2024-05-10T08:19:16.237Z

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Detlef Thiele trainiert die Damen- und Mädchenfußballerinnen des TB Witterschlick. FOTO: AXEL VOGEL
Detlef Thiele trainiert die Damen- und Mädchenfußballerinnen des TB Witterschlick. FOTO: AXEL VOGEL

"Frauen zeigen mehr Teamgeist"

Det­lef Thie­le über Haar­gum­mis, Trai­nings­plä­ne und den "Tag des Mäd­chen­fuß­balls"

Noch in den 50er Jah­ren galt Frau­en­fuß­ball als mo­ra­lisch ver­wer­flich. 1955 be­schloss der DFB auf sei­nem Ver­bands­tag, Fuß­ball­spie­le mit Da­men­mann­schaf­ten zu un­ter­bin­den. Er ver­bot den ihm an­ge­schloss­enen Ver­ei­nen, Frau­en­ab­tei­lun­gen zu grün­den.

Die Be­grün­dung: Im Kampf um den Ball ver­schwin­de die weib­li­che An­mut, Kör­per und See­le er­lit­ten Scha­den und das „Zur­schaus­tel­len des Kör­pers“ ver­let­ze Schi­cklich­keit und An­stand. Heu­te zeigt sich ein an­de­res Bild: Die Frau­en-Na­tio­nal­mann­schaft über­zeugt durch gu­te Leis­tun­gen, zu­letzt mit ei­nem Olym­pia­sieg in Rio. Auch auf lo­ka­ler Ebe­ne tut sich viel. So hat der Turn­er­bund Wit­ter­schlick seit 13 Jah­ren ei­ne Da­men­mann­schaft, die in der Bon­ner Kreis­klas­se A spielt. Um sein An­ge­bot be­kann­ter zu ma­chen, lädt er für die­sen Sams­tag zum „Tag des Mäd­chen­fuß­balls“ ein. Det­lef Thie­le trai­niert die Da­men und Mäd­chen im Ver­ein. Über sei­ne Er­fah­run­gen und die Er­folgs­ge­schich­te Frau­en­fuß­ball sprach er mit Bet­ti­na Thrän­hardt .

Wie ist Ih­re Ein­stel­lung zum Da­men­fuß­ball?

Det­lef Thie­le: Frü­her ha­be ich da­rü­ber ge­lacht. Heu­te se­he ich das ganz an­ders. Seit drei Jah­ren trai­nie­re ich un­se­re Da­men und Mäd­chen und wür­de nie­mals mehr ei­ne Män­ner­mann­schaft trai­nie­ren wol­len.


Was ist an­ders bei den Da­men?

Thie­le: Frau­en hand­ha­ben man­che Din­ge an­ders. Die Män­ner stel­len sich ei­ne Kis­te Bier hin, wenn sie fei­ern wol­len. So ein­fach geht das bei den Frau­en nicht: Da wird erst mal die Far­be der Tel­ler und Be­cher dis­ku­tiert. Für al­les wird ei­ne ei­ge­ne What­sApp-Grup­pe ge­bil­det. Nach den er­sten Trai­nings ha­be ich mir bei ei­ner Dro­ge­rie ei­ne Rol­le Haar­gum­mis be­sorgt, die die Frau­en beim Trai­ning be­nut­zen kön­nen. Mei­ne Frau hat sich ka­putt ge­lacht. Aber die Rol­le ist schon fast leer.

Trai­nie­ren Sie die Frau­en an­ders als Män­ner?

Thie­le: Ich muss­te da erst rein­wach­sen. Mit den Män­nern ar­bei­tet man den Trai­nings­plan ein­fach ab. Die Frau­en wol­len ihn dis­ku­tie­ren, und am En­de steht noch 25 Pro­zent des An­fangs­plans. Aber das macht nichts, das Trai­ning macht mir Spaß. Wir sind zu­sam­men­ge­wach­sen und heu­te fast wie ei­ne Fa­mi­lie. Ei­ni­ge der Frau­en könn­ten vom Al­ter her ja mei­ne Kin­der sein.

Die Pro­fi-Fuß­bal­le­rin­nen sind er­folg­reich, zu­letzt ha­ben sie ei­nen Olym­pia­sieg in Rio ein­ge­fah­ren. Ist der Frau­en­fuß­ball in der Sport­ge­sell­schaft an­ge­kom­men?

Thie­le: De­fi­ni­tiv ja. Seit zehn Jah­ren gibt es ei­nen Wan­del. Vie­le Spie­le der Frau­en-Na­tio­nal­mann­schaft sind aus­ver­kauft und in den Ver­ei­nen gibt es auch im­mer mehr Frau­en- und Mäd­chen­mann­schaf­ten.

Trotz­dem ha­ben die Spie­le der männ­li­chen Fuß­ball­pro­fis mehr Zu­schau­er. Ma­chen Sie et­was an­ders?

Thie­le: Bei den Män­nern ist das Tes­tos­te­ron im Weg. Sie spie­len ag­gres­si­ver, schnel­ler und ziel­ge­rich­te­ter. Da­für zei­gen die Frau­en mehr Te­am­geist.

Was mei­nen Sie da­mit?

Thie­le: In un­se­rer Da­men­mann­schaft spie­len Frau­en, die von klein auf da­bei sind, eben­so wie Frau­en, die erst als Er­wachs­ene an­ge­fan­gen ha­ben. Na­tür­lich merkt man den Un­ter­schied. Aber der Kon­kur­renz­kampf ist nicht so groß wie bei den Män­nern. Je­de Spie­le­rin gönnt es der an­de­ren, wenn ihr et­was ge­lingt. Wir sind jetzt da­zu über­ge­gan­gen, nach Wett­kämp­fen ei­ne „Spie­le­rin des Spiels“ zu er­nen­nen. Das kann auch ei­ne An­fän­ge­rin sein, die et­was für sie Au­ßer­ge­wöhn­li­ches macht. Wenn man zum Bei­spiel im­mer Angst vor dem Zwei­kampf hat­te und hat sich das bei ei­nem Spiel ge­traut, ist das ei­ne tol­le Leis­tung.

Sie ha­ben auch Mäd­chen­mann­schaf­ten. Wie ste­hen die El­tern der Mäd­chen zu dem Hob­by ih­rer Töch­ter?

Thie­le: Ge­gen den Mäd­chen- und Frau­en­fuß­ball gibt es vie­le Vor­ur­tei­le. Bis vor 15 Jah­ren war er als Les­ben­sport­art ver­schrien. Das ist jetzt nicht mehr so, aber Vor­be­hal­te gibt es im­mer noch. Bei ei­ni­gen Mä­dels hat die Fa­mi­lie das Fuß­ball­spie­len ver­bo­ten.

Wie ist der An­teil an Mig­ran­tin­nen bei Ih­ren Mann­schaf­ten?

Thie­le: Wir ha­ben ein­zel­ne Spie­le­rin­nen mit Mig­ra­ti­ons­hin­ter­grund. Manch­mal gibt es aber auch sehr gu­te und ehr­gei­zi­ge Spie­le­rin­nen, die nicht un­ter­stützt wer­den. Die stel­len sich mit dem Fuß­ball­spie­len dann ge­gen ih­re Fa­mi­lie.

Wa­rum bie­ten Sie den „Tag des Mäd­chen­fuß­balls“ an?

Thie­le: Es ist ei­ne Mög­lich­keit, ein­fach mal vor­bei­zu­kom­men und aus­zu­pro­bie­ren. Die Mäd­chen pro­fi­tie­ren, wenn sie bei uns spie­len, denn sie ma­chen ei­ne Ge­mein­schafts­er­fah­rung. Für uns als Ver­ein ist die Nach­wuchs­för­de­rung wich­tig. Wir wol­len ver­su­chen, et­was auf­zu­bau­en. Auch, da­mit die gro­ßen Ver­ei­ne in der Re­gi­on nicht al­les ab­gra­sen. Vor der Sai­son fra­gen wir uns oft: Kriegt man ei­ne ver­nünf­ti­ge Trup­pe zu­sam­men? Dann klappt es aber doch im­mer noch.

„Mäd­chen­fuß­ball-Tag“

An diesem Samstag, 24. September, lädt der Turnerbund (TB) Witterschlick Frauen und Mädchen jeden Alters von 13 bis 15 Uhr erstmalig zum „Tag des Mädchenfußballs“ auf denWitterschlicker Sportplatz , Auf dem Schurweßel 2, ein. Interessierte können einen persönlichen Eindruck vom Team und dem Training gewinnen, beispielsweise in einem Trainingsparcours. Mehr Informationen unter www.tb-witterschlick-damen.de.

Zur Person

Det­lef Thie­le (49) ist in der Köl­ner Süd­stadt auf­ge­wach­sen und be­zeich­net sich als ech­ter „köl­sche Jung“. Heu­te lebt er mit sei­ner Frau und vier Kat­zen in Born­heim-Bre­nig und ar­bei­tet als La­ge­rist. Er sel­ber wur­de als Kind auf ei­nem Brüh­ler Cam­ping­platz von ei­nem Mä­zen des FC Fort­una Köln ent­deckt und spiel­te dort bis zur B-Ju­gend. Spä­ter war er Spie­ler ver­schie­de­ner Ama­teur­ver­ei­ne. Heu­te kann er aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den nicht mehr sel­ber spie­len und trai­niert die Frau­en und Mäd­chen beim Turn­er­bund Wit­ter­schlick zu­sam­men mit Co-Trai­ne­rin An­ika Krä­mer.

Aufrufe: 024.9.2016, 15:00 Uhr
General-Anzeiger / Bettina ThränhardtAutor