Die Begründung: Im Kampf um den Ball verschwinde die weibliche Anmut, Körper und Seele erlitten Schaden und das „Zurschaustellen des Körpers“ verletze Schicklichkeit und Anstand. Heute zeigt sich ein anderes Bild: Die Frauen-Nationalmannschaft überzeugt durch gute Leistungen, zuletzt mit einem Olympiasieg in Rio. Auch auf lokaler Ebene tut sich viel. So hat der Turnerbund Witterschlick seit 13 Jahren eine Damenmannschaft, die in der Bonner Kreisklasse A spielt. Um sein Angebot bekannter zu machen, lädt er für diesen Samstag zum „Tag des Mädchenfußballs“ ein. Detlef Thiele trainiert die Damen und Mädchen im Verein. Über seine Erfahrungen und die Erfolgsgeschichte Frauenfußball sprach er mit Bettina Thränhardt .
Wie ist Ihre Einstellung zum Damenfußball?
Detlef Thiele: Früher habe ich darüber gelacht. Heute sehe ich das ganz anders. Seit drei Jahren trainiere ich unsere Damen und Mädchen und würde niemals mehr eine Männermannschaft trainieren wollen.
Was ist anders bei den Damen?
Thiele: Frauen handhaben manche Dinge anders. Die Männer stellen sich eine Kiste Bier hin, wenn sie feiern wollen. So einfach geht das bei den Frauen nicht: Da wird erst mal die Farbe der Teller und Becher diskutiert. Für alles wird eine eigene WhatsApp-Gruppe gebildet. Nach den ersten Trainings habe ich mir bei einer Drogerie eine Rolle Haargummis besorgt, die die Frauen beim Training benutzen können. Meine Frau hat sich kaputt gelacht. Aber die Rolle ist schon fast leer.
Trainieren Sie die Frauen anders als Männer?
Thiele: Ich musste da erst reinwachsen. Mit den Männern arbeitet man den Trainingsplan einfach ab. Die Frauen wollen ihn diskutieren, und am Ende steht noch 25 Prozent des Anfangsplans. Aber das macht nichts, das Training macht mir Spaß. Wir sind zusammengewachsen und heute fast wie eine Familie. Einige der Frauen könnten vom Alter her ja meine Kinder sein.
Die Profi-Fußballerinnen sind erfolgreich, zuletzt haben sie einen Olympiasieg in Rio eingefahren. Ist der Frauenfußball in der Sportgesellschaft angekommen?
Thiele: Definitiv ja. Seit zehn Jahren gibt es einen Wandel. Viele Spiele der Frauen-Nationalmannschaft sind ausverkauft und in den Vereinen gibt es auch immer mehr Frauen- und Mädchenmannschaften.
Trotzdem haben die Spiele der männlichen Fußballprofis mehr Zuschauer. Machen Sie etwas anders?
Thiele: Bei den Männern ist das Testosteron im Weg. Sie spielen aggressiver, schneller und zielgerichteter. Dafür zeigen die Frauen mehr Teamgeist.
Was meinen Sie damit?
Thiele: In unserer Damenmannschaft spielen Frauen, die von klein auf dabei sind, ebenso wie Frauen, die erst als Erwachsene angefangen haben. Natürlich merkt man den Unterschied. Aber der Konkurrenzkampf ist nicht so groß wie bei den Männern. Jede Spielerin gönnt es der anderen, wenn ihr etwas gelingt. Wir sind jetzt dazu übergegangen, nach Wettkämpfen eine „Spielerin des Spiels“ zu ernennen. Das kann auch eine Anfängerin sein, die etwas für sie Außergewöhnliches macht. Wenn man zum Beispiel immer Angst vor dem Zweikampf hatte und hat sich das bei einem Spiel getraut, ist das eine tolle Leistung.
Sie haben auch Mädchenmannschaften. Wie stehen die Eltern der Mädchen zu dem Hobby ihrer Töchter?
Thiele: Gegen den Mädchen- und Frauenfußball gibt es viele Vorurteile. Bis vor 15 Jahren war er als Lesbensportart verschrien. Das ist jetzt nicht mehr so, aber Vorbehalte gibt es immer noch. Bei einigen Mädels hat die Familie das Fußballspielen verboten.
Wie ist der Anteil an Migrantinnen bei Ihren Mannschaften?
Thiele: Wir haben einzelne Spielerinnen mit Migrationshintergrund. Manchmal gibt es aber auch sehr gute und ehrgeizige Spielerinnen, die nicht unterstützt werden. Die stellen sich mit dem Fußballspielen dann gegen ihre Familie.
Warum bieten Sie den „Tag des Mädchenfußballs“ an?
Thiele: Es ist eine Möglichkeit, einfach mal vorbeizukommen und auszuprobieren. Die Mädchen profitieren, wenn sie bei uns spielen, denn sie machen eine Gemeinschaftserfahrung. Für uns als Verein ist die Nachwuchsförderung wichtig. Wir wollen versuchen, etwas aufzubauen. Auch, damit die großen Vereine in der Region nicht alles abgrasen. Vor der Saison fragen wir uns oft: Kriegt man eine vernünftige Truppe zusammen? Dann klappt es aber doch immer noch.
An diesem Samstag, 24. September, lädt der Turnerbund (TB) Witterschlick Frauen und Mädchen jeden Alters von 13 bis 15 Uhr erstmalig zum „Tag des Mädchenfußballs“ auf denWitterschlicker Sportplatz , Auf dem Schurweßel 2, ein. Interessierte können einen persönlichen Eindruck vom Team und dem Training gewinnen, beispielsweise in einem Trainingsparcours. Mehr Informationen unter www.tb-witterschlick-damen.de.
Detlef Thiele (49) ist in der Kölner Südstadt aufgewachsen und bezeichnet sich als echter „kölsche Jung“. Heute lebt er mit seiner Frau und vier Katzen in Bornheim-Brenig und arbeitet als Lagerist. Er selber wurde als Kind auf einem Brühler Campingplatz von einem Mäzen des FC Fortuna Köln entdeckt und spielte dort bis zur B-Jugend. Später war er Spieler verschiedener Amateurvereine. Heute kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selber spielen und trainiert die Frauen und Mädchen beim Turnerbund Witterschlick zusammen mit Co-Trainerin Anika Krämer.