2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
„Ja, wo laufen sie denn?“ Bei Gut Heil sucht Günter Lüthje „seine“ Fußballer vergebens. Die Ligamannschaft gibt es nicht mehr.Schmuck
„Ja, wo laufen sie denn?“ Bei Gut Heil sucht Günter Lüthje „seine“ Fußballer vergebens. Die Ligamannschaft gibt es nicht mehr.Schmuck

Gut-Heil Neumünster: "Krass, dass wir nicht mehr dabei sind"

Vereinslegende Günter Lütjhe ist nach der Abmeldung Gut Heils aus der Kreisliga zum Weinen zumute / Gibt es vielleicht eine Rückkehr?

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Mit seinen knapp 80 Jahren könnte er das Sportgeschehen eigentlich ganz locker verfolgen. Doch Günter Lüthje leidet wie ein geprügelter Hund. Die Vereinslegende des SC Gut Heil, in der Szene als „Chico“ bekannt, hat am Aus der Fußballer seines Vereins bös zu knabbern.

„Ich komme mir vor, als wenn man einem Kind etwas nimmt, woran es sehr hängt – wie ein Kind, das dann in Tränen ausbricht“, bekennt der 78-Jährige. „Ich könnte mehr als ein Buch über ,meine’ Fußballer schreiben“, sagt der Mann, der die „Rothosen“ in Neumünster verkörpert wie kaum ein Zweiter. Mit einer Clubzugehörigkeit von knapp 70 Jahren ist Lüthje das dienstälteste Mitglied Gut Heils.

GHN hatte seine Ligamannschaft vor dem Start der neuen Kreisligasaison abgemeldet. Nach dem FC Union (fusionierte 1996 mit dem Polizei-SV und ist im Vereinsleben des „neuen“ PSV längst nicht mehr wirklich präsent) sowie dem MTSV Olympia (Rückzug aus dem Verbandsliga-Spielbetrieb in der Winterpause 2015/16) verlor Neumünster damit ein drittes Schwergewicht seiner nicht ganz unbedeutenden Fußball-Historie. Übrig geblieben aus den goldenen Zeiten ist somit nur noch der VfR. An der Schillerstraße jagt künftig lediglich noch eine Hand voll Nachwuchsteams in jüngeren Altersklassen dem Leder nach, hinzu kommen zwei GHN-Spielgemeinschaften mit dem TSV Gadeland.

Und dabei hatte die Serie doch verheißungsvoll begonnen. Am 13. Juli bezwang Gut Heil den klassentieferen Ruthenberger SV in der ersten Kreispokalrunde mit 16:0. Doch dieses Resultat war eine Mogelpackung. Denn der RSV trat mit neun Mann an, die „Rothosen“ gar nur mit acht. Drei Tage später schenkte GHN mangels Personals das Zweitrundenspiel gegen den Verbandsligaabsteiger TSV Gadeland kampflos ab, am 22. Juli folgte eine 0:13-Packung im Testspiel gegen den Steinburger A-Klassisten Schenefelder TS. Schlussakt war am 27. Juli der freundschaftliche Vergleich mit dem SV Boostedt II (Kreisklasse A). Gut Heil verlor nach einer 2:0-Führung noch mit 2:6, anschließend quittierten Trainer Hans-Jürgen Bröcker und der Rest vom Schillerstraßen-Schützenfest ihren Dienst. Die Kreisliga spielt daher in dieser Saison mit nur 15 Mannschaften.

Der Courier hat sich mit „Chico“ Lüthje getroffen. Im Interview lässt er durchblicken, dass zumindest ein Fünkchen Resthoffnung geblieben ist.

Wenn Sie montags im Courier die Fußballtabellen studieren, blutet Ihnen dann nicht das Herz?
Lüthje: Ganz ehrlich: Ich habe mich schon mehrmals dabei erwischt, wie ich Gut Heil gesucht und nicht gefunden habe. Krass, dass wir nicht mehr dabei sind.

Worin sehen Sie den Hauptgrund für das GHN-Aus?

In den vergangenen Jahren haben viele Spieler den Verein verlassen. Irgendwann kannst du das nicht mehr auffangen. Und Vereinstreue gibt es bekanntlich schon lange nicht mehr.

Wann begann es eng zu werden?
Bereits vor zehn Jahren. Diese ganze Geschichte ist ein Tod auf Raten.

Was haben Sie zuerst gedacht, als Sie von der Abmeldung der Ligamannschaft hörten?
Dass das alles nicht wahr sein kann. Ich verstehe auch nicht, dass vor der Saison fünf Spieler von uns zum TSV Gadeland gewechselt sind. Mit den Gadelandern hat Gut Heil schließlich eine Kooperation. Mit diesen Transfers wurde ein Verein stabilisiert und der andere kaputt gemacht. Ich kann es im Übrigen auch nicht nachvollziehen, dass die Jugend-Spielgemeinschaften von GHN und Gadeland an der Dannenkoppel und nicht an der Schillerstraße beheimatet sind.

Olympia war im Seniorenfußball schon einmal weg vom Fenster, kam dann aber noch einmal wieder. Ist so etwas auch bei Gut Heil möglich?
Ja, darauf hoffe ich noch. Ich werde dieser Tage ein paar Drähte legen, zu unserer Altliga und zu dem einen oder anderen aus der kurdischen Mannschaft, die vor einigen Jahren mal als GHN-Reserve am Start war. Es sind jedenfalls genug Fußballer zu haben, wir müssen sie nur zusammentrommeln.

Würde das wirklich Sinn machen? Immerhin hat Olympia nach seiner Renaissance auch nur fünfeinhalb Jahre überlebt und zuvor dank privater Engagements einiges an Geld in die Hand genommen ...
Ohne Geld geht heute im Amateurfußball nichts, das ist klar. Also müsste man sich Sponsoren suchen. Doch erst einmal brauchen wir eine Mannschaft, die dann im Winter in den Spielbetrieb der Kreisklasse A eingegliedert werden könnte. Das wäre möglich, diesbezüglich habe ich bereits mit dem Kreisfußballverband gesprochen. Welchen Sinn das machen würde, weiß kein Mensch. Schließlich sitzen wir alle nicht vor der Glaskugel.

Wie definieren Sie Ihre Aufgabe?
Offiziell bin ich ja längst raus. Doch wenn ich gebraucht werde, packe ich mit an. Fakt ist: Wir müssen jetzt schnell handeln – ganz schnell sogar.

Kommen Ihnen mit Ihrer Gut Heil-Vergangenheit bei alledem nicht jeden Tag die Tränen?
Es ist wirklich bitter. Ich habe damals mein erstes Ligaspiel für Gut Heil vor 6000 Zuschauern bei Schleswig 06 bestritten. Solche Zeiten werden nie mehr wiederkommen. Wenigstens kann mir die Erinnerung daran niemand nehmen.
Aufrufe: 027.8.2016, 09:00 Uhr
SHZ / Interview: Arne SchmuckAutor