. Reime vertrat die „Störche“ auch, wenn er im Namen des Vereins für soziale und gesellschaftliche Projekte eintrat oder wenn es um die Belange jugendlicher Sportler ging.„Roland Reime war ein feiner Mensch“, sagte Holsteins früherer Kapitän Sven Boy. „Er konnte intern auch mal eine Brandrede halten. Aber er hat auf der anderen Seite immer den Menschen gesehen. Er hat sich auch schon mal für Spieler positioniert, wo man es nicht von ihm erwarten musste.“

Sein Talent, zu fast allem frei sprechen zu können, brachte ihm immer wieder Respekt ein. „Vielleicht hatte auch er das eine oder andere Mal nicht viel Ahnung, wenn er zu irgendeinem Thema gefragt wurde“, schmunzelte Boy. „Aber er hat es immer geschafft, dass es sich nicht so anhört.“

Auf der Geschäftsstelle und im Aufsichtsrat war man in den letzten Wochen informiert über den Gesundheitszustand des allseits geschätzten Repräsentanten des Vereins, bei dem erst vor einigen Wochen eine schwere Krebserkrankung diagnostiziert worden war. Am Ende ging es jedoch schneller bergab als erwartet. Noch am Freitag hatte eine Holstein-Delegation mit einer aufmunternden Grußbotschaft von Mitarbeitern und Spielern ins Krankenhaus zur Genesung beitragen wollen – doch da hatten letztlich schon die Folgen der Krankheit die Oberhand gewonnen. Wenige Stunden später war Roland Reime tot.

Einige Mitarbeiter, darunter auch die Trainer, erfuhren die traurige Nachricht noch am Freitagabend. Der Mannschaftsrat wurde am nächsten Morgen von Sportchef Becker informiert. Die Konzentration vor dem Spiel habe die Todesnachricht nicht entscheidend gestört, erklärte Trainer Markus Anfang.

Seine Spieler gingen unterschiedlich mit der Situation um. „Einfach war es nicht“, berichtete Kapitän Rafael Czichos. „Ein herzensguter Mensch, einer der angenehmsten, die ich im Profi-Fußball kennen gelernt habe. Bei der Trauerminute hatten einige Spieler Tränen in den Augen.“

Tim Siedschlag erinnerte sich derweil an viele gemeinsame Stunden. „Roland Reime hat mich ja in all den Jahren bei Holstein begleitet“, sagte der 29-Jährige, der ebenfalls 2007 zu Holsteins Liga-Mannschaft stieß. „Es wird ein ungewohntes Gefühl sein, dass es auf dem Weg in die Kabine keinen Zigarrenrauch mehr gibt“, erinnerte Holsteins Urgestein daran, dass Reime – unabhängig vom Ergebnis – mit seinem Markenzeichen Zigarre nach Spielen auch im Mannschaftskreis präsent war.

Gleichzeitig schossen ihm lustige Anekdoten in den Kopf. „Er hat sich schon mal die Zigarre falsch herum angezündet oder ist bei einer Feier in der Hecke gelandet“, grinste Siedschlag. Auch solcher Erinnerungen wegen versprach Kapitän Czichos: „Wir werden alles daransetzen, für ihn in dieser Saison noch etwas Großes zu erreichen.“
Aufrufe: 027.3.2017, 08:30 Uhr
SHZ / Christian JessenAutor