2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines

FC Bayern: Darum haben es Talente so schwer

Kolumne von Reinhard Hübner

FC Bayern München II - Der FC Bayern baut ein Nachwuchsleistungs- zentrum für 70 Millionen Euro, doch für seine Talente ist der Weg nach oben kaum durchlässig.

Altruismus, also Uneigennützigkeit, gehört für die breite Mehrheit der Fußballfans sicher nicht zu den hervorstechenden Eigenschaften eines FC Bayern. Dabei investiert der Rekordmeister gerade rund 70 Millionen Euro in ein zumindest hierzulande beispielloses Nachwuchsleistungszentrum. Und wer nun sagt, das tut er doch nur für sich, der sollte nur mal die Spielerkader deutscher Erst- und Zweitligisten durchforsten. Er wird eine stattliche Anzahl an Spielern finden, die vom FC Bayern ausgebildet wurden. Bei Bayern selbst aber immer weniger.

Das liegt sicher zum einen daran, dass man, wie selbst Uli Hoeneß unumwunden zugibt, „in diesem Bereich derzeit nicht so gut“ ist, vor allem aber ist das der Preis für den Aufstieg der Profis in die bel étage des Weltfußballs. Die Durchlässigkeit, eines der entscheidenden Kriterien guter Nachwuchsarbeit, ist schwer zu erreichen, wenn Geld keine Rolle spielt, Jahr für Jahr noch bessere, noch tollere, noch teurere Superstars nach München gelockt werden, selbst bei Nachwuchskräften lieber auf Leute gesetzt wird, die in Lissabon oder Stuttgart ausgebildet wurden.

Bestimmt ist es also die soziale Ader der Bayern, die sie nun so viel Geld für den Nachwuchs lockermachen lässt. Man braucht nämlich schon eine gehörige Portion Optimismus, zu hoffen, dass künftige Bayernstars wieder aus Oberaudorf, von der FT Gern oder aus Pähl kommen. Die Zeiten haben sich verändert. Und mit ihnen der FC Bayern.

Es soll schon Eltern geben, die ihre hoffnungsvollen Kids lieber nach Unterhaching schicken, wo die Ausbildung sicher nicht viel schlechter, die Chance, sukzessive nach oben durchzukommen, aber größer ist. Gerade hat wieder ein auch von Bayern und 1860 umworbenes Nachwuchstalent in Haching unterschrieben, möglicherweise nicht die dümmste Entscheidung. Auch bei den Löwen wird ja der Flaschenhals immer enger, seit der Giesinger Kultklub zur europäischen Großmacht umgebaut wird, mit stark internationalem Anstrich. Vielleicht hätte man für das Geld lieber all die Leute einsammeln sollen, die einst an der Grünwalder Straße groß wurden, die Benders, Volland vielleicht, Baier, Wood, Johnson, für einen Weigl reicht wohl selbst Ismaiks Budget nicht. Dazu ein Trainer Nagelsmann, das wäre ein Team echter Löwen.

So aber muss man sich an der Grünwalder ebenso wie an der Säbener Straße mehr und mehr die Frage stellen, warum man eigentlich schon die besten Achtjährigen aus der gesamten Region einsammelt. Von der F-Jugend bis zu den Profis hat es selten einer geschafft, in Zukunft wird es praktisch völlig unmöglich.

Kritiker halten diese Praxis für ein zynisches Spiel mit Träumen von Kindern (und deren Eltern). Jugendleiter mittlerer und kleinerer Vereine erzählen frustriert die Geschichten von vermeintlichen Übertalenten, die dem Lockruf der Scouts zu den Großklubs gefolgt sind, dort nach wenigen Monaten aussortiert wurden und meist aus Scham nicht zurückgekehrt sind in ihren Heimatverein. Sondern dem Fußball verloren gingen.

Vielleicht wäre es an der Zeit, nicht nur teure Nachwuchszentren zu bauen, sondern generell Talentförderung zu hinterfragen. Macht es Sinn, Acht- oder Zehnjährige zu verpflichten, von denen selbst erfahrenste Trainer nicht sagen können, wie sie sich entwickeln? Reicht es nicht, sie erst in etwas reiferem Alter zu holen? Vielleicht könnten die Bayern Geld und Kapazitäten sparen, würden sie die Jüngeren bei Kooperationspartnern in der Region fördern (was nebenbei auch die Basis stärken würde). Und nur die wirklich vielversprechendsten Talente ab 15 nach München holen.

Selbst die werden es brutal schwer haben, künftig einen Platz in Bayerns Starensemble zu finden. Vielleicht aber in Ingolstadt, Augsburg oder Nürnberg. Auch mal ein bisschen altruistisch denken darf man ja sogar beim stolzen FCB.

Aufrufe: 09.4.2017, 16:44 Uhr
Münchner Merkur - Reinhard HübnerAutor