2024-04-30T13:48:59.170Z

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Kleinerer Ball, andere Regeln: Futsal erregt in diesen Tagen die Gemüter. Foto: Imago
Kleinerer Ball, andere Regeln: Futsal erregt in diesen Tagen die Gemüter. Foto: Imago

Futsal: Tod oder Zukunft des Budenzaubers?

Samstag Futsal-Cup in Hellern

Osnabrück. Fliegende Bierbecher, tätliche Angriffe auf dem Feld, boykottierende Teams, sinkende Zuschauerzahlen und Unterschriftenlisten gegen neue Regeln: Wer die Schlagzeilen der letzten Wochen liest, könnte zum Schluss kommen, Futsal sei der Tod des Hallenfußballs in Deutschland. Es folgt der Versuch einer differenzierteren Betrachtung.

Was ist Futsal überhaupt?

Die von der FIFA anerkannte Variante des Hallenfußballs, der sich seit den 1930er-Jahren in Südamerika als Schulsport-Variante für Kinder entwickelt hat. Verbreitet ist Futsal auch in Süd- und Osteuropa, in Deutschland war es bis vor ein paar Jahren unbekannt. Die Unterschiede zum klassischen Hallenfußball, der hier gespielt wird, sind der schwerere Ball, kleinere Tore, das Komplett-Verbot von Grätschen und das Zählen der Teamfouls wie beim Basketball (siehe Infos unten).

Warum wird Futsal nun in Deutschland zum Thema?

Weil der DFB diesen als offizielle Hallen-Spielform etablieren will. Gemäß des Masterplans sollen spätestens ab 2016 alle vom Verband ausgerichteten Hallen-Wettbewerbe als Futsal laufen. Die Gründe neben der FIFA-Anerkennung: Etablierung des Fair-Play-Gedankens per Teamfoul-Regelung und reduzierte Verletzungsgefahr (Grätschverbot). Dazu werde die technische Ausbildung verbessert: Der sprungreduzierte Ball gebe jedem Spieler mehr kontrollierte Kontakte und verleite wie das Fehlen der Banden nicht zur Bolzerei.

Was heißt das für die großen Turniere in der Gegend?

Für die Landkreis-Turniere zunächst gar nichts.,, Der Indoor-Cup wird weiter klassischen Hallenfußball sehen", sagt Veranstalter Jürgen Thust - was aktuell auch für das Masters gilt, das 2016 in Belm stattfindet. ,,Für uns ist Futsal weder heute noch morgen ein Thema. Wir werden unser über 26 Jahre bewährtes Format fortführen", erklärt Holger Elixmann für den Hüggelcup . Weil der Fortuna-Cup und die Hallenfußball-Turniere für Senioren im Landkreis privat organisiert werden, unterliegen sie zunächst nicht dem DFB-Masterplan. Anders ist die Lage beim Addi-Vetter-Cup, den der Kreisverband Osnabrück-Stadt ausrichtet. ,,2015 läuft wie in 2014 - also klassischer Hallenfußball", beruhigt der Vorsitzende Frank Schmidt. Aber er stellt klar, dass dies das letzte Mal so sei.

Wie geht es dann weiter?

,,Sollte der Vetter-Cup ein Verbandsturnier bleiben , liefe er ab 2016 nur mit Futsal. Die Frage ist aber, ob wir das Turnier in der jetzigen Form als Verband finanziell und organisatorisch noch stemmen können", sagt Schmidt. Die hohen Fixkosten für Ausleihe und Aufbau von Kunstrasen und Bande sowie die Betriebskosten der Veranstaltung an sich stehen im Spannungsfeld mit begrenzten Erlösmöglichkeiten, weil die Zuschauerkapazität in der Schlosswallhalle recht klein ist und das Masters als Zusatzerlösquelle bis auf Weiteres wegfällt. Als langfristige Lösung denkbar sind die Ausrichtung eines wenig aufwendigen Futsal-Cups oder die Komplettabgabe des Vetter-Cups an einen privaten Ausrichter, der mit der Agentur des Ex-Profis Tommy Reichenberger schon im Boot ist - oder beides.

Wird Futsal bei uns nur ein Randphänomen bleiben?

Sicher nicht. Weniger, weil in der Ballsporthalle Hellern heute der Osnabrücker Futsal-Cup läuft: mit zehn Teams aus der Stadt und zwei aus dem Landkreis. Auch nicht, weil in zwei Wochen die Niedersächsischen Meisterschaften , für die sich die heutigen Finalisten qualifizieren, auch dort stattfinden. Sondern vor allem, weil der gesamte Jugendbereich, in dem die Hallenkreismeisterschaften des Verbandes eine viel größere Rolle spielen als bei den Senioren, schon konsequent auf Futsal umgestellt wird. Das Tempo in der Stadt, wo bereits Futsal gespielt wird, ist hierbei unbestritten höher als im Landkreis, wo laut Hartmut Klocke, Vorsitzender des Jugendausschusses, beim Jugendstaffeltag am 24. Januar erste Schulungen für Vereinsvertreter laufen. ,,Wir sollten in den nächsten Jahren beides parallel spielen lassen. Dann glaube ich aber, dass Futsal überzeugen kann. Zumal der Druck von unten mit aufrückenden Jugendspielern wächst", sagt Schmidt. Die Hallenfußball-Szene könnte sich langfristig also verändern - was auch der Grund ist, warum Hüggelcup-Ausrichter Elixmann sagt: ,,Wir verfolgen natürlich mit großem Interesse die Futsal-Turniere des Verbandes."

Wieso gab es andernorts zuletzt viel Ärger um Futsal?

Wie so oft, wenn man etwas nur per Zwang und ohne Aufklärung durchsetzen will: Man provoziert Widerstand und verbaut sich die Chance, mit Argumenten zu überzeugen. Etwa in Bayern, wo der Landesverband von heute auf morgen ohne Übergang Futsal für alle eingeführt und den klassischen Hallenfußball abgeschafft hat - was vor allem dort für Querelen sorgte, wo Verbandsturniere einen hohen Stellenwert haben. Im Nürnberger Raum gerieten die Meisterschaften zur Farce, weil etliche Vereine trotz vorheriger Meldung nicht antraten, als sie hörten, dass Futsal gespielt wird. Auch viele Fans blieben zu Hause. Beim Turnier entluden sich die Emotionen in Tumulten auf dem Feld und Ausfällen auf der Tribüne - auch ausgelöst durch strittige Schiedsrichter-Entscheide. Unkenntnis der und Unsicherheit bei der Auslegung der neuen Regeln bildeten eine verhängnisvolle Symbiose . Aber es wäre zu einfach, dem Futsal die Schuld daran zu geben, dass sich Menschen nicht zivilisiert benehmen können: das kommt auch beim klassischen Hallenfußball leider vor. In Münster sammelte der Veranstalter der Stadtmeisterschaft Unterschriften gegen Futsal. Helmut Ossenbeck vom 1. FC Gievenbeck erklärt das auch so: ,,Wir haben Banden angeschafft und Werbeverträge abgeschlossen. Daraus können wir kein Osterfeuer machen." Nicht nur Argumente zum Spiel an sich prägen also die Debatte.

Was sagt der Praktiker?

,,Futsal ist nicht weniger hart als Hallenfußball", findet Slawa Novikov. Er spielt im Regelbetrieb für Kreisligist SC Kosmos und zudem in der Futsal-Liga Westfalen für den FC Bestia Lotte. Das machen mit Constantin Jelezneacov oder Oliver Ginnergardt weitere Kicker aus Osnabrück - in Ermangelung von Futsal-Ligen in Niedersachsen. ,,Oberhalb der Gürtellinie ist Körpereinsatz ja absolut erlaubt - und das Spiel ist schneller als Hallenfußball, wenn man regelmäßig kickt. Neben der Einzeltechnik sind Systeme, also abgesprochene Laufwege, spielentscheidend", sagt Novikov.

Für heute hofft er darauf, dass die Futsal-Regeln auch konsequent Anwendung finden. ,,So lernen es alle am Schnellsten. Die Mischformen, die derzeit andernorts gespielt werden, stiften nur Verwirrung", spielt Novikov darauf an, dass momentan quer durch Deutschland alles aufzufinden ist: etwa klassischer Hallenfußball mit Banden aber mit dem Futsal-Ball, oder Futsal ohne Netto-Spielzeit und die spezielle Torwart-Regel.

Aufrufe: 016.1.2015, 20:30 Uhr
Benjamin Kraus / NOZAutor