2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview der Woche

"Grundaggressivität ausstrahlen"

SpVgg. Ingelheim will Derby gegen Hassia Bingen nicht abschenken +++ Maurice Fischer über Sinanovic und Kirn: "Die beiden haben einfach nicht harmoniert"

„Saisonziel: oben mitspielen“ steht immer noch auf der FuPa-Seite der Spvgg. Ingelheim. Doch längst ist aus dem ambitionierten Verbandsligisten ein Krisen-Klub geworden, der auch vor dem Derby gegen Hassia Bingen (Freitag, 19.30 Uhr) noch auf den ersten Zähler wartet – und mehr und mehr darum bangen muss, überhaupt noch eine vollzählige Mannschaft auf das Feld schicken zu können. Wie es dazu kommen konnte, versucht Verteidiger Maurice Fischer (23) im Interview zu ergründen.

Maurice, wie kam es, dass Du vor der vergangenen Saison nach Ingelheim gewechselt bist?

Ich kam gemeinsam mit Trainer Jürgen Collet. Irgendwann hat das Telefon geklingelt, und er hat sofort einen sympathischen Eindruck gemacht. Das war der Ausschlag gebende Punkt.

Nun hat Jürgen Collet zur laufenden Saison seinen Abschied verkündet, und mit ihm ist eine ganze Reihe Spieler gegangen. Hast Du als „Collet-Transfer“ auch mit dem Abgang geliebäugelt?

Ich habe im Sommer hin und her überlegt, mich mit drei, vier Vereinen zusammengesetzt und war kurz davor, bei Hassia Bingen zuzusagen. Dort habe ich in der Jugend fünf Jahre gespielt, ehe ich nach Waldalgesheim ging und dann ein halbes Jahr in Karbach war. Ich wollte nicht schon wieder den Verein wechseln, hatte mit Gerhard Huber ein gutes Gespräch. Ich arbeite als Polizist und hatte das Gefühl, dass sich in Ingelheim meine Spätschichten auch gut mit dem Fußball vereinbaren lassen und man hier auch mal ein Auge zudrückt.

Vor der vergangenen Saison wurde noch Richtung Oberliga geschielt. Nun sind die beiden Nachfolger von Jürgen Collet inzwischen Geschichte. Was ist der ausschlaggebende Punkt für diese atemberaubende Talfahrt?

Es war eine Aneinanderreihung von Fehlern und unglücklichen Umständen. Jürgen Collet ist ein sehr sympathischer Trainer, die ganze Mannschaft hat hinter ihm gestanden, das Klima im Team war sehr gut. Und er hat viele Kontakte. Der ein oder andere wäre sicher geblieben, wenn er geblieben wäre, zudem wären einige gute Spieler hinzugekommen. Doch so ist die Zusammenstellung der Mannschaft sicher nicht optimal verlaufen. Wenn man die Oberliga- und Verbandsligaspiele in unserem Kader zusammenzählt, kann man leider sehr schnell aufhören zu zählen. Hinzu kommt der psychologische Aspekt durch den Tabellenplatz. So greift ein Rädchen ins andere.

Jürgen Collet hat zunächst zu- und dann wieder abgesagt. War das nicht schon ein Signal, dass etwas nicht stimmen muss?

Die komplette Mannschaft wusste, dass ihm viel an der Spvgg. liegt, dass Ingelheim eine Herzensangelegenheit für ihn ist. Wir wussten aber auch, dass er mit den Rahmenbedingungen nicht zufrieden war. Er hat sich mehr helfende Hände gewünscht. Ich kann seine Argumentation absolut verstehen, auch in der Mannschaft war ihm keiner böse. Aber wir waren alle traurig.

Es kam das Duo Sinanovic/Kirn, das dann recht schnell auseinander flog. Wie war Deine Wahrnehmung?

Ich kam mit beiden gut klar. Herr Sinanovic hat 100 Prozent gegeben, ist ein supersympathischer Kerl, und mit Dennis Kirn habe ich früher bei der Hassia zusammengespielt, wir haben ein gutes Verhältnis. Aber die beiden haben einfach nicht harmoniert.

Wenn das Trainer-Duo nicht harmoniert – war das im Rückblick ein Grund für die Talfahrt?

So weit würde ich nicht gehen. Beide haben 100 Prozent gegeben, aber egal, wie gut der Trainer ist, er kann nur mit der Mannschaft arbeiten, die er zur Verfügung hat. Wir haben einen sehr dünnen Kader, weil einige ja dann auch noch von Bord gegangen sind. Den beiden sollte man nicht den schwarzen Peter zuschieben,

Stichwort von Bord gegangen: Die kam der jähe Abgang der Neuzugänge Borowski, Ouachchen und Meier im Team an?

Das musst Du die Spieler selbst fragen, sie haben sich ja nicht mal von der Mannschaft verabschiedet. Dadurch kennen wir ihre Beweggründe nicht. Aber wir waren größtenteils sehr überrascht, und bei uns sind viele Spieler, die das nicht nachvollziehen konnten. Wenn man im Sommer zusagt, muss man es zumindest bis zur Winterpause durchziehen. Aber jetzt haben wir in der Mannschaft charakterlich einwandfreie, junge Spieler drin, die sich schon sagen: Jetzt erst recht. Sportlich sind wir geschwächt, aber von der Moral her gestärkt.

Sven Woschnitza, der ja nach Jasmin Sinanovics Entlassung übernahm, sagte bei seinem Rücktritt Anfang der Woche, dass einige Spieler unbelehrbar sind. Wie passt denn das zusammen?

Seine Kritik an der Zusammenstellung des Kaders kann ich nachvollziehen, was er sonst gesagt hat, möchte ich nicht kommentieren. Es hat zwischenmenschlich zwischen ihm und der Mannschaft einfach nicht gepasst.

Wer trainiert Euch denn im Moment?

Montag und Mittwoch hat Julius Haas, der ja den C-Schein hat und selbst Jugendtrainer in Ingelheim ist, uns gemeinsam mit Peter Staegemann trainiert. Wir sind alle gespannt, wer jetzt kommt.

Hättest Du einen Wunsch?

Wenn ich es mir aussuchen könnte, wünsche ich mir Jürgen Collet zurück. Oder auch Aydin Ay, der ja eine Ingelheimer Vergangenheit hat und in Gonsenheim bewiesen hat, dass er ein sehr guter Trainer ist. Oder Paul Faß, den ich noch aus der Jugend kenne. Alle drei wären super, aber ich glaube nicht, dass es einer von ihnen wird.

Denkst Du, dass Ihr die Saison zu Ende spielt?

Ich gehe stark davon aus. Alles andere würde mich überraschen. Der ein oder andere spielt mit dem Gedanken zu gehen, aber im Winter kann man ja auch neue Spieler holen.

Wäre es sinnvoller gewesen, die Verbandsligamannschaft abzumelden und in der Bezirksliga zu bleiben?

Es ist sehr traurig, wie es mit der zweiten Mannschaft gelaufen ist. Wir hatten so eine gute Ausgangssituation, Verbandsliga und Bezirksliga, dazu die A-Jugend in der Regionalliga. Ich weiß nicht, wie es dazu kommen konnte. Ich hätte die zweite Mannschaft sehr gern behalten. Aber noch sind wir nicht abgestiegen, und selbst wenn, spielen wir nächstes Jahr in der Landesliga. Das ist immer noch besser als Bezirksliga.

Was ist im Derby gegen Bingen drin?

Wir wissen, dass die Hassia auf fast allen Positionen überdurchschnittlich gut besetzt ist. Wir wollen 100 Prozent Einsatz bringen und mit unserer Körpersprache eine Grundaggressivität ausstrahlen.

Wie sieht Deine persönliche Zukunft aus, könnte es sein, dass Du den Wechsel zur Hassia noch nachholst?

Ich habe mir fest vorgenommen, in jedem Training und jedem Spiel 100 Prozent zu geben und die Entwicklung abzuwarten, um dann im Winter offen und ehrlich mit dem Verein zu sprechen.

Besteht noch Hoffnung auf den Klassenerhalt?

Definitiv, auch wenn ich weiß, dass im Moment nicht viel für uns spricht.

Aufrufe: 025.9.2015, 09:55 Uhr
Torben SchröderAutor