2024-04-30T13:48:59.170Z

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Ralf Klohr glaubt an Fair Play und fordert die Verantwortung der Spieler ein.
Ralf Klohr glaubt an Fair Play und fordert die Verantwortung der Spieler ein.

Fair-Play als Mittel gegen Schiedsrichterrückgang?

Visionär Ralf Klohr fordert Umdenken auf deutschen Fußballplätzen

Der Fußball-Verband Niederrhein ist von einem dramatischen Schiedsrichterrückgang betroffen und steht damit nicht alleine da. Ralf Klohr ist der Erfinder der FairPlayLiga im Kinderfußball. Er plädiert unter anderem dafür, dass die Spieler den Schiedsrichter unterstützen sollen, indem sie Entscheidungen selbstständig treffen. Seine Ideen wurden inzwischen in mehreren Jugendligen bundesweit zum Erfolgsmodell. Klohr sieht das Projekt damit aber noch nicht abgeschlossen. Im Interview erklärt er seine Vision.

Herr Klohr, der Fußball-Verband Niederrhein leidet unter einem dramatischen Schiedsrichterschwund. So ist die Zahl der Schiedsrichter von 4400 im Jahr 1990 auf aktuell nur noch 2600 zurückgegangen. Worin liegen Ihrer Meinung nach Gründe für diese Entwicklung?
Ralf Klohr: Der Hauptgrund für mich ist, dass die Schiedsrichter von vielen Spielern und Zuschauern unverhältnismäßig schlecht behandelt werden. Dabei geht der Spaß verloren. Diese schlechte Behandlung ist auch der Grund, warum viele junge Schiedsrichter zwar Interesse haben und eine Ausbildung machen, sehr bald dem Druck aber nicht mehr standhalten und aufhören. Wir haben mittlerweile eine sehr negative Kultur auf unseren Sportplätzen.

Ihre Idee der FairPlayLiga findet inzwischen in weiten Teilen des Landes Anklang. Was hat sie überhaupt zu dieser Erfindung bewogen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Klohr: In meiner Zeit als Jugendleiter beim SuS Herzogenrath (Kreis Aachen) kam es bei einem Kinderfußballspiel zu einem Spielabbruch wegen einer Schlägerei vor den Augen der Kinder. Die Schläger waren die erwachsenen Zuschauer. Grund war eine vermeidliche Fehlentscheidung des Schiedsrichters. Ich habe dann über die Gründe dieser hefigen Emotionen nachgedacht und mir drei polarisierende Regeln überlegt, die alle Beteiligte beim Kinderfußball berühren. Mit diesen Regeln haben wir die Chance, die unverhältnismäßigen Emotionen in den Griff zu bekommen.

Seit September läuft im Fußballkreis Köln die Fortsetzung der FairPlayLiga als Pilotprojekt im Jugendbereich. Dort soll der Schiedsrichter eher als Moderator auftreten. Über Einwurf, Eckstoß und Abstoß entscheiden die Spieler selbst. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie?
Klohr: Der Schiedsrichter ist und bleibt der Schiedsrichter, denn den wollen wir ja fördern. Er trifft alle wichtigen Entscheidungen. Foulspiel, Handspiel und Abseitsentscheidungen sind sein Ding. Nur die einfachen Entscheidungen an den Außenlinien werden von den Spielern in Eigenverantwortung entschieden. Wenn allerdings bei diesen einfachen Entscheidungen die Spieler streiten, dann greift er als Moderator ein. Aber ganz klar, er entscheidet auch bei Uneinigkeit der Spieler nicht. Das müssen die Spieler untereinander klären. Diese Herangehensweise nimmt bei den Spielern die Aggressionen weg und fördert die Aufmerksamkeit für die Spielfortsetzung. Wir machen die Erfahrung, dass die Spieler die Verantwortung annehmen und es sehr gut hinbekommen.

Auch im Seniorenbereich sind mittlerweile Pilotprojekte gestartet...
Klohr: Der Fußballkreis Flensburg spielt in seinen Seniorenkreisligen dieses Modell schon seit einiger Zeit und macht ebenfalls gute Erfahrungen. Dort sind nicht nur die Spruchkammersitzungen bei den Senioren zurückgegangen, sondern auch bei der Jugend. Hier wird die Vorbildrolle aus dem Erwachsenbereich klar sichtbar, denn in der Jugend wird dort das Modell noch nicht gespielt.

Trotz der positiven Resonanz gibt es immer wieder Skeptiker, die der Meinung sind, dass der Sieg und damit verbunden eine gewisse Aggressivität, auch in den unteren Jugendligen oberste Priorität haben soll. Kinder würden dadurch lernen sich durchzusetzen. Was entgegnen Sie?
Klohr: Diese Kritiker wissen genau, dass sie Blödsinn reden. Der beste Fußball wird gespielt, wenn man frei und ohne Angst agiert. Positive Aggressivität und Durchsetzungsvermögen hat doch nichts damit zu tun, dass ich mit unfairen Mitteln mehr Erfolg habe. Es mag sein, dass manchmal der Unfaire ein Spiel gewinnt, aber in der Regel gewinnt immer noch der Bessere.

"Der unsägliche Werteverfall in unserer Gesellschaft tut dann noch sein übriges."

Aber warum haben wir dann solche Missstände?
Klohr: Weil es beim Fußball normal ist, dass von Spielern keine Verantwortung eingefordert wird. Deshalb ist es nur logisch, dass sie Ihren Vorteil suchen und sich dann darüber aufregen, wenn sie ihn nicht bekommen. Ausbaden muss das dann der Schiedsrichter. Der unsägliche Werteverfall in unserer Gesellschaft tut dann noch sein übriges.

Was nun?
Klohr: Da gibt es einiges an Möglichkeiten. Die Verantwortlichen müssen sich klar werden, was sie wollen. Will ich, dass in meinem Verein fairer Sport getrieben wird, dann muss ich auch als Verantwortlicher von meinen Spielern diese Fairness einfordern. Die Spieler müssen auf Vereinsebene in diese Prozesse einbezogen werden. Die Spieler sind es, die spielen wollen, und dafür müssen Sie auch Verantwortung übernehmen. Die Vereinsverantwortlichen können den Dialog mit den Schiedsrichtern und den Verantwortlichen des Fußballkreises suchen.
Andersherum könnten die Kreisverantwortlichen und Schiedsrichter den Vereinen klar machen, dass es so nicht weitergeht. Daraus kann dann ein Dialog entstehen, der dann aber auch zu klaren nachvollziehbaren Ergebnissen führen muss.

Und die wären?
Klohr: Die Verantwortung für das Spiel liegt auf dem Platz! Die Spieler übernehmen Verantwortung, unterstützen den Schiedsrichter und entscheiden selbstständig über Einwurf, Abstoß/Eckstoß. Das von den Vereinsverantwortlichen offensiv zu vertreten wäre konsequent, verhältnismäßig, gerecht und fair. So kann wieder eine angenehme Kultur entstehen.

Die Kritiker werden sagen, das funktioniert nie.
Klohr: Ich sage, das funktioniert sehr gut. Fußballer sind keine schlechteren Menschen als die anderen. Es ist jedoch so, dass bisher nur geredet und nicht gehandelt wurde. Bisher hat doch noch niemals jemand von den Spielern soviel Initiative verlangt.

Sie wurden unter anderem vom DFB als Fair-Play-Experte engagiert. Wie läuft diese Zusammenarbeit und was tut der DFB um ihre Ideen umzusetzen?
Klohr: Die Zusammenarbeit ist sehr fruchtbar. Die FairPlayLiga im Kinderfußball ist in der DFB-Jugendordnung als Empfehlung festgeschrieben. Da der Fußball föderal organisiert ist, ist das leider auch schon das äußerste Mittel zu dem der DFB greifen kann. Die Verantwortung über die Umsetzung der Regeln liegt in den Fußballkreisen und deren Vereinen.

Was sind Ihre Ziele für die Zukunft? Gibt es ein finales Ziel, welches vorgibt in welchen Bereichen ihre Fair-Play-Regeln greifen sollen?
Klohr: Mein Ziel ist es, die Verhältnismäßigkeit im Fußball auf Kreisebene herzustellen. In der Bundesliga gibt es professionelle Fußballspieler, top ausgebildete Schieds- und Linienrichter und zusätzlich noch einen vierten Offiziellen, der wild gewordene Trainer einfängt. Im Kreisspielbetrieb gibt es nicht mal mehr genug Schiedsrichter, ganz zu schweigen von unparteiischen Linienrichtern. Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, ist, auf dem eigenen Sportplatz endlich die Augen aufzumachen, zu handeln und ganz gezielt Verantwortung für den Fußball zu übernehmen. Das was dort derzeit oft läuft, hat unser Fußball nicht verdient.

Das Interview führte Niklas Heib.

Die Drei Grundregeln der FairPlayLiga im Kinderfußball:

1. Zuschauer und Angehörige halten sich in einem Abstand von mindestens 15 Metern zum Spielfeld auf.
2. Die Spieler sollen selbst Entscheidungen treffen und somit Verantwortung für sich und andere übernehmen.
3. Die Trainer verfolgen das Spiel in einer gemeinsamen Coachingzone.









Aufrufe: 019.2.2014, 12:04 Uhr
Niklas HeibAutor